Versöhnungsspiel

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Titelbild Fussball-Sonntag 3. April 1938
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Sportveranstaltung
Datum vonDatum (oder Jahr) von 3. April 1938
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 3. April 1938
Thema
VeranstalterVeranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
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Das sogenannte Versöhnungsspiel oder auch „Anschlussspiel“ war eine Fußballbegegnung zwischen Österreich und Deutschland, die am 3. April 1938 im Wiener Praterstadion unter besonderen politischen Umständen stattfand und in keiner Länderspielstatistik berücksichtigt wird.

Anschluss

Drei Wochen zuvor, am 12. März 1938, waren Soldaten der deutschen Wehrmacht unter dem Beifall eines großen Teils der österreichischen Bevölkerung in Österreich einmarschiert. Österreich wurde damit gleichsam annektiert und Teil des nationalsozialistischen Deutschen Reiches. Auf gesetzlicher Ebene wurde dieser „Anschluss“ Österreichs am folgenden Tag vollzogen: Mit dem durch die Regierungen Österreichs (unter dem nationalsozialistischen Bundeskanzler Arthur Seyß-Inquart) und Deutschlands beschlossenen „Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ vom 13. März 1938[1] erfolgte die rechtliche Eingliederung Österreichs in Hitlerdeutschland. Artikel II des Gesetzes sah vor, den bereits vollzogenen „Anschluss“ Österreichs durch eine Volksabstimmung am 10. April 1938 von der Bevölkerung nachträglich billigen zu lassen.

Auswirkungen und Propaganda

Die politischen Umwälzungen erfassten den österreichischen Sport bzw. den Fußball umgehend, was die hohe propagandistische Bedeutung des österreichischen Sportwesens für das NS-Regime aufzeigt. Jüdische Vereine, wie etwa der SC Hakoah, mussten ihre Vereinstätigkeit sofort einstellen. Jüdische Spieler und Funktionäre wurden noch im März 1938 aus ihren Vereinen ausgeschlossen. Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) löste sich am 28. März de facto auf und trat aus der FIFA aus. So findet sich die Begegnung vom 3. April 1938 „‚Gau Österreich gegen ‚Deutsche Reichsmannschaft‘“ auch in keiner Länderspielstatistik wieder.

In Hinblick auf die für 10. April 1938 geplante Volksabstimmung kam dem eine Woche davor geplanten „Versöhnungsspiel“ aus nationalsozialistischer Sicht große Bedeutung zu. Dies belegt auch eine wichtige organisatorische Personalentscheidung der neuen Machthaber. So wurde der Kärntner NS-Funktionär Friedrich Rainer als „Sportführer“ mit der Organisation des Spiels betraut. Gleichzeitig war er auch als Leiter des Wahlorganisationsamtes für die Abwicklung der Volksabstimmung verantwortlich. Zwar war im Vorfeld der positive Ausgang der Abstimmung gewiss. Doch jeder Prozentsatz gegen den „Anschluss“ würde für das NS-Regime einen Gesichtsverlust im Ausland bedeuten. Deshalb nutzte die NS-Propaganda auch die Fußballbegegnung als Plattform der Wahlwerbung. Vor dem Spiel marschierten die beiden Wiener Aktiven Otto Marischka und Rudolf Zöhrer mit einem Transparent mit der Aufschrift „Sportler stimmen mit “Ja“ aufs Feld. [2]

Das Spiel

Für den deutschen „Reichstrainer“ Sepp Herberger war die Partie auch eine wichtige Möglichkeit, die österreichischen Spieler zu beobachten, da auf politische Anweisung eine „vereinte“ deutsche Fußballnationalmannschaft an der Weltmeisterschaftsendrunde im Juni 1938 in Frankreich teilnehmen sollte. Im Spiel selbst feierte Matthias Sindelar nach Verletzungspause ein Comeback für die in Rot-Weiß-Rot spielenden Österreicher. Vor 60.000 Zuschauern entwickelte sich in der ersten Spielhälfte eine ausgeglichene Partie, in der beide Mannschaften gute Chancen vorfanden, die aber ungenützt blieben. Nach dem Seitenwechsel übernahm die Heimmannschaft die spielerische Initiative und Sindelar erzielte in der 62. Minute das erste Tor. Acht Minuten später traf Karl Sesta aus einem Freistoß zum 2:0 Endstand für die Österreicher.

Mythenbildung

Nach 1945 setzte eine Mythisierung des Versöhnungsspiels ein, die an gewissen Rahmenbedingungen der Partie festgemacht wurde. So wertete man die Trikotwahl der Österreicher mit Rot-Weiß-Rot, auf der dem Vernehmen nach Matthias Sindelar bestanden haben soll, als widerständigen Akt. Doch war diese Farbenwahl nicht ungewöhnlich gewesen, hatte die Österreicher schon in der Vergangenheit regelmäßig so gespielt. Es ist auch davon auszugehen, dass ohne die Billigung des NS-Regimes diese Farbwahl gar nicht möglich gewesen wäre. Bedingt durch den Spielverlauf der torlosen ersten Spielhälfte entwickelte sich auch die Vorstellung, dass das neue Regime einen unentschiedenen Spielausgang diktiert hätte. Doch für eine politische Lenkung des Spiels lassen sich keine Indizien finden. Schließlich wurde auch der überschwängliche Torjubel von Sindelar selbst als Akt des Widerstandes gedeutet. Auch dafür lassen sich allerdings keine stichhaltigen Beweise finden.

Am 10. April 1938 gestaltete sich die Volksabstimmung mit 99,75 % an Ja-Stimmen als Propagandaerfolg für das Regime und diente der endgültigen Legitimierung des de facto Zustandes. Im Juni 1938 gehörten neun „Österreicher“ dem 22-Mann-Kader der deutschen Nationalmannschaft in Frankreich an, die schon im Achtelfinale gegen die Schweiz ausschied. Auch in der Folge wurden immer wieder „österreichische“ Spieler in die reichsdeutsche Nationalmannschaft einberufen. Bis zur Einstellung des deutschen Länderspielverkehrs im Jahr 1942 kam Spitzenreiter Wilhelm Hahnemann auf 23 Einsätze und erzielte dabei 16 Treffer.

Statistik

„Versöhnungsspiel“ 3. April 1938; „Gau Österreich“-„Deutsche Reichsmannschaft“ 2:0 (0:0), Tore: Sindelar (62 Min.), Sesta (70 Min.); Praterstadion, Schiedsrichter Alfred Birlem, 60.000 Zuschauer; „Gau Österreich“: Peter Platzer (Admira); Karl Sesta (Austria), Willibald Schmaus (Vienna); Franz Wagner (Rapid), Johann Mock (Austria), Stefan Skoumal (Rapid); Wilhelm Hahnemann (Admira), Josef Stroh (Austria), Matthias Sindelar (Austria), Franz Binder (Rapid), Johann Pesser (Rapid); „Deutsche Reichsmannschaft“: Hans Jakob (Jahn Regensburg), Paul Janes (Fortuna Düsseldorf), Reinhold Münzenberg (Allemania Aachen); Andreas Kupfer (1.FC Schweinfurt 05), Ludwig Goldbrunner (FC Bayern München), Albin Kitzinger (1.FC Schweinfurt 05); Ernst Lehner (TSV Schwaben Augsburg), Rudolf Gellesch (FC Schalke 04), Hans Berndt (Tennis Borussia Berlin), Josef Gauchel (TuS Neuendorf), Josef Fath (Wormatia Worms). [3]

Literatur

  • David Forster/Georg Spitaler: Das „Versöhnungsspiel“ am 3. April 1938. In: Fußball unterm Hakenkreuz in der „Ostmark“. Hg. von David Forster u.a. Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2014, S. 252-261
  • Wolfgang Maderthaner: Der „papierene“ Tänzer. Matthias Sindelar, ein Wiener Fußballmythos. In: Die Kanten des runden Leders. Beiträge zur europäischen Fußballkultur. Hg. von Roman Horak u.a. Wien: Promedia Verlag 1991, S. 203-216
  • Wolfgang Maderthaner u.a. [Hgg.]: Die Eleganz des runden Leders. Wiener Fußball 1920-1965. Göttingen: Verlag Die Werkstatt 2008
  • Matthias Marschik: Vom Nutzen der Unterhaltung. Der Wiener Fußball in der NS-Zeit. Zwischen Vereinnahmung und Resistenz. Wien: Verlag Turia und Kant 1998
  • Matthias Marschik: Sportdiktatur. Bewegungskulturen im nationalsozialistischen Österreich. Wien: Verlag Turia und Kant 2008

Einzelnachweise

  1. RGBl. I 1938 S. 237f.; „Anschlussgesetz“
  2. David Forster/Georg Spitaler: Das „Versöhnungsspiel“ am 3. April 1938. Göttingen 2014, S.253
  3. Wiener Sporttagblatt 4. April 1938, S. 1-3