Bermann-Fischer Verlag

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Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation Verlag
Datum vonDatum (oder Jahr) von 9. Juni 1936
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1. Februar 1944
Benannt nach Gottfried Bermann-Fischer
Prominente Personen Arthur Schnitzler, Robert Musil, Hugo von Hofmannsthal
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  71421
GNDGemeindsame Normdatei 310118-6
WikidataIDID von Wikidata Q16854946
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RessourceUrsprüngliche Ressource  Murray G. Hall: Österr. Verlagsgeschichte
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Letzte Änderung am 13.04.2021 durch DYN.krabina
  • 3., Esteplatz 5

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48° 12' 18.36" N, 16° 23' 22.48" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Bermann-Fischer Verlag. Angesichts der sich verschärfenden politischen Verhältnisse fasste der deutsche Verleger Gottfried Bermann-Fischer im März 1935 den Entschluss, das seit 1886 bestehende Verlagsunternehmen S. Fischer zu teilen. Am 18. Dezember 1936 kaufte eine wenige Tage zuvor gegründete Kommanditgesellschaft das Unternehmen von der "S. Fischer A.G." Die Leitung des in Berlin beheimateten S. Fischer Verlags übernahm Peter Suhrkamp. Verlagsrechte über zahlreiche im Deutschen Reich unerwünschte Autorinnen und Autoren sowie ein umfangreiches Warenlager bildeten dagegen die Basis für einen im Ausland angesiedelten Verlag unter der Leitung Bermann-Fischers.

Die im Vorfeld geführten Verhandlungen mit dem Propagandaministerium gaben Bermann-Fischer vergleichsweise viele Freiheiten für die Gründung seines neuen Verlags. Nicht nur durfte er den Lagerbestand mit 780.000 Bänden im Wert von 1,572.000 Reichsmark mitnehmen, sondern es war ihm auch ausdrücklich gestattet, die Produktion zu bewerben.

Erste Gerüchte, dass das Unternehmen nach Österreich abwandern wollte, gab es bereits im November 1935. Nach Anzeichen, dass doch Zürich der neue Sitz des Verlages werden sollte, fiel im Frühjahr 1936 schließlich die Entscheidung für Wien. Am 1. April 1936 erwarb Bermann-Fischer sämtliche Anteile der seit 5. Dezember 1930 ins Wiener Handelsregister eingetragenen Firma "Zentraleuropäische Verlags und Werbe-Gesellschaft" sowie die erforderliche Konzession. Die Buchkaufmannschaft Wien befürwortete am 8. Mai die Übernahme. Am 22. Mai äußerte sich die Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie positiv zur Übernahme und zum Firmenwortlaut "Bermann-Fischer Verlag Ges.m.b.H.". Die Eintragung der Firma in das Wiener Handelsregister mit Sitz in 3., Esteplatz 5, erfolgte am 9. Juni 1936. Alleiniger Geschäftsführer war Gottfried Bermann-Fischer.

Der Registerakt des Handelsregisters enthält auch ein Verzeichnis jener Autoren und Werke, die S. Fischer Berlin an den Bermann-Fischer Verlag abgetreten hatte. Darunter fielen Peter Altenberg, Richard Beer-Hofmann, Alice Berend, Siegmund Bing, Alfred Döblin, Arthur Eloesser, Martin Gumpert, Moritz Heimann, Friedrich Heydenau, Hugo von Hofmannsthal, Marta Karlweis, Harry Kessler, Annette Kolb, Mechtilde Lichnowsky, Thomas Mann, André Maurois, Carl Rössler, René Schickel, Arthur Schnitzler, Bernard Shaw, Richard Specht, Siegfried Trebitsch, Jakob Wassermann, Carl Zuckmayer, Raoul Auernheimer und Hans Chlumberg.

Ein Schreiben der Reichsschrifttumskammer hatte bereits am 30. April 1936 bestätigt, dass – vorbehaltlich der devisenrechtlichen Zustimmung – keine Bedenken gegen diese Übernahmevereinbarung bestünden, allerdings die genannten Autorinnen und Autoren und deren Erben dem Ausscheiden aus der S. Fischer-Verlags A.G. zustimmen müssten. Auch wurde Gottfried Bermann-Fischer darauf aufmerksam gemacht, dass Bing, Döblin, Schickele, Schnitzler, Specht, Trebitsch, Wassermann und Harry Graf Kessler mit einem Verbot im Deutschen Reich belegt waren. In dem Schreiben nicht erwähnt wurden die Werke Carl Zuckmayers, der ebenfalls mit einem Gesamtverbot belegt worden war.

Laut Forderung der Reichsschrifttumskammer hatte der Abtransport der Lagerbestände nach Wien bis zum 31. Mai 1936 zu erfolgen. Im August des gleichen Jahres begann der Bermann-Fischer Verlag mit seiner Herstellungstätigkeit in Österreich. Dennoch blieb das Deutsche Reich bis zum "Anschluss" das Hauptabsatzgebiet des Unternehmens, die Auslieferung übernahm die in Leipzig beheimatete Firma Fleischer. Nach wie vor wurde auch ein nicht geringer Teil der Verlagsproduktion in Deutschland hergestellt, sodass Bermann-Fischer beim Verkauf und Vertrieb dieser Werke unter keinen Einschränkungen zu leiden hatte. Noch im Jahr 1937 war der Verlag im "Adreßbuch des deutschen Buchhandels" verzeichnet und Bermann-Fischer konnte an der Frühjahrsbuchmesse teilnehmen. Wohl aber schien das Unternehmen Ende 1937 von inoffiziellen Boykottmaßnahmen im Deutschen Reich betroffen gewesen zu sein.

Nach dem "Anschluss" floh Gottfried Bermann-Fischer am 13. März 1938 über Italien in die Schweiz. Seit dem 18. März 1938 stand der Verlag unter der kommissarischen Leitung von Alfred Böhme, der Betrieb wurde zunächst aufrechterhalten. Am 28. Juli 1938 richtete Böhme ein Ansuchen an den Staatskommissar in der Privatwirtschaft mit der Bitte um Enthebung von seiner Funktion. Zu seinem Nachfolger wurde Theodor Hahn jun. bestimmt.

Am 25. Februar 1939 erging beim Handelsgericht Wien der Antrag auf Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens über das Vermögen der Bermann-Fischer Verlag Ges.m.b.H. Wien. Ungefähr einen Monat später wurde Hahn seines Postens als kommissarischer Verwalter enthoben. Die endgültige Löschung des Bermann-Fischer Verlags aus dem Handelsregister erfolgte erst 1944.

Dank eines klugen Schachzugs von Gottfried Bermann-Fischer gehörte ein Großteil der Autorenrechte der im schweizerischen Chur gegründeten "A.G. für Verlagsrechte". In diese hatte der alleinige Gesellschafter Bermann-Fischer neu geschlossene Verträge mit Autorinnen und Autoren eingebracht, um sie vor dem Zugriff durch die Nationalsozialisten zu schützen. Die A.G. für Verlagsrechte konnte daher im Ausgleichsverfahren Forderungen erheben, die auch erfüllt werden mussten.

Im Zuge der Verhandlungen zwischen dem kommissarisch geleiteten Bermann-Fischer Verlag und der A.G. für Verlagsrechte wurden die Verlagswerke nun einerseits in jene aufgeteilt, die im Deutschen Reich zum Vertrieb zugelassen waren und über die die Abwickler frei verfügen konnten. Die Liste der Autorinnen und Autoren, deren Werke nicht in Deutschland vertrieben werden durften, fielen dagegen der A.G. für Verlagsrechte zu.

Produktion

Das Programm des Bermann-Fischer Verlags gründete in den Jahren 1936 bis 1938 vor allem auf den übernommenen Autorinnen und Autoren des S. Fischer Verlags. Am 25. Juli 1936 verkündete Gottfried Bermann-Fischer dem österreichischen Buchhandel die Gründung des neuen Unternehmens und verwies auf Autorinnen und Autoren wie Peter Altenberg, Richard Beer-Hofmann, Alice Berend, Alfred Döblin, Martin Gumpert, Moritz Heimann, Friedrich Heydenau, Hugo von Hofmannsthal, Marta Karlweis, Graf Harry Kessler, Annette Kolb, Mechtilde Lichnowsky, Thomas Mann, André Maurois, Carl Rössler, Arthur Schnitzler, Bernard Shaw, Siegfried Trebitsch und Carl Zuckmayer.

Die im Herbst 1936 erstmals zur Gänze in Österreich hergestellte Verlagsproduktion umfasste zehn Bücher und griff teilweise auf die genannten Schriftsteller zurück. So erschienen etwa "Joseph in Ägypten" von Thomas Mann und "Salwàre oder Die Magdalena von Bozen" von Carl Zuckmayer. Weitere Titel waren Hermann Hesses "Stunden im Garten" oder "Die gelbe Mauer" von Hans von Hammerstein. Außerdem veröffentlichten Mechtilde Lichnowsky, Johannes Vilhelm Jensens, Ralph Roeder, Jean Giraudoux und Julien Green im ersten Herbstprogramm des Bermann-Fischer Verlags.

Insgesamt 14 Werke kamen im Rahmen der Frühjahrsproduktion 1937 heraus. Diese stammten einerseits von bereits länger dem Verlag angehörenden Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Andererseits verlegte Berman-Fischer auch jüngere Autoren, die zu einem größeren Teil Österreicher waren. Als ausgewählte Werke aus dem Frühjahrsprogramm seien Arthur Schnitzlers "Abenteurernovelle", Carl Zuckmayers "Gedichte" und Walther Schneiders "Schopenhauer"-Biografie genannt. Weiters erschienen Titel von Rudolf Borchardt, Jean Giono, Moritz Heimann, Annette Kolb, Franz Körmendi, Vincent Sheean und Julius Vogel.

Zu den Neuerscheinungen des Herbstes – 1937 wurden insgesamt 29 Titel publiziert – zählte auch das Jahrbuch des Verlags "Die Rappen" mit Textauszügen von Thomas Mann, Robert Musil oder Hugo von Hoffmansthal. Als besonders erfolgreich erwies sich auch Eve Curies Biografie "Madame Curie". Wichtige Werke waren außerdem "Der Zauberberg" von Thomas Mann, Vincent van Goghs "Briefe an den Maler van Rappard", Hugo von Hofmannsthals "Briefe 1900–1909" sowie "Der kranke Nietzsche" mit Briefen von Nietzsches Mutter an den deutschen Kirchenhistoriker Franz Overbeck. Außerdem erschienen Bücher von E. P. O’Donnell, Jean Giono, Hans von Hammerstein, Frank Körmendi, Valentin Richter und Siegfried Trebitsch.

Von Anfang an brachte zudem die Schriftenreihe "Ausblicke" in unregelmäßigen Abständen Aufsätze zur, so Bermann-Fischer, "geistigen Situation" der Zeit. In dieser Reihe erschienen Thomas Manns "Freud und die Zukunft" – dieser Titel war bereits in der Frühjahrsproduktion 1937 erschienen –, Paul Valérys "Die Politik des Geistes!" und Robert Musils "Über die Dummheit". Auch Hans von Hammersteins "Wiedergeburt der Menschlichkeit", Johannes Hollnsteiners "Christentum und Abendland", Paul Claudels "Vom Wesen der holländischen Malerei" und Nikolai Berdiaeffs "Die menschliche Persönlichkeit und die überpersönlichen Werte" kamen in der Reihe heraus.

Bermann-Fischer hatte zudem vom Rowohlt Verlag die Autorenrechte und sämtliche Werke von Robert Musil übernommen. Dazu gehörten auch die ersten beiden Bände vom "Mann ohne Eigenschaften". Ein dritter Band wurde kurz vor dem "Anschluss" am 15. Februar 1938 angekündigt, konnte nach der Flucht Bermann-Fischers im März aber nicht mehr erscheinen.


Literatur