Cesare Battisti
Cesare Battisti, * 4. Februar 1875 Trient, † 12. Juli 1916 Trient. Geologe, Journalist, Offizier, Politiker
Biografie
Cesare Battisti studierte in Wien und Florenz Geographie. Einschlägigen Verbindungen in beiden genannten Studienstädten verdankte er seine sozialistische Sozialisation, die ihn nicht nur beim Aufbau einer sozialistischen Partei im Trentino mitwirken ließ, sondern auch die Grundlage seiner Tätigkeit als Herausgeber einer Zeitung und als Journalist war. 1911 wurde Battisti Abgeordneter des Reichsrats, im Jahr des Kriegsausbruchs erhielt er zudem ein Mandat im Tiroler Landtag. Die von Battisti bereits zu Friedenszeiten vertretenen Positionen waren im Kaiserreich nicht mehrheitsfähig: Er trat für eine entschieden größere Autonomie der italienischsprachigen Gebiete ein, nach Kriegsausbruch wollte er in einer Art Vorgriff der späteren These von der Selbstbestimmung der Völker (Woodrow Wilson) die großteils von Italienern bewohnten Gebiete mit Italien vereint sehen. Immer wieder auftauchende Gerüchte, schon Battisti hätte den Anschluss Südtirols an Italien gefordert, entsprechen nicht den Tatsachen. Er verließ Österreich – darauf verweist der Zeithistoriker Hans Hautmann – am 12. August 1914 mit einem von den Behörden ausgestellten Reisepass mit Ziel Italien. Da er weder stellungspflichtig gewesen sei noch eine Einberufung erhalten hatte, sei Battisti vom Vorwurf der Desertion – so Hautmann, ein ausgewiesener Experte in Frage der Militärgerichtsbarkeit – freizusprechen. Schließlich war das Zielland zum Zeitpunkt der Ausreise noch keine Feindnation. Eine Anzeige wegen Hochverrats sei am 6. Oktober 1914 erfolgt, weil die offen irredentistischen Vorträge und Schriften Battistis nun auch in Österreich-Ungarn Aufmerksamkeit erregt hatten. Doch Hautmann sorgt in seinem 2014 erschienenen Aufsatz vor allem mit einer These für Verblüffung, glaubt er doch, dass Battisti rechtzeitig vor Kriegsausbruch – gemeint ist der Kriegseintritt Italiens auf Seiten der Ententemächte Frankreich und Großbritannien am 23. Mai 1915 – italienischer Staatsbürger geworden sei. Dies würde ihn nicht nur vom Vorwurf der Desertion, sondern auch von jenem des Hochverrats freisprechen.
Noch Ende Mai 1915 meldete sich Cesare Battisti freiwillig, kämpfte zunächst als einfacher Alpini, um schließlich, mit zahlreichen Auszeichnungen dekoriert, schon im Dezember 1915 zum Leutnant zu avancieren. Am 10. Juli 1916 fiel er nach einem missglückten Sturmangriff seiner Einheit auf den Monte Corno österreichischen Kaiserjägern in die Hände, die schnell realisierten, wer ihnen da ins Netz gegangen war. Mit Battisti wurde buchstäblich kurzer Prozess gemacht. Die Verhandlung begann am 12. Juli, dauerte von 9 bis 11 Uhr, um 16.30 Uhr wurde das Urteil verkündet, um 19.14 Uhr vollstreckt. Dies im Übrigen vor zahlreichen Zaungästen, die den Scharfrichter Josef Lang in Ausübung seines Amtes fotografisch festhielten, worauf auch der Fotohistoriker Anton Holzer in seinem Band "Das Lächeln der Henker" hinweist. Karl Kraus beschrieb die Vollstreckung des Urteils und die Minuten, die danach verstrichen, als menschlichen Offenbarungseid: "Ich aber möchte speziell einen Preis aussetzen auf die Agnoszierung des gräßlichen Klotzes von einem k. u. k. Oberleutnant, der sich direkt vor einen hängenden Leichnam gestellt und seine aussichtslose Visage dem Photographen dargeboten hat." Battisti ließ man noch stundenlang als Schaustück am Galgen hängen und verscharrte ihn anschließend auf dem Hof des Castello del Buonconsiglio. In Franz Tumlers Roman "Aufschreibung aus Trient" (1965), in dem Battisti zur literarischen Figur mutiert, werden dem Ich-Erzähler in besagtem Castell "als ein italienisches Nationalheiligtum die Zellen gezeigt", in denen neben anderen Patrioten auch Battisti auf die Hinrichtung wartete, sogar der "Graben der Märtyrer", wo er zu Tode kam, ist Teil der Führung.
Diese belletristische Verarbeitung des Falles Cesare Battisti zeigt, dass die rücksichtslose propagandistische Ausschlachtung von dessen Hinrichtung die Österreicher nach Ende des Krieges einholte – als Beleg für ein bis heute beschämendes Kriegsverbrechen. In Italien wurde Battisti hingegen zum Volkshelden stilisiert und sogar – trotz dessen sozialistischer Überzeugung – von den Faschisten vereinnahmt (etwa beim sogenannten Siegesdenkmal in Bozen). Der Berg, an dem er gefangengenommen wurde, wird heute Monte Corno Battisti genannt.
Literatur
- Marcel Atze: Rudolf Ehrlich dokumentiert den letzten Weg von Cesare Battisti. In: "Es ist Frühling, und ich lebe noch." Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs in Infinitiven. Von Aufzeichnen bis Zensieren. Hg. von Marcel Atze und Kyra Waldner. St. Pölten, Salzburg, Wien: Residenz 2014, S. 86–89.
- Klaus Gatterer: Unter seinem Galgen stand Österreich. Cesare Battisti – Porträt eines "Hochverräters". Um die Varianten und Ergänzungen der italienischen Ausgabe erweiterte Neuauflage. Mit einer Einleitung von Peter Huemer. Wien, Bozen: Folio 1997 (= Transfer Europa XI) [zuerst 1967]
- Hans Hautmann: Militärprozesse gegen Abgeordnete des österreichischen Parlaments im Ersten Weltkrieg. In: Mitteilungen der Alfred-Klahr-Gesellschaft (2014), H. 2, S. 1–11 (bes. S. 7–9)
- Anton Holzer: Austrian Brutalities. Karl Kraus als Historiker. In: Ders.: Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914–1918. Darmstadt: Primus 2008, S. 24–35.
- Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten. Mit Vorspiel und Epilog. Wien, Leipzig: Verlag „Die Fackel“ 1922.
- Franz Tumler: Aufschreibung aus Trient. Roman. Innsbruck, Wien: Haymon 2012 [zuerst 1965]