Hauspersonal. In der vorindustriellen Zeit war das Sozialgebilde Haus ein Grundelement des Gesellschaftsaufbaus; unabhängig von der gesellschaftlichen Rangordnung des Hausherrn befanden sich die in der Hausgemeinschaft lebenden Personen (Familie, Gesinde) in einer graduell unterschiedlichen Abhängigkeit von diesem. Seit dem ausgehenden Mittelalter bahnte sich schrittweise ein Emanzipationsprozess an, der zu einer Abschichtung des Gesindes vom Haus des Dienstgebers führte. Bis ins 18. Jahrhundert waren die dem Hauspersonal zugewiesenen Aufgaben nicht streng abgegrenzt; man stellte an das Hauspersonal weit größere Anforderungen als in späterer Zeit. Unterbringung und persönliche Dienstleistungen sind nicht die alleinigen Charakteristika des häuslichen Dienstes; auch im Handwerk waren die Übergänge zur hauswirtschaftlichen Tätigkeit fließend. Spezialisiertes Dienstpersonal mit einem einigermaßen genau umschriebenen hauswirtschaftlichen Aufgabenbereich ist am deutlichsten in der Stadt fassbar; dabei kam Wien als Residenz besondere Bedeutung zu.
Der enorme personelle Aufwand des Hofs, der im Barock seinen Höhepunkt erreichte, übertrug sich auf den Adel und sogar auf bestimmte Schichten des gehobenen Bürgertums. Nachdem Joseph II. durch die erste spezielle Stadtdienstbotenordnung (1. Dezember 1782 für Böhmen, Mähren und Schlesien) eine rechtliche Trennung zwischen Stadt- und Landgesinde vollzogen hatte, wurde die Ordnung mit Patent vom 27. März 1784 auf Wien ausgedehnt. Im ausgehenden 18. Jahrhundert gab es in Wien und in den Vorstädten schätzungsweise rund 40.000 Dienstboten, das sind rund 15% der Bevölkerung, ein Prozentsatz, der sich bis in den Vormärz konstant hielt; in der Stadt selbst betrug der Anteil des Hauspersonals an der Wohnbevölkerung in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts rund 45%. Franz I. nahm verschiedene josephinische Freiheiten zurück, weil die Verfechter patriarchalischer Ordnungsprinzipien in ihnen Zuchtlosigkeit sowie Mangel an Treue, Fleiß und Gehorsam erblickten, und suchte dem angeblichen Sittenverfall des Gesindes mit legislativen Maßnahmen zu begegnen; die Wiener Gesindeordnung vom 1. Mai 1810 (von Änderungen aufgrund des Strafgesetzes von 1852 und der Neuorganisation der Polizeibehörden abgesehen) bestimmte bis vor den Ersten Weltkrieg die Rechtslage des Hauspersonals.
Gleichzeitig suchte man den Dienstbotenmangel durch die Zentralisierung der Arbeitsvermittlung zu mildern. Die Arbeits- und Lohnverhältnisse waren vielfach äußerst schlecht, die soziale Absicherung bestand lediglich in einigen wenigen privaten karitativen Einrichtungen (beispielsweise stiftete Laurenz Hieß [1736-1819] ein Armenversorgungshaus für weibliche Dienstboten, 3, Rochusgasse 8). Da durch die Eingemeindungen insbesondere der Vororte (1890/1892) die minderbemittelten Bevölkerungsschichten, die in den industrialisierten Orten außerhalb des Linienwalls wohnten, stark zunahmen, verschob sich der Anteil des Hauspersonals an der Gesamtbevölkerung; trotz der absoluten Steigerung kam es zu einem prozentuellen Absinken des Anteils an der Gesamtbevölkerung (1880: 91.752, 13%; 1890: 107.571, 6,7%; 1900: 101.866, 5,8%; 1910: 101.364, 5%). Die Reduktion des häuslichen Gesindes vollzog sich im wesentlichen in den letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts; in der westlichen Reichshälfte der Monarchie sank sie von 817.895 Dienstboten (1869; 4% der Gesamtbevölkerung) auf 444.760 (1890; 1,9%) ab, doch ist in Wien infolge des größeren Reichtums und des Statuszwangs zur Führung repräsentativer Haushalte eine zeitliche Verzögerung zu erkennen.
Gleichzeitig entwickelte sich der häusliche Dienst zu einem fast reinen Frauenberuf (1869 13:87%, 1890 6:94%, 1900 3:97%). Bis ins 19. Jahrhundert waren die Aufgaben des Hauspersonals keineswegs differenziert; nur Oberschichthaushalte konnten die verschiedenen Pflichten auf spezialisiertes Personal verteilen und dieses durch zusätzliche Hilfskräfte (Bedienerinnen, Wäscherinnen usw.) entlasten. In den bürgerlichen Mittelstandshaushalten, in denen sich die Hausfrau zunehmend aus der unmittelbaren Haushaltsführung zurückzuziehen begann, war hingegen das „Mädchen für alles" vorherrschend, das den niedrigsten Lohn erhielt (in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwa 7 Gulden monatlich im Gegensatz etwa zu Köchinnen oder Stubenmädchen, die 12-15 Gulden erhielten).
Die „Dienstbotenfrage" (Hausgehilfin) des 19. Jahrhunderts wurde damit immer mehr zu einem wesentlichen Anliegen der Frauenbewegung; die Presse (insbesondere die sozialdemokratische „Arbeiterinnen-Zeitung") widmete den Missständen breiten Raum. Die schlechten Arbeitsbedingungen des Hauspersonals (lange Arbeitszeit, seltener Ausgang, geringe Entlohnung, schwere Arbeit) blieben lange Zeit in der Sphäre des Hauses verborgen; das religiös fundierte pädagogische Schrifttum des 19. Jahrhunderts ging vom patriarchalischen Denkschema nicht ab, die Interpretation der Arbeit als Gottesdienst ermöglichte die Durchsetzung einer unbeschränkten Arbeitsverpflichtung.
Besondere Probleme entstanden im Krankheitsfall (oftmals wurden Dienstboten wegen nicht voller Arbeitsfähigkeit oder während eines Spitalsaufenthalts gekündigt), infolge eingetretener Schwangerschaft oder wegen höheren Alters; die seit 1865 bestehende Wiener Dienstbotenkrankenkasse brachte keine Abhilfe. Ende des 19. Jahrhunderts betrug der Anteil der Dienstboten in den Wiener städtischen Versorgungshäusern rund 14% (bei einem Anteil dieser Berufsgruppe an der Gesamtbevölkerung von nur 6,7%). Die Bemühungen privater Vereinigungen und politischer Interessenvertretungen, das Hauspersonal in das System der staatlichen Sozialversicherung einzugliedern, konnte nicht realisiert werden; lediglich kirchliche, private und städtische Versorgungskassen und Unterstützungsvereine boten Hilfestellung.
Als am 28. Oktober 1911 eine neue Dienstordnung für das Hauspersonal beschlossen wurde, trug sie dem Wandel von persönlichkeitsbezogenen Bindungen zu damals nur mehr meist kurzfristiger Lohnarbeit lediglich ungenügend Rechnung; wohl wurde das Züchtigungsrecht aufgehoben, doch blieben bestimmte polizeiliche Befugnisse bestehen. Erst nach dem Zusammenbruch der Monarchie wurde mit dem Hausgehilfengesetz vom 26. Februar 1920 und der Novelle vom 26. März 1926 ein modernes einheitliches Arbeitsrecht für hauswirtschaftliche Arbeiter(innen) geschaffen. Zudem wurde aufgrund der sozialdemokratischen Gesetzgebung eine Besteuerung für Hauspersonal beschlossen (Hauspersonalabgabe).
1921 erfolgte die Einbeziehung des Hauspersonals in den Kreis krankenversicherungspflichtiger Personen, 1927 wurde die Altersversorgung durch die allgemeine Einführung von Altersfürsorgerenten geregelt. Die Zahl der Hausgehilfen in Wien betrug Anfang 1929 15.176, Ende 1931 (infolge der Wirtschaftskrise) nur noch 12.054.
Siehe auch: Frauenarbeit, Hausgehilfin, Hauspersonalabgabe
Literatur
- Hans Hülber: Arbeitsnachweise, Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktgeschehen in Österreich in vorindustrieller Zeit unter besonderer Berücksichtigung Wiens. In: Wiener Geschichtsblätter 30 (1975), Sonderheft 1
- Adelheid Popp: Haussklavinnen. Ein Beitrag zur Lage der Dienstmädchen. Wien: Brand 1912
- Hannes Stekl: Hausrechtliche Abhängigkeit in der industriellen Gesellschaft. In: Wiener Geschichtsblätter 30 (1975), Sonderheft 1, S. 301 ff.
- Über den gegenwärtigen Zustand des Dienstbotenwesens in Wien und die Mittel zur Verbesserung desselben. In: Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat 1 (1808), Nr. 15-17, S. 119-146
- Fritz Winter: Dienstbotenordnungen. In: Der Kampf. Sozialdemokratische Monatsschrift 4 (1910/1911), S. 305 ff.