Elisabeth Scheiderbauer
Elisabeth Scheiderbauer, * 1936 Wien, Tänzerin, Filmproduzentin, Zeitzeugin.
Biografie
Elisabeth Scheiderbauer, geborene Pollak, wuchs mit ihren Eltern und ihrer um sieben Jahre älteren Schwester Helga in der Margaretenstraße im 5. Bezirk auf. Ihr aus Brünn gebürtiger Vater, Paul Pollak, stammte aus einer jüdischen Familie. Er hatte im Ersten Weltkrieg gekämpft und in Wien Medizin studiert, wo er danach als Lungenfacharzt und Amtsarzt tätig war. Die Mutter, Hertha Pollak, geborene Pronay, war eine Offizierstochter aus einer angesehenen Familie. Sie stammte aus einer konfessionell gemischten Ehe mit einem christlichen Vater und einer jüdischen Mutter, was sie nach jüdischen Gesetzen zur Jüdin machte. Sie wurde allerdings als Kind evangelisch getauft und bekannte sich 1931 im Rahmen einer Konversion offiziell zum Judentum.
Paul Pollak kam im Oktober 1938 in GESTAPO-Haft und wurde in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Von dort kam er im Juni 1939 frei und flüchtete nach Genua, von wo aus er ein Schiff nach Shanghai besteigen wollte. Doch die Flucht scheiterte, er wurde in Italien interniert und im April 1944 nach Auschwitz deportiert. Er erlebte die Befreiung Auschwitz' und kehrte im April 1945 nach Wien zurück. Seine Ehefrau und die beiden Kinder blieben zunächst in Wien. Zwar setzte sich Hertha Pollaks Vater bei SS- und Polizeiführer Ernst Kaltenbrunner persönlich für seine Tochter und die Enkelinnen ein, dennoch war die Familie Repressalien ausgesetzt. Die ältere Schwester Helga konnte bald nicht mehr zur Schule gehen und mehrfach mussten die drei umziehen, da sie einer neuen Sammelwohnung zugewiesen wurden. Eine geplante Flucht nach Shanghai konnte nicht realisiert werden.
Wenige Tage nach ihrem 14. Geburtstag erhielt Helga Pollak den Befehl, sich in einem Sammellager für die bevorstehende Deportation einzufinden. Da Hertha Pollak ihre ältere Tochter nicht alleine ins Ungewisse schicken wollte, meldete sie auch sich selbst und die sechsjährige Elisabeth für die Deportation an. Die Familie wurde am 1. April 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Die nunmehr siebenjährige Elisabeth war viel sich selbst überlassen, zeitweise auch im sogenannten Kinderheim untergebracht, während Mutter und Schwester Arbeitsdienst leisten musste. Hunger und Krankheiten waren allgegenwärtig.
Nach der Befreiung Theresienstadts kehrten alle drei im Juni 1945 nach Wien zurück, wo es zu einem Wiedersehen mit dem Vater kam. Die nunmehr neunjährige Elisabeth wurde in die 3. Klasse Volksschule eingeschult, obwohl sie bis dahin noch nie Schulunterricht erhalten hatte. Mit 14 Jahren brach sie die Schule ab und absolvierte eine Tanzausbildung. Anschließend hatte sie als professionelle Tänzerin Engagements am Landestheater Salzburg und der Volksoper Wien. Später verließ sie die Bühne, bildete sich zur Buchhalterin und Lohnverrechnerin aus und war als Lohnverrechnerin im Burgtheater beschäftigt. Nach der Eheschließung mit dem Filmproduzenten Heinz Scheiderbauer (1923–2020) trat sie in die Firma ihres Mannes ein und führte diese nach seiner Pensionierung rund 15 Jahre lang. Zu den erfolgreichsten Produktionen des Unternehmens zählen etwa der Kultfilm "Muttertag" oder das wöchentlich ausgestrahlte Fernsehmagazin "Hello Austria – Hello Vienna".
Seit den 1990er Jahren engagiert sich Elisabeth Scheiderbauer – ebenso wie ihre Schwester Helga Feldner-Busztin – als Zeitzeugin in Schulen. Auf der Plattform erinnern.at sind Interviews und Lernmaterialien dazu abrufbar. Anna Goldenberg, eine Enkelin von Helga Feldner-Busztin, hat in dem Buch "Versteckte Jahre" (2018) die Geschichte ihrer Familie aufgezeichnet. Die Erinnerungen der Schwestern Helga und Elisabeth bilden auch die Grundlage für den Dokumentarfilm "Kreis der Wahrheit", der im November 2023 Premiere feierte.
Quellen
Literatur
- Christine Meffert: NS-Zeitzeugen: "Ich weiß nicht, ob der Papa Fotos von uns hatte." "Ich bitt dich, in Auschwitz?". In: Zeit-Magazin, Nummer 22 (2023), 24.05.2023 [Stand: 22.02.2024]
- Interview mit Elisabeth Scheiderbauer auf der Plattform weitererzählen.at, 2019 [Stand: 22.02.2024]
- Alexandra Föderl-Schmid: "Das ist schon ein Wunder". In: Welt der Frauen, 05/2019 [Stand: 22.02.2024]
- Anna Goldenberg: Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete. Wien: Zsolnay 2018
- Erinnern.at: Kurzbiografien der ZeitzeugInnen: Elisabeth Scheiderbauer [Stand: 22.02.2024]
- Website des Dokumentarfilms "Kreis der Wahrheit" [Stand: 22.02.2024]