Erwin Stransky
Erwin Stransky, * 3. Juli 1877 Wien, † 26. Jänner 1962 Wien, Psychiater, Neurologe.
Biografie
Nach Studium an der Universität Wien (Dr. med. uni. 1900) trat Stransky in die damalige erste Psychiatrische Universitäts- Klinik im Allgemeinen Krankenhaus unter Julius Wagner von Jauregg ein. 1908 wurde er für Neurologie und Psychiatrie habilitiert. Weitere neurologische Ausbildung erhielt er bei Heinrich Obersteiner und Lothar von Hochwart Frankl (erste Medizinische Universitäts-Klinik, Neurologische Ambulanz).
Ab 1906 war Stransky psychiatrischer Sachverständiger beim Handelsgericht in Wien und ab 1915 in dieser Funktion auch für die Wiener Militärgerichte zuständig. 1911 wurde er zum Neurologen des Verbands der Wiener Genossenschaftskrankenkassen bestellt. 1915 wurde er titular ao. Professor.
Im Juli 1938 musste er aus politischen Gründen seine Lehrtätigkeit an der Universität Wien zurücklegen, wurde allerdings 1945 wiedereingesetzt. 1946 wurde er Titular o. Professor, 1947 Honorar-Professor.
Von Mai 1945 an war Stransky mit dem Wiederaufbau und der Leitung der Wiener Städtischen Nervenheilanstalt Rosenhügel (heute Neurologisches Krankenhaus der Stadt Wien) betraut (bis 1951).
Rund 300 wissenschaftliche Publikationen, darunter Krankheitsbild der Schizophrenie, für die Stransky als pathogenes Moment die sogenannte „intrapsychische Ataxie" postuliert (deutlich unterschieden von der psychoanalytischen Richtung Sigmund Freuds). Weiters wichtige Untersuchungen des manisch-depressiven Formenkreises. Neurologischen Arbeitsschwerpunkt Stranskys bildete unter anderem die multiple Sklerose. Gemeinsam mit Otto Kauders gründete Stransky die Österreichische Gesellschaft für Psychohygiene; war auch Begründer des Vereins für angewandte Psychopathologie und Psychologie (1920) und Ehrenmitglied der American Psychiatrie Association.
Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen.
Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe hatte Erwin Stransky eine deutsch-nationale Einstellung. Ungeachtet seiner jüdischen Herkunft und der Verfolgung in der NS-Zeit, im Zuge dessen er seine Lehrerlaubnis zurücklegen musste, sympathisierte er mit dem Nationalsozialismus. Ideologische Berührungspunkte waren bereits in seinen Schriften von 1919 („Großdeutschland und die Ärzteschaft“, „Der Deutschenhaß. Eine Studie“) gegeben, die unter anderem von seiner anti-slawischen und großdeutschen Haltung mittels rassistisch-biologistischer Fundierung zeugen. Während des Krieges distanzierte sich Stransky jedoch zunehmend von Hitler.
Stransky wurde am Zentralfriedhof begraben. Die Grabwidmung erfolgte ehrenhalber unter Inobhutnahme gemäß Bürgermeister-Entschluss vom 10. Juni 1983.
Literatur
- Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 286
- Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 56–58
- Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013
- Judith Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die Medizin Fakultät der Universität Wien 1938. Biographie entlassener Professor und Dozenten. Diss. Univ. Wien. Wien 1980, S. 261 ff.
- Österreichische Ärztezeitung. Organ der Österreichischen Ärztekammer. Wien: Verlagshaus der Ärzte 32 (1977), S. 874
- Die feierliche Inauguration des Rektors der Wiener Universität für das Studienjahr 1962/1963. Wien: Selbstverlag der Universität, S. 213 f.
- Medizinischer Circle Bulletin 9 (1962), Heft 6, S. 93
- Erich Menninger-Lerchenthal: Die Bedeutung Stranskys als psychiatrischer Sachverständiger. In: Wiener Zeitschrift für Nervenheilkunde und deren Grenzgebiete 20 (1962), S.14 ff.
- Herbert Reisner: Erwin Stransky als Mensch und Psychiater. In: Wiener Zeitschrift für Nervenheilkunde und deren Grenzgebiete 20 (1962), Heft 1-3
- Hans Hoff: In memoriam Universität-Professor Dr. Erwin Stransky. In: Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Springer 112 (1962), S. 181 f.
- Verzeichnis der wissenschaftlichen Arbeiten. In: Wiener Zeitschrift für Nervenheilkunde und deren Grenzgebiete 20 (1962), Heft 1-3, 17 ff.
- Fischer: Eriwn Stransky. Ein Rückblick über 60 Jahre neurologische-psychiatrische Tätigkeit. In: Geriatrie und Praxis. Vorträge des fünften Österreichischen Fortbildungskurses für Geriatrie. Hg. von Wolfgang Doberauer. Wien: Selbstverlag 1960, S. 235 ff.
- Österreichische Ärztezeitung. Organ der Österreichischen Ärztekammer. Wien: Verlagshaus der Ärzte 12 (1957), S. 529 f.
- Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Springer 107 (1957), S. 832
- Wiener medizinische Wochenschrift. Wien: Springer 98 (1948), S. 309
Erwin Stransky im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.