Gaurechtsamt der NSDAP
48° 12' 28.83" N, 16° 21' 33.00" E zur Karte im Wien Kulturgut
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Das Gaurechtsamt war Teil der Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Gau Wien. Sein Sitz war 1938 in Wien 1, Am Hof 4, später in 1., Josef-Bürckel-Ring (Dr.-Karl-Renner-Ring) 3, dem Parlamentsgebäude ("Gauhaus"). Der Leiter des Gaurechtsamtes unterstand direkt dem Gauleiter, in sachlicher Beziehung war es dem Reichsrechtsamt unterstellt.[1] Das Handbuch des Reichsgaues Wien von 1941 weist Dr. Hans Mann als Leiter aus, nach dessen Einrücken an die Front folgte Gauhauptstellenleiter Viktor Sauer nach.
Der Aufgabenbereich des Gaurechtsamtes umfasste die Wahrung der Rechtsbelange der NSDAP im Gau Wien, die Rechtsbetreuung von Parteimitgliedern sowie die Betreuung der dem Gaurechtsamt untergeordneten Kreisrechtsämter. Darüber hinaus betreute es den der NSDAP angeschlossenen Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund. [2]
Geschäftseinteilung und Aufgabenbereich
Das Gaurechtsamt war 1941 in 6 Hauptstellen, sowie Unter- und Nebenstellen, unterteilt[3]:
- I. Hauptstelle, Geschäftsstelle, Leitung: Viktor Sauer
- Dienstaufsicht und Organisation, Leitung: Viktor Sauer
- II. Hauptstelle für Rechtsverwaltung, Leitung: Dr. Ludwig Mattausch
- III. Hauptstelle für Rechtspolitik, Leitung: Dr. Walter Richter
- Sonderrechtsgebiete, Leitung: Dr. Hans Liedermann
- IV. Hauptstelle für Rechtsbetreuung, Leitung: Dr. Rüdiger Morawetz
- V. Hauptstelle für Rechtsschulung und Rechtsaufklärung, Leitung: Dr. Egon Höller
- Rechtsaufklärung, Leitung: Dr. Otto Zell
- VI. Hauptstelle für Rechtswahrer, Leitung: Dr. Ludwig Hauer
- Stelle Rechtsschrifttum, Leitung: Dr. Heinrich Itzinger
Die einzelnen Stellen hatten unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen:
Rechtsverwaltung
Die Rechtsverwaltung betrifft alle sich aus dem Parteienverkehr mit Dritten entstehenden Rechtsfragen. Das Amt berät jedes Mitglied der NSDAP, sofern der Sachverhalt für die Partei wichtig war. Hierzu gehört die Vertretung bei Prozessen, aber auch die Prüfung von Verträgen und die Beratung anderer Parteidienststellen.
Rechtspolitik
Ziel der Rechtspolitik war die Neugestaltung des deutschen Rechts nach nationalsozialistischen Grundsätzen. Gemäß der Ideologie, dass das deutsche Recht ein Volksrecht sein müsse, sollten die Gaurechtsämter in engen Kontakt mit der Bevölkerung stehen, um möglichst volksnahe Gesetze zu ermöglichen. Die Tätigkeitsgebiete umfassen ein breites juristisches Feld, vom Vertragsrecht über Ehescheidungsrecht bis hin zum Strafrecht.
Rechtsbetreuung
Für Mittellose (wobei die Bedürftigkeit glaubhaft gemacht werden musste) stellte das Gaurechtsamt auch eine Rechtsberatung. Diese umfasste Rechtsauskünfte, aber auch die Ausfertigung von Schriftsätzen, Urkunden, Eingaben und Anträgen sowie die ehrenamtliche Vertretung vor Gericht, allerdings nicht bei Straf- und Privatklagesachen.
Rechtsschulung und Rechtsaufklärung
Aufgabe war die weltanschauliche Schulung aller deutschen Rechtswahrer im Sinne der NS-Ideologie. Dies wurde insofern als notwendig erachtet, als der Stand der Rechtswahrer als besonders unempfänglich gegenüber dem Nationalsozialismus galt. Durch Gruppenschulungen sollte der Rassengedanke gefestigt und der Gemeinschaftssinn gestärkt werden.
Rechtsschrifttum
Die Stelle für Rechtsschrifttum sollte sich mit der wissenschaftlichen Bearbeitung des Rechtsschrifttums vom nationalsozialistischen Standpunkt aus beschäftigen. Hierzu gehörte die Führung einer Bibliothek, die Vorbereitung von Publikationen und das Sammeln von parteiwichtigen gerichtlichen Entscheidungen.
Der Archivbestand Gaurechtsamt im Wiener Stadt- und Landesarchiv
Das Stadt- und Landesarchiv verwahrt Akten des Gaurechtsamtes. Dabei handelt es sich um Anträge "arischer" Rechtsanwälte auf Vertretung von Jüdinnen und Juden. Infolge der Nürnberger Rassegesetzte konnten Juden nicht mehr als Rechtsanwälte zugelassen werden, die Vertretung von Juden in Rechtssachen erfolgte durch sogenannte jüdische Konsulaten. Die Vertretung durch einen "arischen", bzw. deutschen Rechtsanwalt war nur in Fällen von Interesse für das Deutsche Reich und mit Genehmigung durch das Gaurechtsamt möglich.[4]
Quellen
Wiener Stadt- und Landesarchiv, Gaurechtsamt
Weblinks
- Wienbibliothek Digital: Handbuch Reichsgau Wien. Band 63/64. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1941
- Wienbibliothek Digital: Handbuch Reichsgau Wien. Band 65/66. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1944
Literatur
Emmerich Tálos/Ernst Hanisch/Wolfgang Neugebauer/Reinhard Siedler [Hg.]: NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch. Wien: öbv & hpt, 2000
Einzelnachweise
- ↑ Organisationsbuch der NSDAP. Deutschland: Zentralverlag der NSDAP, F. Eher Nachf. 1937, S. 317.
- ↑ Organisationsbuch der NSDAP. Deutschland: Zentralverlag der NSDAP, F. Eher Nachf. 1937, S. 319 f.
- ↑ Handbuch Reichsgau Wien. Band 63/64. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1941, S. 12.
- ↑ Fünfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 27.09.1938, Reichsgesetzblatt I (1934), S. 1403 ff.