Geodaten
Während in analoger Zeit die gezeichnete oder gedruckte Karte auf einem Trägermaterial das Endprodukt eines kartographischen Prozesses darstellte, übernimmt diese Funktion in der digitalen Kartographie das Geoinformationssystem (GIS) und die darin eingebetteten Geodaten. Während bis in die 1980er Jahre die meisten stadtplanerischen Entscheidungen anhand von analogen Plänen erfolgten, finden sich heute in vielen Fällen keine gedruckten Pläne mehr – die Entscheidungen werden nach räumlichen Analysen direkt anhand einer, über ein GIS erzeugten, digitalen Karte getroffen.
Besonderheiten von Geodaten
Geodaten unterscheiden sich von herkömmlichen Daten vor allem durch ihren geographischen Raumbezug. Typische Eigenschaften von Geodaten sind neben dem Raumbezug, die Zuordnung zu einem räumlichen Bezugssystem (Koordinatennetz), die Topologie und die Dimensionalität, sowie die kartographische Gestaltung.
- Raumbezug: Geodaten bilden konkrete wie diskrete Objekte, der geographischen wie sozialen Umwelt der Erdoberfläche ab und symbolisieren diese in generalisierter Form.
- räumliches Bezugssystem: Daten mit einem Raumbezug müssen zur geographischen Lagepositionierung in ein Koordinatensystem eingeordnet werden (= Georeferenzierung). Man unterscheidet Weltkoordinaten und landesbezogene Koordinatennetze (Bundesmeldenetz in Österreich). Die Koordinaten von Geodaten müssen zur richtigen räumlichen Zuordnung mitgespeichert werden.
- Dimension: Geodaten können verschieden dimensioniert sein. Geographische Grundformen sind Punkt, Linie und Fläche. Über Höhenwerte sind Abbildungen in der dritten Dimension, und über Zeitbezug in der vierten Dimension (Zeitreihen) möglich.
- Topologie: Geographische Objekte besitzen neben ihrer geographischen Lage topologische Beziehungen zueinander. Hierzu dienen die topologischen Grundformen Knoten, Kante und Masche. In einfachen Systemen entsprechen den Punkten die Knoten, den Linien die Kanten und den Flächen die Maschen. Auf diese Weise können Netzwerkstrukturen abgebildet und analysiert werden.
- Kartographische Gestaltung: Die Geodaten existieren in ihrer Grundstruktur ohne Abbildung. Die Visualisierung, die durch einen Kartographen erfolgt, weist den Geodaten eine zusätzliche graphische Attributierung zu, die zur Darstellung der Geoobjekte in einer Karte notwendig ist.
Datenmodelle
Rastermodell
Rasterdaten werden etwa durch photogrammetrische Aufnahmen der Erdoberfläche (Luftbilder), oder durch Sensorabtastung (etwa durch Satelliten) gewonnen und entsprechen in ihrem Aufbau im Wesentlichen digitalen Fotografien. Abhängig von der Pixelgröße besitzen sie eine unterschiedliche Auflösung. Die Pixel einer Rastergrafik sind rasterförmig angeordnete Punkte, denen im Regelfall eine Farbe zugeordnet ist. Im Sinne der digitalen Signalverarbeitung ist ein Pixel ein diskreter Abtastwert; über andere Punkte als die Pixel lassen sich keine Aussagen treffen. Jedem Rasterpunkt können zudem, neben der Codierung von Farbinformationen (wie sie in digitalen Fotos üblich sind) weitere Attribute zugewiesen werden, wie etwa ein Höhenwert, oder qualitative Eigenschaften. Rasterdaten besitzen durch ihre Struktur keine topologischen Beziehungen zwischen den abgebildeten Objekten.
Als Datenformat von rasterbasierten Geodaten dient in den meisten Fällen das GeoTIFF. Die Besonderheit von GeoTIFF gegenüber dem normalen TIF-Format liegt darin, dass spezielle Daten über die Georeferenz zusätzlich zu den sichtbaren Rasterdaten in die Bilddatei eingebettet werden. Dazu zählen Koordinaten zur Georeferenzierung des Bildausschnitts sowie zur verwendeten Kartenprojektion: Die Datei enthält spezifische Angaben über das Koordinatenreferenzsystem. Neben dem GeoTIFF ist auch die Verwendung von herkömmlichen TIFFs möglich, hier ist es jedoch notwendig zusätzlich zum Bildfile eine Referenzdatei anzulegen, in der die räumliche Orientierung des Bilds festgehalten wird.
Vektormodell
Vektordaten basieren nicht auf einem Pixelraster sondern auf einer mathematischen Bildbeschreibung, die die Objekte, aus denen die Karte aufgebaut ist, exakt definiert. Geographische Objekte werden als Vektoren abgespeichert und können miteinander topologische Beziehungen eingehen. Alle Objekte werden als Punkte, Linien oder Flächen abgebildet, die mathematische Kurven symbolisieren. Die Speicherung erfolgt tabellarisch, indem neben den geographischen Lagemerkmalen die Topologie festgehalten wird, und zudem weitere Spalten inhaltliche Attribute beschreiben können. Über externe Style-Sheets kann die kartographische Gestaltung der Geodaten mitgespeichert und verknüpft werden. Im Unterschied zu Rasterdaten gibt es für Vektordaten kein etabliertes Format. Am stärksten vertreten ist, auf Grund der Marktführerschaft von ESRI das ShapeFile (.shp).
Speicherung von Geodaten
Die Speicherung sowohl von raster- wie vektorbasierten Geodaten erfolgt in Geodatenbanken. Geodatenbanksysteme erlauben die Speicherung, Modellierung und Anfrage räumlicher Daten. Geodatenbanken entsprechen in ihrer Struktur relationalen Datenbanken in der EDV. Über eine GIS-Oberfläche können Geodaten in Geodatenbanken gespeichert, manipuliert und wiederum zur Visualisierung und Bearbeitung eingelesen werden. Internetbasierte Geoinformationssysteme, wie etwa Google-Earth oder GoogleMaps, aber auch kommunale Rauminformationssysteme greifen ebenfalls auf die auf Servern liegenden Geodatenbanken zu.
Geodaten bei der Stadt Wien
Österreichischer Vorreiter bei der Implementierung der Computerkartographie in der öffentlichen Verwaltung war die Stadt Wien. Bereits ab 1972 setzte eine zaghafte Übernahme von digitalen Instrumenten in der Plan- und Kartenerzeugung ein, die sich anfangs vor allem in einzelnen Projekten etablierte und vielfach "nur" zur automatisierten Unterstützung bei der Produktion von Karten auf Papier gedacht war. Erstes Großprojekt war 1979 die Entwicklung des Räumlichen Bezugssystems Wien (RBW) das seither die Grundlage aller GIS-Anwendungen der Stadt darstellt. Ab der Mitte der 1980er fand ein sprunghafter Anstieg in der Nutzung von Computer- und Softwaresystemen bei den Planungsabteilungen der Stadt Wien statt. Meilensteine waren die Entwicklung der digitalen Mehrzweckstadtkarte (MZK) durch die MA 41 - Stadtvermessung ab 1984, die Digitalisierung der Katastermappe ab 1987 und schließlich der Aufbau eines magistratsabteilungsübergreifenden Geoinformationssystems (ViennaGIS) 1990. Das GIS, in dem Fachdaten aus unterschiedlichsten Quellen zusammengeführt werden, wurde zunehmend zum integrativen Bestandteil der IT der Stadt Wien. Die erste offen über das Internet zugängliche Version von ViennaGIS ging 1995 online. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Karten- und Planproduktion der Magistratsabteilungen fast gänzlich auf elektronisch umgestellt worden, die gedruckte Karte als Endprodukt war durch den online-Stadtplan abgelöst worden. Momentan sind allein in der online zugänglichen ViennaGIS Applikation über 300 Datensätze von so gut wie allen Magistratsabteilungen, Unternehmungen sowie von ausgelagerten Betrieben der Stadt Wien eingebunden. Daneben finden sich noch Geoinformationssysteme von Fachabteilungen und interne Anwendungen, die nicht über den online Stadtplan zugänglich sind, sowie unzählige Geodatensätze, die nicht publiziert in Test-Geodatenbanken vorliegen.
Weblinks
Luftbilder aus 2017, 1956 und 1938 im Geodatenviewer der Stadtvermessung Wien
Online Stadtplan der Stadt Wien
Literatur
Günther Hake, Dietmar Grünreich, Liqiu Meng, Kartographie. Visualisierung raum-zeitlicher Informationen. (Berlin, New York, 2003)
Erich Wilmersdorf, Computerunterstütze Kartographie in der Wiener Stadtverwaltung. In: Das ist die Stat Wien. Vom Albertinischen Plan zur Computerstadtkarte, ein halbes Jahrtausend Wiener Stadtkarte. (= Wiener Geschichtsblätter Beiheft 4/1995) S. 46-54
Wolfgang Jörg, ViennaGIS – aktuelle GIS-Entwicklungen bei der Stadt Wien. Eine Millionenstadt rüstet sich für die Anforderungen an raumbezogene Informationsvermittlung im 3. Jahrtausend. In: Aspekte der Kartographie im Wandel der Zeit. (= Wiener Schriften zur Geographie und Kartographie, Band 16, Wien 2004)