Konzertwesen. Das moderne Konzertwesen, dessen wesentlichstes Merkmal der Öffentlichkeitscharakter ist, entwickelte sich von England aus. Gegenüber dem abgegrenzten Zuhörerkreis musikalischer Darbietungen in Kirchen, bei Akademien, in adeligen Salons und Palais fand nunmehr die Aufführung vor einem nicht exklusiven, sondern gegen Eintrittsgeld zugelassenen Publikum statt. Jahrhundertelang war Musik, abgesehen vom Volkstum, fast ausschließlich an geistlichen und weltlichen Höfen zu finden. Neben Oratorien- und Opernaufführungen war Musik meist nur "dekoratives Element" bei diversen Tafelmusiken und Serenaden. Noch im 18. Jahrhundert war "das Konzert" als Typus der musikalischen Aufführungsform, ähnlich der Oper, beinahe ausschließlich Vorrecht des Adels. Der an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert einsetzende Wandel des Mäzenatentums (der Adel wurde in dieser Funktion immer mehr vom gebildeten, wohlhabenden Bürgertum abgelöst) brachte auch für das Wiener Konzertwesen eine strukturelle Änderung mit sich: die Schaffung neuer Konzertlokalitäten ersetzte allmählich die Musiksalons des Adels. Infolge des Fehlens eines eigenen Konzertsaals griff man in der Frühzeit dieser Kunstform auf adaptierte Räumlichkeiten zurück (Konzertsäle). Parallel mit dem Entstehen neuer Konzertsäle ist auch eine Aufwärtsentwicklung des Konzertwesens feststellbar. Lag dieses zunächst in den Händen begeisterter Dilettanten („Dilettantenkonzerte"), so brachte eigentlich erst das spätere 19. Jahrhundert (die Gründung der Philharmonischen Konzerte durch Otto Nicolai war 1842 ein diesbezüglicher Meilenstein) den Durchbruch zum modernen, sorgfältig vorbereiteten Konzertieren. Wichtige Impulse erhielt das Konzertwesen auch von den ersten großen Konzertinstitutionen Wiens, so vom 1771 gegründeten "Pensionsverein für Witwen und Waisen österreichischer Tonkünstler" (Tonkünstlersozietät, später "Haydn-Verein"), von den "Concerts spirituels", v. a. aber von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Diese Institutionen waren es gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester ( Philharmoniker) und der Hofburgkapelle, die das Konzertleben der Stadt entscheidend prägten. Die Schaffung eines zweiten Berufsorchesters um die Jahrhundertwende (Wiener Symphoniker) und der Bau eines zweiten Konzertgebäudes (Konzerthaus) schufen die Grundlage für das Funktionieren eines voll entwickelten Konzertwesens im 20. Jahrhundert.
Literatur
- Eduard Hanslick: Geschichte des Konzertwesens in Wien. Wien: Braumüller 1869
- Kurt Blaukopf: Musik im Wandel der Gesellschaft. Grundzüge der Musiksoziologie. München-Zürich 1982
- Otto Biba: Grundzüge des Konzertwesens in Wien zu Mozarts Zeiten. In: Mozart-Jahrnuch 1978/1979, S. 133 ff.
- Alice M. Hanson: Die zensurierte Muse. Musikleben im Wiener Biedermeier. Wien / Graz [u.a.]: Böhlau 1987
- Rudolf Flotzinger: Geschichte der Musik in Österreich. Graz / Wien [u.a.]: Styria 1988, S. 155 ff.
- Martha Handlos: Studien zum Wiener Konzertleben im Vormärz. Diss. Univ. Wien. Wien 1985
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 853 ff.