Johann Wilhelm Klein
Klein Johann Wilhelm, * 11. April 1765 Allerheim bei Nördlingen, Bayern, † 12. Mai 1848 Stadt 188 (1., Salzgries 12; Zentralfriedhof, Ehrengrab, Grab 0, Nr. 19, Grabdenkmal von Ferdinand Neuhofer), Pädagoge.
Klein studierte Jus, war ab 1788 in der Justiz tätig und ging 1799 nach Wien, wo er eine Anstellung bei der zur Neueinrichtung des Armenwesens begründeten Hofkommission bekam. Seine bereits 1792 erschienene Schrift „Über Armut, Abstellung des Bettelns und Versorgung der Armen" war Veranlassung, dass man ihn 1803 zum Armenbezirksdirektor der Josefstadt wählte. Diese Funktion übte er bis 1826 unentgeltlich aus. In seinem Wirkungskreis lernte Klein das traurigen Schicksal der Blinden unter den Armen unmittelbar kennen, besonders das der blinden Kinder, die ohne Schulerziehung aufwuchsen und geistlich und sittlich verwahrlosten. Da der Piarist Franz de Paula Gaheis 1802 mit dem von ihm ausgearbeiteten Entwurf zur Erziehung blinder Kinder nicht durchgedrungen war, griff Klein dessen Gedanken auf. Am 13. Mai 1804 begann er den neunjährigen blinden Knaben Jakob Braun aus Brück an der Leitha auf eigene Kosten in seinem Heim zu unterrichten und erzielte so beachtliche Erfolge, dass er seinen Schüler nicht nur am 6. August 1805 in einer Prüfung vor der Studienhofkommission für Wohltätigkeitsangelegenheiten präsentieren konnte, sondern auch aufgrund eines besonders positiven Kommissionsberichts von Franz I. den Auftrag erhielt, auf öffentliche Kosten acht arme blinde Kinder zu erziehen. Damit war die erste öffentliche Blindenanstalt Österreichs gegründet.
1825 schuf Klein in Zusammenarbeit mit Freunden eine Versorgungs- und Beschäftigungsanstalt für erwachsene Blinde, die den Spätererblindeten die Möglichkeit einer Erziehung nach seinen Grundsätzen bieten sollte, aber auch den aus der Anstalt hervorgegangenen Schülern Beschäftigungsmöglichkeiten für deren Zukunft auftun sollte. Für seinen Unterricht entwickelte er eine eigene Blindenschrift (Stacheltypen), bei welcher die Buchstaben durch gestochene Punkte ersetzt wurden und daher fühlbar waren. Kleins „Geschichte des Blinden-Unterrichts" ist erwiesenermaßen der erste Beitrag zur geschichtlichen Literatur dieses Fachgebiets. Ab 1808 entstanden unter seinem Einfluss und mit seiner Hilfe auch in anderen Städten (zu seinen Lebzeiten in Prag, Brunn, Linz, Preßburg, Freising, Schwäbisch-Gmünd und Hamburg) Blindenanstalten. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, trat Klein 1842 von der Leitung des kaiserlich-königlichen Blinden-Erziehungs-Instituts in Wien zurück.
Siehe Kleindenkmal (2), Kleingasse (3). Johann-Wilhelm-Klein-Haus, Blindeninstitut.
Literatur
- Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987
- Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd.
- Alexander Mell: Geschichte des kaiserlich-königlichen Blindenerziehungsinstituts in Wien 1804-1904. 1904
- Josef Ignaz Bauer: Johann Wilhelm Klein und die historische Grundlage der deutschen Blindenpädagogik. 1926
- Das Wiener Heimatbuch – Mariahilf. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft des Mariahilfer Heimatmuseums. Wien: Austria Press 1963, S. 176
- Hans Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Selbstverlag 1918, S. 145 ff., 152 ff.
- Das Josefstädter Heimatmuseum. Wien: Neuer Wiener Pressedienst 1959-1969, Heft 7, S. 7; Heft 12, S. 3 ff.
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906. Band 2, 1906, S. 260 f.
- Peter Csendes [Hg.]: Österreich 1790-1848. Kriege gegen Frankreich, Wiener Kongreß, Ära Metternich, Zeit des Biedermeier, Revolution von 1848. Das Tagebuch einer Epoche. Wien: Brandstätter 1987, S. 304
- Hans Markl: Kennst du die berühmten letzten Ruhestätten auf den Wiener Friedhöfen? Band 1: Zentralfriedhof und Krematorium (Urnenhain). Wien: Pechan 1961, S. 9