Josef Plečnik
Josef (Jože) Plečnik, * 23. Jänner 1872 Laibach, Krain (Ljubljana, Slowenien), † 7. Jänner 1957 Ljubljana (Jugoslawien, heute Slowenien), Architekt.
Biografie
Josef Plečnik kam als drittes Kind des Tischlers Andrej und seiner Frau Helene Plečnik in Laibach auf die Welt. Die Familie galt als sehr katholisch, ein Bruder des späteren Architekten war Geistlicher. Das tiefreligiöse Familienklima prägte Plečnik zeitlebens und wirkte sich auch auf sein künstlerisches und architektonisches Schaffen aus.
Nachdem er das Gymnasium abgebrochen hatte, arbeitete Josef Plečnik im Alter von 16 Jahren zunächst in der väterlichen Tischlerwerkstatt mit. Nebenher fertigte er zeichnerische Studien an, die er allerdings vor den Eltern geheimhalten musste, da der Vater keinen Künstler in der Familie duldete. Ein Stipendium ermöglichte Plečnik von 1888 bis 1892 den Besuch der Gewerbeschule in Graz, an der er seine Tischlerausbildung vollendete. In dieser Zeit kam er erstmals mit Architektur in Berührung, als er seinem Lehrer Leopold Theyer – der Plečniks außergewöhnliches Zeichentalent erkannt hatte und ihn förderte – bei der Ausarbeitung von Architekturstudien und Plänen behilflich war.
Zwischen 1892 und 1894 arbeitete er als Möbelzeichner für die Kunsttischlerei J. W. Müller in Wien. Einige in dieser Zeit entstandene Zeichnungen legte Plečnik 1894 Otto Wagner vor, bei dem er studieren wollte und der sein Talent auf grafischem Gebiet ebenfalls erkannte. Aufgrund der fehlenden technischen Vorbildung beschäftigte Otto Wagner Plečnik zunächst in seinem eigenen Atelier, ehe er von 1895 bis 1898 in Wagners Architekturklasse an der Akademie der bildenden Künste studieren konnte.
Es folgten Wettbewerbsarbeiten und die Gestaltung der Abteilung des niederösterreichischen Kunstgewerbevereins auf der Jubiläumsausstellung 1898. Adolf Loos erwähnte in seiner Ausstellungsbesprechung den jungen Architekten überaus wohlmeinend und schilderte, wie feierlich und andächtig das Publikum durch diesen Teil der Ausstellung gegangen sei und dass es sogar den bereitgelegten Fußabstreifer benutzt habe, um die Räume nicht zu beschmutzen.
Ein Reisestipendium ermöglichte es Plečnik, 1899 Italien und Frankreich zu Studienzwecken zu bereisen. In Italien erwarb er sich exzellente Kenntnisse der antiken römischen Architektur, zugleich beschäftigte er sich mit der ebenfalls stark an die Antike angelehnten Architekturtheorie Gottfried Sempers. Nach der Rückkehr aus Italien arbeitete Plečnik im Jahr 1900 weiter in Wagners Atelier und zeichnete für diesen an einigen Haltestellen der Stadtbahn mit. Gemeinsam mit Josef Maria Olbrich entwarf er die Stadtbahnstationen Friedensbrücke und Rossauer Lände.
Von 1900 bis 1911 war Josef Plečnik als selbständiger Architekt in Wien tätig. Aus dieser Periode datieren in Wien die Villa Langer (1900–1901), das Miethaus Langer in der Steggasse (1901), Umbauarbeiten am Haus Weidman (1901–1902), die Errichtung des Zacherlhauses (1903–1905, gemeinsam mit Josef Tölk), Umbauarbeiten an der Villa Zacherl, Nußwaldgasse 9 (1903), Kinderschutzstation St. Josef, Lacknergasse 98 (1907), Karl-Borromäus-Brunnen (1909) und Heiligengeistkirche (1911–1913).
Otto Wagner hatte Plečnik 1911 als seinen Nachfolger an der Akademie vorgeschlagen, das Professorenkollegium wiederholte dreimalig den Besetzungsvorschlag. Der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand verhinderte jedoch die Berufung, da er sich gegen einen Slowenen auf diesem Posten verwahrte und die notwendige Zustimmung verweigerte.
Daraufhin folgte Plečnik einer Einladung seines Freundes Jan Koteřa und ging als Lehrer an die Prager Kunstgewerbeschule, an der er bis 1921 dekorative Kunst unterrichtete. 1920 wurde er vom tschechischen Staatspräsidenten Tomáš Garrigue Masaryk mit den Sanierungsarbeiten des Prager Hradschins als Sitz des tschechischen Staatspräsidenten betraut und betreute diese bis 1934. Zeitgleich zu dieser Tätigkeit als Architekt und Konservator trat er eine Professur an der Abteilung für Architektur an der technischen Fakultät der Universität Laibach an. Neben öffentlichen und privaten Bauten entwarf Plečnik zudem einen Regulierungsplan für seine Geburtsstadt Laibach.
Plečniks künstlerische Leistung beruht auf einer Symbiose aus dem klassischem antiken Formenkanon und den traditionellen, teilweise folkloristischen Gestaltungsformen seiner slowenischen Heimat. Sehr eigenständig bewegte er sich leicht abseits der zu seiner Wiener Zeit herrschenden secessionistischen Richtung und entwickelte gestalterische Ansätze, die nicht mehr ausschließlich aus der Wagnerschule ableitbar sind. Zugleich weist sein Wiener Werk, besonders die Heiligengeistkirche, schon in Richtung der funktionalen Ästhetik, welche die 1920er Jahre beherrschen sollte.
Josef Plečnik erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Ehrenmitgliedschaft Masarykova Akademie práce (1925), die Mitgliedschaft der slowenischen Akademie der Wissenschaften und Kunst (1938), die Ehrenbürgerschaft der Stadt Laibach (1939) sowie das Ehrendoktorat der Technischen Universität Wien (1952). Ab 1954 war er korrespondierendes Mitglied des Royal Institute of British Architects.
In Wien wurden dem Architekten, der 1957 im Alter von 86 Jahren in seinem von ihm selbst gebauten und eingerichteten Laibacher Haus starb, mehrere Ausstellungen gewidmet, unter anderem eine große Architekturausstellung im Ringturm (2006).
Literatur
- Adolf Stiller [Hg.]: Josef Plečnik 1872–1957. Architekt in Wien, Prag, Laibach. Salzburg: Verlag Anton Pustet 2006
- Gabriele Fahr-Becker [Red.]: Jože Plečnik. Architekt. 1872–1957. München [u. a.]: Stuck-Jugendstil-Verein 1987 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 107 )
- Parnass. Das Kunstmagazin. Wien: Parnass Verlagsgesellschaft / Linz: Grosser 1981–lfd. Band 6. 1986, S. 45 ff.
- Rendezvous Wien. Vierteljahreszeitschrift für Freunde Wiens in aller Welt. Wien: Wiener Tourismusverband 3 (1984), S. 23 ff.
- Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 36 (1981), Beiheft 3, S. 12
- Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst, 30.12.1981
- Marco Pozzetto: Die Schule Otto Wagners 1894–1912. Wien [u. a.]: Schroll 1980, S. 243 (fremdsprachige Literatur)
- Danijan Prelovsek: Josef Plečnik 1872–1957. Wien: Tusch 1979
- Heribert Sturm: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. München: Oldenbourg 1974–lfd.
- Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1970, Register
- Ottokar Uhl: Moderne Architektur in Wien von Otto Wagner bis heute. Wien [u. a.]: Schroll 1966, Register
- Franz Glück: Wien um 1900. Ausstellung veranstaltet vom Kulturamt der Stadt Wien. 5. Juni bis 30. August 1964. Wien: Kulturamt der Stadt Wien 1964
- Adolf Loos: Interieurs. Ein Präludium. In: Franz Glück [Hg.]: Adolf Loos. Sämtliche Schriften. Bd. 1. Wien: Herold 1962, S. 33
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 83, S. 113 und S. 172
- Ulrich Thieme / Felix Becker [Hg.]: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bände. Leipzig: Engelmann 1907–1950
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. 2 Bände. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1905–1906, Register
Literatur von und über Josef Plečnik finden Sie im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.