Karl Wahle
Karl Wahle, * 6. Juni 1887 in Wien, † 15. Juni 1970 in Wien, Jurist, Richter und von 1946 bis 1948 Präsident des Handelsgerichts Wien.
Biografie
Karl Wahle entstammte einer jüdischen Familie, konvertierte aber am 7. Oktober 1907 zum altkatholischen, einige Jahre später am 13. Juli 1911 zum römisch-katholischen Glauben. Nach seiner Matura am Maximiliangymnasium in Wien 9 im Jahr 1906 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Wien sowie Geschichtswissenschaften. Am 11. Oktober 1909 wurde er Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, wo er am 11. Juli 1911 die Staatsprüfung abschloss. Wenige Monate zuvor, am 22. März 1911, promovierte er in Rechtswissenschaften.
Am 24. Juli 1911 trat Wahle den Dienst als Rechtspraktikant an und trat am 29. April 1912 den richterlichen Vorbereitungsdienst an. Mit 1. Dezember 1913 wurde er zum Auskultanten beim Landesgericht Wien ernannt und erhielt das Adjutum. Am 17. Juni 1915 legte er die Richteramtsprüfung mit sehr gutem Erfolg ab.
Im Jahr 1914 rückte Wahle als Kriegsfreiwilliger zum Militär ein, wo er bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 als Militäranwalt und später als Militärrichter diente.
Nach Kriegsende wurde Wahle am 7. Jänner 1919 dem Bezirksgericht Wiener Neustadt zugewiesen. Am 17. Juli 1919 wurde er zum Richter für das Landesgericht Wien ernannt. Für 1920 und 1921 ist seine Tätigkeit als Richter beim Bezirksgericht Leopoldstadt nachgewiesen. 1921 wurde er als Einzelrichter dem Handelsgericht Wien zugeteilt. Von 1922 bis 1925 war Wahle als Bezirksrichter beim Bezirksgericht für Handelssachen tätig, von 1926 bis 1930 als Landesgerichtsrat ebendort. Am 12. März 1931 wurde er zum Oberlandesgerichtsrat und Senatsvorsitzenden beim Handelsgericht ernannt. In dieser Funktion verblieb er bis März 1938.
Der Anschluss im März 1938 hatte für Karl Wahle und seine Familie, Ehefrau Hedwig und die Kinder Franz (geboren 1929) und Anna (geboren 1931), gravierende Folgen. Alle Familienmitglieder galten als "Volljuden" nach der damaligen NS-Diktion. Wahle wurde mit August 1938 in den Ruhestand versetzt, seine Frau Hedwig verlor ihren Job als Chefmathematikerin der Anker-Versicherungsgesellschaft im selben Jahr. Beide Kinder flohen 1939 nach England, ihre Eltern tauchten im Mai 1942 unter und entzogen sich dadurch der Deportation. Bis zum Kriegsende 1945 lebten beide unter falscher Identität in ständiger Todesgefahr.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 musste das Justizwesen komplett neu aufgebaut werden. Im September 1945 nahm das Handelsgericht seine Tätigkeit wieder auf, Wahle wurde wieder in den richterlichen Dienst aufgenommen und mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 12. Juli 1946 zum Präsidenten des Handelsgerichts ernannt.
Am 26. März 1948 wurde Wahle zum Rat des Obersten Gerichtshofs ernannt, am 31. März 1949 wurde er dort zum Senatspräsidenten. Mit 15. Mai 1954 wurde er zum Zweiten Präsidenten, von 26. April 1956 bis 31 Dezember 1957 dann zum Präsidenten des Obersten Gerichtshofes. Zusätzlich war er ab 27. November 1953 für fünf Jahre auch Präsident des Patentgerichtshofes. Ende 1957 trat Wahle in den Ruhestand.
Schon seit 1919 war Karl Wahle zudem Mitglied der Österreichischen Richtervereinigung, deren Präsident er von 1951 bis 1957 war. Auch in der Internationalen Vereinigung der Richter war Wahle tätig. Wahle starb in Wien am 15. Juni 1970 im Alter von 83 Jahren.
Literatur
- Alfred Waldstätten: Die Präsidenten des Handelsgerichts Wien 1850–2015. Wien: Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz 2019