Kundschaftsblatt
Kundschaftsblatt, auch Kundschaftsblättl, Kurzbezeichnung für das vom Wiener Frag- und Kundschaftsamt ab 1721 unter wechselndem Titel herausgegebene Anzeigenblatt, das eng mit dem Wiennerischen Diarium kooperierte.
Am Anfang handelte es sich dabei um als "Negotienlisten"[1] bezeichnete Registerauszüge der im Protokoll des Fragamts verzeichneten Einträge, zumeist Verkaufsanzeigen für bewegliche und unbewegliche Güter, Angebote zum Verleih von Geld sowie Stellenanzeigen. Den Anzeigen war die Seite des Protokollbuchs sowie eine Registernummer beigefügt, so dass InteressentInnen unter Bezug darauf sich die gesuchte Information – zumeist die Kontaktdaten des Anbieters der gewünschten Ware oder Stelle – nachschlagen lassen konnten. Diese Negotienlisten lagen dem Wienerischen Diarium bei, waren aber auch separat zum Preis von einem Kreuzer erhältlich.
Bis 1728 erschien das Kundschaftsblatt in unregelmäßigen Intervallen, nahm aber an Umfang zu; ab April 1728 erfolgte eine Neukonzipierung als Intelligenzblatt zweimal wöchentlich unter dem Titel "Post-tägliche Frag- und Anzeigungs-Nachrichten / des Kaiserl. Frag- und Kundschafts-Amt in Wien".[2] Zusätzlich zu den Verkaufs- und Stellenanzeigen enthielt dieses Mitfahrgelegenheiten, Steckbriefe, Vermisstenanzeigen sowie Verweise auf neu erschienene Bücher, zuweilen erfolgten auch Berichte über naturwissenschaftliche Phänomene oder aufsehenerregende Kriminalfälle, bis in die 1770er Jahre hinein wurden auch Termine von religiösen Andachten veröffentlicht.
Die Bedeutung des Kundschaftsblatts wurde von den Behörden eher gering eingeschätzt, für die Verlegerfamilie Ghelen lag die Motivation, es über Jahrzehnte hindurch als Verlustgeschäft – laut Selbstauskunft wurden im Jahr 1758 je 72 Exemplare durch Abonnement, je 6 bis 8 durch Handverkauf abgesetzt – neben dem Wienerischen Diarium zu betreiben vor allem darin, dass sie dadurch die Monopolstellung des Diariums als einziger deutschsprachigen Zeitung in Wien absichern konnte.
Mit der Neuorganisation der Wiener Zeitung ab 1810 wurde das Kundschaftsblatt in deren Anzeigenteil integriert, seine letzte Ausgabe erschien wahrscheinlich 1813, vereinzelte Hinweise darauf, dass dieses Blatt auch noch in späteren Jahrzehnten gesondert vom Intelligenzblatt der Wiener Zeitung existierte, beruhen eventuell auf Verwechslungen und konnten bislang nicht bestätigt werden.
Literatur
- Anton Tantner: Das Wiener Frag- und Kundschaftsamt. Informationsvermittlung im Wien der Frühen Neuzeit. In: Wiener Geschichtsblätter 66, 2011/4, S. 313-342 (leicht modifizierter Auszug aus: Anton Tantner: Adressbüros im Europa der Frühen Neuzeit. Wien: Habilitationsschrift an der historisch-kulturwisenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 2011)
- Manfred Bobrowsky: Das Wiener Intelligenzwesen und die Lesegewohnheiten im 18. Jahrhundert. Wien: Dissertation an der Universität Wien (ungedruckt) 1982
- Wolfgang Duchkowitsch: Absolutismus und Zeitung. Die Strategie der absolutistischen Kommunikationspolitik und ihre Wirkung auf die Wiener Zeitung 1621–1757. Wien: Dissertation an der Universität Wien (ungedruckt) 1978, S. 311-357
Einzelnachweise
- ↑ Anno: Wienerisches Diarium, Nr. 1862, 4.6.-6.6.1721
- ↑ Ab dem 3.11.1733 lautete der Titel: "Wienerische Post-tägliche Anzeigung und Nachricht von allerhand Licitationen : Citationen : Besitzungen deren Grund-büchern : Convocationen und Tag-satzungen wegen Verlassenschaften und Anforderungen . verschiedene Notificationen : item von gestohlenen / verlornen / und gefundenen Sachen : Andachten in und vor der Stadt : von gelehrten Leuten und Sachen / neu auskommenden Büchern / Naturalien / Maschinen / und dergleichen Erfindungen : wie auch besonderen Begebenheiten und seltsamen Zufällen. Und letztlichen die Nachrichtliche Anzeigungen des Kaiserl. Frag- und Kundschaft-Amts in Wien / von allerhand inner und ausserhalb der Stadt täglich zu kauffen / und verkauffen oder zu vertauschen / zu verleihen und lehnen vorkommenden / Sachen / sodann Personen / welche lehnen und ausleihen wollen / Bedienungen oder Arbeit suchen oder zu vergeben haben / auch von Fuhr-leuten / Schif-leuten / Reisenden / etc."; danach folgten noch mehrere kleinere Titeländerungen: 1747 bis zumindest 1765 hieß das Blatt "Post-tägliche Anzeigung / und Nachricht aus dem Kaiserl. Frag- und Kundschaft-Amt in Wien", ab spätestens 1773 "Posttägliche Anzeige aus dem k.k. Frag- und Kundschaftsamte in Wien".
Jahrgangsweise zusammengebundene Ausgaben dieser Publikation befinden sich für 1728 und 1730 bis 1754 sowie 1763–1765, 1779, 1794–1805, 1807, und 1809–1813 in der Wienbibliothek im Rathaus (Signatur F 19.111, jeweils Beiband); in der Österreichischen Nationalbibliothek vorhanden sind darüber hinaus noch die Jahre 1772–1775, 1780–1783 und 1785–1788 (Signatur 1,005.524-D, beigebunden) sowie 1794–1799 (Signatur 393.052-D.Alt, beigebunden); vgl. Lang, Helmut W. (Hg.): Österreichische Retrospektive Bibliographie (ORBI). Reihe 3: Österreichische Zeitschriften 1704–1945. München: Saur 2006, Bd. 1, S. 414–416, 437 f. (=Nr. 3,1:686–689,731).
Zur Zeit (2019) finden sich nur ausnahmsweise Digitalisate des Kundschaftsblatts als Teil der Wiener Zeitung auf ANNO, beispielsweise für die zweite Jahreshälfte 1797, exemplarisch: Posttägliche Anzeigen aus dem k.k. Frag- und Kundschaftsamte in Wien, Nr. 52, 1.7.1797