Fragamt
Fragamt. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, im 17. Jahrhundert nach Pariser und Londoner Vorbild in Wien ein Adressbüro ins Leben zu rufen (Fragstube), wurde per Patent vom 14. März 1707[1] zugleich mit dem Versatzamt (Dorotheum) das "Frag-Amt" gegründet. Ursprünglich nur als Verkaufsagentur konzipiert, konnten dort zum Verkauf angebotene Güter (beispielsweise Getreide, Wein, Bücher, Pferde, aber auch Immobilien) gegen 17 Kreuzer Einschreibgebühr in ein Protokoll eingetragen werden, Auszüge daraus kosteten ebenso viel. Gemeinsam mit den durch das Versatzamt erzielten Erträgen sollten die Gewinne das Großarmenhaus finanzieren; untergebracht war das Versatz- und Fragamt zunächst im Haus des niederösterreichischen Statthalters Ferdinand Karl Graf und Herr von Welz (Weltz) in der Annagasse (Erzherzog-Carl-Palais, heute Haus der Musik).
Bis 1721 sind kaum Aktivitäten des Fragamts belegt. In diesem Jahr wurde es per Patent vom 21. April 1721[2] räumlich vom Versatzamt getrennt und übersiedelte ins Haus des niederösterreichischen Regimentsrats Prokop Gervasius Freiherr von Gollen in der Weihburggasse. Ab diesem Zeitpunkt begann eine enge Kooperation mit dem Wienerischen Diarium, in dem das Fragamt in unregelmäßigen Abständen die so genannten "Negotienlisten" – Registerauszüge der im Protokoll des Fragamts verzeichneten Einträge – veröffentlichte. Diese Frühform eines Anzeigenblatts wurde als "Kundschaftsblatt" ("Kundschaftsblättl") bezeichnet; ab 1728 erschien es zweimal wöchentlich, seine Herausgabe war die bedeutendste Aktivität des Fragamts.
Neben Waren- und Immobilienvermittlung bot das Fragamt seit 1721 auch Arbeitsvermittlung insbesondere für Dienstbotinnen und Dienstboten an, wobei das Fragamt eine gewisse Kontrollfunktion über diese Personen ausübte. Listen mit zu vermietenden Zimmern sowie mit arbeitswilligen Dienstbotinnen und Dienstboten wurden auch eigens gedruckt und konnten im Amt erworben werden, des Weiteren wurden zu vermittelnde Angebote auf einer vor dem Amt befindlichen Anschlagstafel ("Kundschafts-Taffel") publik gemacht. Jenseits dieser Vermittlungsangebote sind – im Gegensatz zu anderen Adressbüros – kaum darüber hinaus gehende Aktivitäten am Ort des Fragamts dokumentiert: Lediglich für die 1730er Jahre ist belegt, dass manche der annoncierten Güter vor Ort gekauft werden konnten und dort verlorene Gegenstände abgeholt werden konnten. Konflikte gab es mit den traditionellen Zwischenhändlern und Mittelspersonen ("Zubringer" und "Zubringerinnen").
Nach mehreren Ortswechseln zog das Fragamt spätestens Anfang April 1728 in die Räumlichkeiten des Wienerischen Diariums im Fleckhammerschen Haus (Neues beziehungsweise Kleines Michaelerhaus) am Michaelerplatz; in der Folge übersiedelten beide Einrichtungen jeweils gemeinsam, so 1774 in das Mannerische Haus in der Singerstraße Nr. 931 sowie 1795 in die Rauhensteingasse 976 (noch im selben Jahr umnummeriert zu 983).
Die Leitung des Fragamts hatte seit der Übernahme des Wienerischen Diariums die Verlegerfamilie Ghelen inne; ab 1759 zahlte diese für das Fragamt jährlich 50 Gulden Pacht an das Versatzamt, ein Betrag, der sich in den folgenden Jahrzehnten erheblich erhöhte (1768: 400 Gulden, 1774: 450 Gulden, 1788: 850 Gulden). Versuche des Verlegers Johann Thomas von Trattner sowie des Schreibers der französischen Zeitung Johann Theodor Gontier, 1762/1763 Konkurrenzunternehmen zum Fragamt beziehungsweise dem Kundschaftsblatt zu gründen, scheiterten, auch der 1785 erwogene Plan, im Zuge der Verstaatlichung der Kleinen Post die beiden Einrichtungen zusammenzulegen, wurde nicht realisiert.
Das Ende des Fragamts erfolgte schleichend Anfang des 19. Jahrhunderts, ab 1813 ging das Kundschaftsblatt und damit auch das Fragamt im Anzeigenteil der Wiener Zeitung auf. Eine Erinnerung an die Verbindung des einstigen Fragamts zum Versatzamt blieb bis zur Verstaatlichung der Wiener Zeitung 1857 bestehen, da bis dahin die Ghelen’schen Erben jährlich 850 Gulden an das Versatzamt zahlen mussten.
Die Bedeutung des Fragamts scheint, verglichen mit anderen Adressbüros wie dem Pariser Bureau d’adresse des Théophraste Renaudot, relativ gering gewesen zu sein; eine gewisse Rolle spielte es allenfalls bei der Immobilienvermittlung. Aus heutiger Perspektive kann es als Teil einer Geschichte des Suchens und Findens sowie als Vorgeschichte einer Suchmaschine wie Google verstanden werden.[3]
Literatur
- Anton Tantner: Das Wiener Frag- und Kundschaftsamt. Informationsvermittlung im Wien der Frühen Neuzeit. In: Wiener Geschichtsblätter 66, 2011/4, S. 313-342 (leicht modifizierter Auszug aus: Anton Tantner: Adressbüros im Europa der Frühen Neuzeit. Wien: Habilitationsschrift an der historisch-kulturwisenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 2011)
- Felix Czeike: Das Dorotheum. Vom Versatz- und Fragamt zum modernen Auktionshaus. Wien [u.a.]: Jugend und Volk 1982, S. 42 f.
- Albert Starzer: Das k.k. Versatzamt in Wien von 1707 bis 1900. Wien: Selbstverlag, 1901, S. 8 - 13
Einzelnachweise
- ↑ Codex Austriacus III: Supplementum Codicis Austriaci (...), Leipzig: Eisfeld 1748, S. 531-535, hier 534 f
- ↑ Codex Austriacus IV: Supplementum Codicis Austriaci, Pars II, Leipzig: Eisfeld 1752, S. 7 f.
- ↑ Anton Tantner: Suchen und finden vor Google. Eine Skizze. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare, 64.2011/1, S. 42–69; Thomas Brandstetter, Thomas Hübel , Anton Tantner (Hg.): Vor Google. Eine Mediengeschichte der Suchmaschine im analogen Zeitalter. Bielefeld: Transcript 2012