Erzherzog-Carl-Palais
48° 12' 14.18" N, 16° 22' 23.17" E zur Karte im Wien Kulturgut
Erzherzog-Carl-Palais (1., Annagasse 20, Seilerstätte 30, Krugerstraße 19; Konskriptionsnummer 995; heute Haus der Musik).
Vorgängerbauten
Hier standen ursprünglich drei kleinere Gebäude:
Haus A
Bei diesem Objekt handelte es sich um einen Stadel samt Garten, der gegenüber der Ringmauer lag. Seine erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1447. Wahrscheinlich im Jahr 1469 fiel er einem Brand zum Opfer und wurde längere Zeit nicht wieder aufgebaut. Da außerdem die Steuern nicht bezahlt wurden, zog die Stadt die Brandstätte ein und verkaufte sie 1493. Wann wieder ein Haus errichtet wurde, ist unklar, es muss aber vor 1510 passiert sein, da es in diesem Jahr vom späteren Bürgermeister Wolfgang Treu angekauft wurde. Von ihm kaufte es eine Stiftung, in deren Besitz Haus und Garten bleiben sollte, doch diente es ihr nicht einmal zwei Jahrzehnte lang. "Nachdem es ganz niedergeschleift" (möglicherweise im Zusammenhang mit der sogenannten Ersten Türkenbelagerung im Jahr 1529) worden war, wurde der "öde Fleck" 1537 verkauft.
Haus B
Die erste urkundliche Erwähnung dieses Hauses stammt aus dem Jahr 1461, doch fiel es wahrscheinlich 1469 einem Brand zum Opfer. Noch im selben Jahr wurde die Brandstätte verkauft und darauf wieder ein Gebäude errichtet, das 1478 den Besitzer wechselte. Nach 1483 gibt es zu diesem Objekt keine Daten mehr.
Haus C
Dieses Gebäude tritt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erstmals urkundlich in Erscheinung. Auch dieses Objekt dürfte 1469 abgebrannt sein. Zwischen 1485 und 1488 entstand hier erneut ein Gebäude.
Altes kaiserliches Gießhaus
Im 16. Jahrhundert stand hier das alte kaiserliche Gießhaus, das erstmals im Hofquartierbuch (siehe Hofquartierwesen) von 1567 aufscheint. Es ersetzte die drei alten Gebäude und wurde von Rudolf II. am 20. September 1603 dem Hofkriegssekretär, kaiserlichen Rat und Rentmeister der Herrschaft Steyr Heinrich Nickhardt zum Dank für treue Dienste geschenkt. 1625 gelangte es an den kaiserlichen Rat und Kämmerer Bernhard von Weltz (Welz) und von diesem schließlich erblich an Ferdinand Karl Graf und Herr von Weltz, der führend an den Vorberatungen zur Gründung eines Versatzamts beteiligt war.
1707 verkaufte er das Palais dem am 14. März 1707 von Joseph I. gegründeten Versatz- und Fragamt um 65.000 Gulden und 200 Dukaten (Vertragsratifizierung durch die Regierung am 26. November 1708). Die Transaktion kam Weltz sicherlich nicht ungelegen, denn er erwarb noch im selben Jahr eine Liegenschaft in der Josefstadt und gab dort 1710 den Bau eines Palais in Auftrag (Auerspergpalais). 1721 wurde das Fragamt vom Versatzamt getrennt und übersiedelte in ein Haus in der Weihburggasse, während das Versatzamt in diesem Haus blieb, das es 1720-1730 unter Verwendung älterer Bauteile von einem Johann Lucas von Hildebrandt nahestehenden Architekten umbauen ließ.
Erzherzog-Carl-Palais
Als das Versatzamt (Dorotheum) nach der Klosterreform Josephs II. in das aufgelassene Dorotheerkloster übersiedelte (1788), wurde das Gebäude vom Kameralhauptbuchhaltungsrat Daniel Edler von Zepharovich erworben und laut Harrer (Paul Harrer: Wien, seine Häuser) 1790 auf einer Grundfläche von 1180 Quadratmetern neu errichtet. 1805 sei dieses von Erzherzog Carl angekauft worden. Laut Czeike (Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien) wurde das Haus nach dem Auszug des Versatzamtes von Erzherzog Carl (der später das Palais auf der Augustinerbastei bezog) erworben und umgebaut.
Nach dem Sieg gegen Napoleon I. bei Aspern wurden dem Erzherzog am 21. Mai 1809 vor seinem Haus stürmische Ovationen entgegengebracht. Als Adam Albert Graf Neipperg am 24. Oktober 1813 in die Stadt ritt, um die Nachricht vom Sieg bei Leipzig zu überbringen, kam er zuerst in dieses Palais und setzte erst danach seinen Weg in die Hofburg fort. Am 3. August 1817 wurde Erzherzog Albrecht, der spätere Sieger der Schlacht bei Custozza (24. Juni 1866), in diesem Gebäude geboren, in dem auch Henriette, die Gattin Carls, 32jährig starb (29. Dezember 1829).
1838 gehörte das Palais bereits Simon Georg Sina. An der Fassade in der Seilerstätte befindet sich eine Gedenktafel für Otto Nicolai (1810-1849), der hier 1842 die Philharmonischen Konzerte gründete. Nicolai, welcher zwischen 1841 und 1847 in diesem Haus wohnte, war Hofkapellmeister und komponierte unter anderem die Oper "Die lustigen Weiber von Windsor". 1867 starb Simon Sechter, ein Lehrer Anton Bruckners in diesem Gebäude.
1904 kaufte es das bosnisch-herzegowinische Landesärar. Aufgrund des Übereinkommens vom 24. Februar 1923 wurde das Eigentumsrecht an dem Gebäude der Regierung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen einverleibt. Zwischen den beiden Weltkriegen sowie nach 1945 war die Jugoslawische Gesandtschaft im Haus untergebracht. Am 22. Juli 1942 kam das Gebäude in den Besitz der Reichsfinanzverwaltung des Deutschen Reiches und mit Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 31. Jänner 1948 wieder in das Eigentum der föderativen Volksrepublik Jugoslawien.
Bemerkenswert sind die Barockportale in der Seilerstätte sowie das Portal mit Balkon und das klassizistische Stiegenhaus mit kannelierten Säulen (in der Art Josef Kornhäusels) in der Annagasse. 1965 erfolgte durch Josef Krawina der Umbau zu einem Internationalen Kulturzentrum (mit "Theater im Palais Erzherzog Carl") und Studentenheim. Seit 2000 wird das ab Dezember 1998 erneut umgebaute Gebäude als Haus der Musik genutzt.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
- Versatz- und Fragamt (siehe Versatzamt, Fragamt und Dorotheum)
- Theater im Palais Erzherzog Carl
Literatur
- Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 144
- Felix Czeike: Das Dorotheum. 1982, S. 35 ff.
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechanische Wiedergabe [der Ausgabe von 1883]). Band 1. Cosenza: Brenner 1967, S. 354 ff.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 336
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 5, 2. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 338-341