Seilerstätte
48° 12' 17.32" N, 16° 22' 27.73" E zur Karte im Wien Kulturgut
Seilerstätte (1.), ursprünglich (ab 1701) Seilerstatt (Gewerbebezeichnung), seit 1821 Seilerstätte.
Entlang der heute ungerade numerierten Häuserfronten verlief die mittelalterliche Ringmauer; die gerade numerierte Zeile führte in einzelnen Abschnitten unterschiedliche Namen. Die 1558 erbaute Kurtine zwischen Braun- und Wasserkunstbastei begradigte die leicht eingebuchtete Ringmauertrasse (heutiger Verlauf der Schellinggasse); auf dem gewonnenen Terrain (1, Seilerstätte 7-13) wurde 1586/1587 ein kaiserliches Zeughaus (nachmals Gußhaus) errichtet. Nach der zweiten Türkenbelagerung hatten hier die Seiler ihre Arbeitsplätze; sie stellten die Seile und das Tauwerk für die Donau-, Save- und Draukriegsschiffe her.
Ursprünglich "Auf der Seil", später Seilerspinnstatt. Vor 1683 wurde die Seilerstätte meist nach den in diese ausmündenden Gassen benannt (Untere Pippingerstraße, Hinterm rauhen Stein, Unter der Weihenburgkh). Um die Mitte des 18. Jahrhunderts etablierte sich auf der Seilerstätte ein Markt für Obst, Grünwaren, Butter und Geflügel, der jedoch 1871, als die Detailmarkthalle in der Zedlitzgasse eröffnet wurde, verschwand.
Gebäude
- Nummer 3: Coburgpalais.
- Nummer 4: Wohnhaus wurde 1937 mit Unterstützung des Wiener Assanierungsfonds errichtet.
- Nummer 8: Rückseite des Franziskanerklosters. Hier befand sich früher die k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Geburtshaus von Carl Auer-Welsbach.
- Nummer 9: Ronacher (vorher Stadttheater [abgebrannt 1884]).
- Nummer 10: Sterbehaus von Alexander Saphir.
- Nummer 12: Im Vorgängerbau wohnte Eduard van der Nüll. Am Neubau Reliefplastik "Familienglück".
- Nummer 16: Residenzhof, erbaut (1896) nach Plänen von Ferdinand Fellner und Hermann Helmer. Im 17. Jahrhundert stand hier das von der Familie des Tobias Pock bewohnte "Malerhaus".
- Nummer 17: Sterbehaus von Franz Xaver Süßmayer.
- Nummer 19: Gedenktafel für Fanny Elßler.
- Nummer 21: Im ehemaligen Lambertischen Haus wohnte Ludwig van Beethoven von Herbst 1815 bis April 1817.
- Nummer 22: Schlosserhof
- Nummer 24: Das 1907 erbaute Haus besitzt ein Portal der Wiener Werkstätte.
- Nummer 26 (Johannesgasse 8): ehemaliges Ursulinenkloster (1960/1961 von der Hochschule für Musik und darstellende Kunst erworben); vormals Außenstelle des Österreichischen Museums für Volkskunde ("Sammlung Religiöser Volkskunst" mit der alten Klosterapotheke der Ursulinen). Gedenktafel für Clemens Maria Hofbauer, der 1813-1820 im Kloster und in der Klosterkirche wirkte.
- Nummer 28: Wohnhaus "Zur schwarzen Katze" (erbaut 1715).
- Nummer 30 (Annagasse 20, Krugerstraße 19): ehemals kaiserliches altes Gießhaus, ab 1707 Sitz des Versatz- und Fragamts (Dorotheum), ab 1805 im Besitz von Erzherzog Carl (Erzherzog-Carl-Palais); bemerkenswertes Barockportal in der Seilerstätte, Portal mit Balkon in der Annagasse. Gedenktafel für Otto Nicolai (er wohnte hier 1841-1847); Sterbehaus (1867) von Simon Sechter. 1965 erfolgte durch Josef Krawina der Umbau zu einem Internationalen Kulturzentrum (mit "Theater im Palais Erzherzog Carl") und Studentenheim. Seit 2000 Haus der Musik, u. a. mit dem Museum der Wiener Philharmoniker.
Pfarrzugehörigkeit bis 1938
Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt.
- ab 1863: ungerade Orientierungsnummern (ONr.) 1-19 und gerade ONr. ab 2: Pfarre St. Stefan; ungerade ONr. ab 21: Pfarre St. Augustin
- ab 1902: Pfarre St. Stefan
- ab 1908: ungerade ONr. ab 1 und gerade ONr. 2-24: Pfarre St. Stefan; gerade ONr. 26-30: Pfarre St. Augustin
Quellen
Literatur
- Josef Bergauer: Das klingende Wien. Erinnerungsstätten berühmter Tondichter. Wien: Günther 1946, S. 32 f., S. 35 ff.
- Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 161 f.
- Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 482 f.
- Hugo Hassinger: Kunsthistorischer Atlas der k.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien und Verzeichnis der erhaltenswerten historischen, Kunst- und Naturdenkmale des Wiener Stadtbildes. Wien: Schroll 1916 (Österreichische Kunsttopographie, 15), S. 79
- Hans Markl: Die Gedenktafeln Wiens. Wien: ABZ-Verlag 1949, S. 48 ff.
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 602 ff.
- Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008), S. 79 ff.
- Robert Mucnjak: Führer durch Alt-Wien. Innere Stadt. Wien: Der Museumsverein Innere Stadt 1980 (Schriftenreihe des Bezirksmuseums, 3), S. 97 ff.
- Richard Perger: Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Wien: Deuticke 1991 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 22)
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 88
- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 82
- Andreas Suttner: Das schwarze Wien. Bautätigkeit im Ständestaat. Wien: Böhlau 2017
- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 79 f.
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. 11 Bände. Wiesbaden: Steiner 1969-1981. Band 4, S. 478 f.
- Siegfried Weyr: Wien. Magie der Inneren Stadt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1968, S. 266 ff.