Michaelerplatz

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Michaelerplatz, um 1940
Daten zum Objekt
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48° 12' 27.99" N, 16° 22' 0.00" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Kartenausschnitt aus Wien Kulturgut

Michaelerplatz (1.). Platz am Schnittpunkt von Herrengasse, Kohlmarkt und Reitschulgasse. Hauptfassade der Hofburg zur Innenstadt hin (Michaelertrakt).

Kreuzung vor der Michaelerkirche am Wolmiet-Plan, 1547
Ansicht des Michaelerplatzes mit Großem Michaelerhaus und der Kirche, ganz rechts Turm und Mauer des Lustgartens des Hofburg, 1724

Bis ins 18. Jahrhundert gab es hier keinen Platz, sondern nur eine Straßenkreuzung der heutigen Trassen Kohlmarkt Richtung stadtauswärts und Herrengasse-Reitschulgasse. Erstere war in der Römerzeit und noch im Hochmittelalter eine nur bis zur Kreuzungsmitte reichende Zubringerstraße (vom Peilertor über den Kohlmarkt), die nach der Stadterweiterung am Ende des 12. Jahrhunderts bis zum neuen Widmertor (nachmals Burgtor) fortgesetzt wurde und nun innerhalb der neuen Ringmauer lag (Beginn der Fernhandelsstraße über die Mariahilfer und Linzer Straße nach Westen), letztere zur Römerzeit ein Teilstück der Limesstraße. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde als zweite Stadtpfarrkirche neben St. Stephan) die Michaelerkirche gegründet. Der zur gleichen Zeit angelegte Michaelerfreithof lag an der Ecke Kohlmarkt-Reitschulgasse. Die anderen Ecken wurden durch Bürgerhäuser gebildet. Im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts wurden die Häuser an der Ecke der Reitschulgasse mit der (heutigen) Durchfahrt durch den Michaelertrakt von Friedrich III. käuflich erworben. Hier entstand in den 1480er Jahren der Lustgarten der Hofburg.

Entstehung des Platzes durch Neugestaltung der Hofburg

Michaelerplatz, 1784. Im Schwibbogen des Reitschultraktes ist die Kuppel der Karlskirche angedeutet.
Während der Revolution 1848 errichtete Barrikade am Michaelerplatz. Gemälde von Anton Ziegler, 1848

Die Konzeption des heutigen Platzes datiert in die Ära Karls VI. Anlass war die Neuplanung des Reichskanzleitrakts ab 1723. Da der Kaiser mit den Plänen Johann Lukas Hildebrandts nicht zufrieden war, über trug er 1726 die Baustelle Joseph Emanuel Johann Fischer von Erlach. Dieser legte Pläne vor, die eine auch völlig neue, monumentale Fassade der Hofburg zur Stadt hin vorsahen. Dabei nutzte er die bestehenden Verkehrsachsen geschickt aus. Vom Kohlmarkt kommend, sollte sich auf einem neu geschaffenen, kreisrunden Platz die Kaiserresidenz in barocker Pracht darbieten. Allerdings standen auf dem Terrain nicht nur das kaiserliche Ballhaus und Teile des Lustgartens, sondern auch mehrere Privathäuser. Die Umsetzung begann mit der Erbauung der Winterreitschule auf dem Areal des Lustgartens 1729-1735. Dannach stockten die Arbeiten. Durch den Tod Karls VI. 1740 blieb das Projekt endgültig ein Torso. Maria Theresia liess das Ballhaus in ein Hoftheater umwandeln (Altes Burgtheater, 1742 eröffnet). Die wohl als Provisorium gedachte Lösung, beliebtes Motiv für Stadtveduten, blieb bis zur Ära der Ringstraße bestehen. Neben dem Theater stand die halbfertige Rotunde der Tordurchfahrt. Freilich haben die Baumassnahmen schon eine Fläche entstehen lassen, die als Platz wahrgenommen wurde. 1766 findet sich dafür die Bezeichnung "Michaelerplatzl", 1795 Michaelerplatz und 1848 während der Revolution kurzfristig "Constitutionsplatz".

Erst in der Ringstraßenära entschloss man sich, das barocke Konzept zu vollenden, wodurch 1889 bis 1893 der Michaelerplatz in seiner heutigen Form entstand: Nach dem Abriss von Burgtheater und einigen Häusern der bis über den heutigen Platz führenden Westzeile des Kohlmarkts, die sich bis über die Schauflergasse hingezogen hatte, konnte der Michaelertrakt nach Vorbild der barocken Pläne errichtet werden. Die Hofburg hatte nun zur Stadt hin eine prächtige Fassade. Der Bau des Herbersteinpalais (1897) und des Looshauses (1910), deren Baulinien ebenfalls zurückgenommen wurden, ergänzten den Rundplatz.

Ausgrabungen

1990/1991 fand Stadtarchäologe Ortolf Harl bei Grabungen Baureste aus verschiedenen Jahrhunderten. Das Fundament eines großen, turmartigen Grabdenkmals sowie römische Häuser (mit Fußbodenheizung, Wandheizungen und Wandmalereien) stammen aus dem zweiten bis fünften Jahrhundert (bis zu sieben Umbauphasen nachweisbar). Harl deutete die archäologischen Reste als Vergnügungsviertel des Militärlagers Vindobona. Bis ins Hochmittelalter war dann die Platzfläche unverbaut (Witmarkt). 1385 setzte die Verbauung des südlichen Platzteils (Areal des heutigen Michaelertrakts) durch den sich in erhöhter Lage erstreckenden Lustgartens der Hofburg ein, unter dem (auf heutigem Platzniveau) ein Tonnengewölbe rekonstruierbar ist. Aufgefunden wurden weiters Fundamentreste des Ballhauses und des an seiner Stelle entstandenen (alten) Hofburgtheaters, außerdem (im Westen) Reste der in der Verlängerung der westlichen Häuserzeile des Kohlmarkts bis zur Burg entstandenen Privathäuser. Teile der Ausgrabungen wurden (gestaltet von Hans Hollein, 1992) sichtbar erhalten. Damit wurde freilich der mühsam gewonnene freie Platz wieder baulich umgeformt. Die urbanistische Achse Kohlmarkt - Heldenplatz erfuhr dadurch auch eine gewisse Barriere.


Pfarrzugehörigkeit bis 1938

Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt. (Stand 1929: 1 = Reichskanzlei; 7 = altes Burgtheater; 1882 werden 2 - 5 und 7 für den Neubau der Michaelerfront der Burg abgetragen; Neunummerierung: 1 = Hofburg, sonst Privathäuser.)

Gebäude

Ehemalige Numerierung

Video

Auf dem Michaelerplatz sind heute noch Spuren von Vindobona sichtbar.

Quellen

Literatur

  • Richard Bösel: Der Michaelerplatz in Wien. Seine städtebaulichen, und architektonischen Entwicklung (Wien: Kulturkreis Looshaus, Kat. 1991)
  • Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 107 ff.
  • Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 112 ff.
  • Sokratis Dimitriou: Die Entstehung des Michaelerplatzes, in: Handbuch der Stadt Wien. Wien: Verlag für Jugend und Volk. Band 77. 1963, S. 326 ff.
  • Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 471 f.
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 2. Teil. Wien ²1957 (Manuskript im WStLA), S. 359-363
  • Robert Mucnjak: Führer durch Alt-Wien. Innere Stadt. Wien: Der Museumsverein Innere Stadt 1980 (Schriftenreihe des Bezirksmuseums, 3), S. 71
  • Richard Perger: Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Wien: Deuticke 1991 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 22)
  • Christine Ranseder (u.a.): Michaelerplatz. Die archäologischen Ausgrabungen. Wien: MA 7 - Stadtarchäologie ²2011 (Karin Fischer-Ausserer (Hg.): Wien archäologisch 1)
  • Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 66