Karl VI.
Karl VI., * 1. Oktober 1685 Wien, † 20. Oktober 1740 Favorita (4, Favoritenstraße 15; Kapuzinergruft, Sarkophag von Balthasar Moll), römisch-deutscher Kaiser 1711-1740, Gattin Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, zweiter Sohn Leopolds I. und dessen dritter Gattin Eleonore von Pfalz-Neuburg. Wurde 1703 in Wien zum König von Spanien proklamiert (Karl III.), musste aber 1711 nach dem Tod seines Bruders Joseph I. diesem in den Erblanden und im Reich nachfolgen.
In Spanien stärker als in Österreich verwurzelt, führte er in Wien das strenge Spanische Hofzeremoniell ein. Die 1713 erlassene Pragmatische Sanktion, die den Gesamtbestand der Casa de Austria auch in weiblicher Erbfolge festlegte, wurde zur Maxime seines Handelns. Im selben Jahr gelobte er während einer Pestepidemie den Bau einer Kirche, die nach Plänen von J. B. Fischer von Erlach begonnen, jedoch erst 1737 durch dessen Sohn J. E. Fischer von Erlach vollendet wurde (Karlskirche). Anfangs war er auch in seinen Regierungsgeschäften spanisch orientiert; erst ab 1719 gewann die um den Prinzen Eugen gescharte Österreichische Partei an Einfluss. Karl begründete den Spanischen (nachmals Niederländischen) Rat, dem unter anderem Marchese Hieronymus Rofrano (Auerspergpalais) und Erzbischof Graf Folco di Cordona (Strozzipalais) angehörten, und das Spanische Spital (errichtet ab 1718, Anstaltskirche Maria Mercede 1722/1723). Das Eingreifen in den polnischen Erbfolgestreit (1733) führte zwar 1735 zur Anerkennung der Pragmatischen Sanktion durch Frankreich, doch mussten territoriale Umschichtungen in Kauf genommen werden (Verlust beider Sizilien, Preisgabe Lothringens, dessen in die Toskana transferierter Erbe Franz Stephan 1736 mit Karls Tochter Maria Theresia vermählt wurde).
Während die Aussöhnung mit den Wittelsbachern gelang, trieb Karls Politik Preußen an die Seite Frankreichs. In der Reichspolitik vermochte Karl die starke reichsoberherrliche Stellung nicht zu behaupten, weil er den überspitzten zentralistischen Kurs des Reichsvizehofkanzlers Friedrich Carl Graf Schönborn nicht rechtzeitig bremste und die von Prinz Eugen empfohlene Toleranz missachtete. Innenpolitisch gelang es ihm hingegen, den Verschmelzungsprozess der Erblande voranzutreiben, wobei eine energische merkantilistische Förderung von Handel, Bergbau, Industrie und Gewerbe entscheidende Impulse gab. Es kam zum Bau der Semmeringstraße und zum Ausbau des 1731 zum Freihafen proklamierten Triest; Anlage der nach Norden führenden Reichsstraßen (als begradigte Umfahrungsstraßen [ Großjedlersdorf, Jedlesee ] angelegt). In Wien begann eine außerordentlich rege Bautätigkeit (letzte und größte Entfaltung des Barock); unter anderem entstanden die Karlskirche und im Zuge der Erweiterung der Hofburg die Hofbibliothek und die Winterreitschule, außerdem wurde Schloss Schönbrunn ausgestaltet; Prinz Eugen ließ sich das Belvedere erbauen, verschiedene Adelsgeschlechter ließen sich vorwiegend in den Vorstädten neue Palais errichten, nach Wien berufene katholische Orden neue Ordenskirchen. Die Stadt Wien ließ bis 1713 die Innenräume des (ab etwa 1700 umgestalteten) Alten Rathauses künstlerisch ausschmücken und 1731/1732 das Bürgerliche Zeughaus Am Hof umbauen. Das Aussehen Wiens in dieser Zeit wird durch zwei umfangreiche Stichwerke dokumentiert: 1713-1719 die Ansichtenfolge Johann Adam Delsenbachs, 1724-1737 die Kupferstichserien von Johann Andreas Pfeffel, Salomon Kleiner und Johann August Corvinus.
Bauprojekte Karls VI. an der Hofburg
Karl VI. hat in der Hofburg wesentliche Akzente gesetzt: Zunächst ließ er 1717-1719 die Hofkanzlei errichten. 1722-1726 wurde die neue Hofbibliothek auf den Fundamenten eines Reitschulbaues am Rosstummelplatz hochgezogen. Der von Johann Bernhard Fischer von Erlach entworfene und nach dessen Tod 1723 von seinem Sohn, Joseph Emanuel Johann Fischer von Erlach, vollendete, monumentale Prunksaal wurde üppig ausgestattet (Kuppelfresko 1730 von Daniel Gran). Planung und Bau des Reichskanzleitraktes erfolgten ab 1723 zunächst unter Leitung Johann Lucas von Hildebrandts. 1726 in die Obhut des jüngeren Fischer von Erlach übertragen, zielten dessen Planungen auf einen größeren Entwurf, der eine repräsentative Gestaltung der Hofburgfassade zum Michaelerplatz hin vorsah. Die Umsetzung der seitlich durch Kuppelbauten akzentuierten, in der Mitte zurückschwingenden Fassade blieb allerdings stecken (Michaelertrakt). Die Winterreitschule entstand 1729-1735 an Stelle des Lustgartens. Ihr Außenbau krönte die linke Kuppel der Michaelerfassade, die allerdings 1735 als Torso stehen blieb. Grund waren nicht zuletzt einige Privathäuser, die der Vollendung im Weg standen. 1719-1723 entstanden am gegenüber der Hofburg liegenden Rand des Glacis Hofstallungen. Um 1720 ließ Karl VI. die kaiserliche Gemäldegalerie in der Stallburg neu aufstellen. Karl residierte im Leopoldinischen Trakt (Kaiserappartements).
Minerva und Urania huldigen der Statue Kaiser Karls VI. in der Hofbibliothek, um 1737
Hofstallgebäude, Idealansicht, 1725
Reichskanzleitrakt, um 1728
Michaelerfassade, Idealansicht, 1733
Inneres der Winterreitschule, 1895
Der Vergleich der Hofburg 1705 und 1740 zeigt den Umfang der Bauprojekte Karls VI. Auf seinen Bruder und Vorgänger Joseph I. (1705-1711) geht lediglich der Neubau des Südturmes des Schweizerhofes zurück, der hier erkennbar ist. Karl VI. initiierte (von links nach rechts): Hofkanzlei, Reichskanzleitrakt, Winterreitschule, Hofbibliothek. (Rekonstruktionen 2015). |
Literatur
Literatur
- Allgemeine Deutsche Biographie. Hg. von der Historischen Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaften. 56 Bände. Leipzig: Duncker & Humblot 1875-1912
- Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u.a.]. München: A. Francke 1973-1975
- Heinrich Benedikt: Das Königreich Neapel unter Karl VI. Wien: Manz 1927
- Oswald Redlich: Das Werden einer Großmacht: Österreich von 1700 - 1740. Wien [u.a.]: Rohrer 1942
- Stefan Seitschek, Herbert Hutterer, Gerald Theimer (Hrsg.): 300 Jahre Karl VI. 1711-1740. Spuren der Herrschaft des "letzten" Habsburgers. Begleitband zur Ausstellung des Österreichischen Staatsarchivs, Wien 2011
- Karl und Mathilde Uhlirz: Handbuch der Geschichte Österreichs und seiner Nachbarländer Böhmen und Ungarn. 2 Bände. Wien [u.a.]: Leuschner & Lubensky