Glacis

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Parade auf dem Josefstädter Glacis, mittig das Militärgeographische Institut, dahinter die Kirche Maria Treu (1860)
Daten zum Objekt

Glacis, außerhalb des die mittelalterliche Ringmauer umgebenden Stadtgrabens gelegene Wiesenflächen, die infolge der Zerstörung der Lucken vor und während der ersten Türkenbelagerung (1529) entstanden und danach mit Bauverbot belegt worden waren. Die Lucken konnten daher nach dem Abzug der Türken nur teilweise und in größerer Entfernung als zuvor wieder aufgebaut werden. Infolge kaiserlichen Befehls vom 15. März 1588 betrug der Bauverbotsrayon vor der Stadtbefestigung zunächst 50 Klafter (das sind 95 Meter), wurde aber im Lauf der Zeit immer weiter ausgedehnt: am 8. Juli 1632 auf 200 Schritt (150 Meter), am 21. November 1662 auf 200 Klafter (380 Meter) und 1683 auf 600 Schritt (450 Meter); damals mussten auch Weingärten gerodet werden.

Seither verlief der äußere Glacisrand (von Donaukanal zu Donaukanal) entlang der heutigen Straßenzüge Hintere Zollamtsstraße, Invalidenstraße und Am Heumarkt (3.), Brucknerstraße, Karlsplatz und Treitlstraße (4.), Getreidemarkt (6.), Messeplatz und Museumstraße (7.), Auerspergstraße, Friedrich-Schmidt-Platz und Landesgerichtsstraße (8.) sowie Garnisongasse, Schwarzspanierstraße und Berggasse (9. Bezirk); stadtauswärts entwickelten sich die Vorstädte neu.

Am 17. Jänner 1770 ordnete Joseph II. die Regulierung des Glacis an (Anlage von Fußgänger- und Fahrstraßen, Pflanzung von rund 3.000 Alleebäumen ab 1781). Die neuentstandenen Grünflächen wurden dem Magistrat zur Nutzung übergeben. Von der Bevölkerung wurde das Glacis sehr bald als Erholungsgebiet akzeptiert; das beliebteste Glacis war das Wasserglacis, wo Mineralwässer ausgeschenkt wurden. Zur Verbesserung der Sicherheit wurden deshalb von 1776 an Laternen zur Beleuchtung aufgestellt (1786 wurden auch die Vorstädte mit öffentlichen Beleuchtungsanlagen ausgestattet).

Plan 117 aus dem Jahr 1817 aus der Kartographischen Sammlung zeigt die verschiedenen Nutzungen des Glacis auf. Auf dem Plan finden sich auch Flächen für Steinmetze, Holzversilberer, Binder und Wagner. Am Rande des Glacis sind auf dem Plan mehrere öffentliche Einrichtungen verzeichnet, unter anderem militärische Einrichtungen wie die Heumarktkaserne und die Alser Kaserne, das Trautsonpalais als Standort der ungarischen Garde und die k.k. Stallungen. An der Landstraße ist das Johannesspital verzeichnet, das zuerst als Armen- und Versorgungshaus fungierte und ab 1787 als Invalidenhaus Kriegsinvalide beherbergte.

Napoleonische Kriege

Im Zuge der Napoleonischen Kriege hatten sich die Befestigungsanlagen Wiens beim Angriff der französischen Truppen 1809 als weitgehend wirkungslos herausgestellt. In den darauffolgenden Jahren wurde der breite Sperrgürtel, der die Festungswerke umgab, von der Bevölkerung immer häufiger in Frage gestellt. Die militärische Bedeutung des Glacis, wie dieser Grüngürtel genannt wurde, war gering. Gleichzeitig verhinderte das Bebauungsverbot, dass diese günstig gelegenen Flächen einer gewinnbringenden Nutzung zugeführt werden konnten.

Plan 106.195 aus dem Bestand der Plan- und Schriftenkammer im Wiener Stadt- und Landesarchiv zeigt einen Projektplan von 1829/1830, in dem ein Entwurf zur Neugestaltung des südlichen Glacisbereichs (Schubertring bis Stubenring) zu sehen ist. Neben einer detaillierten Darstellung der Befestigungsanlagen ist in schwarzer Tinte die Höhe des Terrains eingetragen, in roter Tinte die Höhe der Mauern und Abhebungen. Erst die genauen Abmessungen machten eine präzise Planung der neuen Anlagen möglich. Der Projektplan zeigt deutlich, dass das Gebiet am Rande des Glacis damals wirtschaftlich intensiv genutzt wurde. Hier befanden sich Mehlmagazine, Holzlagerstätten, Heu- und Strohmarkt und auch der Trödelmarkt, wo Waren in Dutzenden Bretterbuden verkauft wurden.

Wirtschaftliche Nutzung des Glacis

Auf dem Glacis verrichteten auch Gewerbetreibende Arbeiten, die innerhalb des dicht verbauten Stadtgebiets nicht ausgeführt werden konnten. So pflegten Buchdrucker ihre Farbe und Firnissieder ihre Erzeugnisse hier zu bereiten. Außerdem arbeiteten hier Zimmerleute und Steinmetze teils im Freien, teils in provisorischen Scheunen. Zahllose Obst- und Fischweiber, Trödler, Käsestecher und so weiter hatten auf dem Glacis ihre Standeln aufgeschlagen. Salpeter für die Schießpulverproduktion wurde in Saliterhütten gegenüber der Karlskirche gelagert. Seit der Beleuchtung des Glacis ab 1776 finden sich hier auch zahlreiche Lampendepots. Im Verbrennhäusel (etwa 1., Beethovenplatz) wurden außer Kurs gesetzte Banknoten verbrannt. Nach und nach entwickelte sich das Glacis zum beliebten Aufenthaltsort der Wiener, die die schattenspendenden Alleen zum Promenieren aufsuchten; die Bezeichnung Glacis wurde allmählich durch Esplanade verdrängt.

Wiener Hafen

Im Bereich des heutigen Bahnhofs Wien Mitte befand sich der Wiener Hafen. Dieser Hafen des Wiener Neustädter Kanals war Anlegestelle für viele Frachtkähne, die täglich die Stadt belieferten. Verantwortlich für den Bau des Hafenbeckens war die Wiener Neustädter Steinkohlengesellschaft, die ihre in Ödenburg abgebaute Steinkohle dadurch billig in die Stadt transportieren konnte. Von 1794 an wurde das Hafenbassin vor dem Invalidenhaus für mehrere Jahrzehnte intensiv genutzt. Mit der Errichtung eines neuen Hafens im Bereich des späteren Aspangbahnhofs wurde das alte Bassin obsolet und 1857 zugeschüttet.

Die Stadterweiterung nach 1857

Stadtbefestigung: Glacis gegen die Josefstadt, links Votivkirche im Bau, mittig das Landesgerichtsgebäude I, 1859

Mit der im Dezember 1857 von Franz Joseph I. angeordneten Stadterweiterung verschwanden die Glacis rasch und wurden verbaut (Ringstraßenzone); lediglich das Glacis zwischen dem Burg- und dem Schottentor, das Josefstädter Glacis, diente noch über ein Jahrzehnt als Exerzier- und Paradeplatz, bis es 1870 vom Kaiser zur Verbauung freigegeben wurde.

Am äußeren Rand des Glacis entstand 1862-1864 die so genannte Lastenstraße (Äußere Ringstraße), im Volksmund (nach den hier ab 1907 verkehrenden Straßenbahnlinien E2, G2 und H2) im 20. Jahrhundert auch Zweierlinie genannt. Die Kombination ergibt sich daraus, dass Radiallinien, die zusätzlich auch die Ringstraße befuhren, Buchstaben als Signal führten, Rundlinien hingegen Ziffern von 1 bis 9; um eine Unterscheidung zwischen Ringstraße und Lastenstraße vorzunehmen, setzte man den tiefgesetzten Zweier (2) hinter den Buchstaben {Straßenbahnsignale}.

Nach längeren Überlegungen über seine Platzierung wurde in den 1880er Jahren auch das heutige Rathaus, bis in die 1960er Jahre Neues Rathaus genannt, auf dem ehemaligen Josefstädter Glacis errichtet. Im heutigen Museumsquartier befindet sich ein Lokal namens Glacisbeisel.

Literatur

  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 31
  • Walter Hummelberger: Die Befestigungen Wiens. Wien [u.a.]: Zsolnay 1974 (Wiener Geschichtsbücher, 14), S. 47
  • Richard Perger: Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Wien: Deuticke 1991 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 22)