Am Hof
48° 12' 39.83" N, 16° 22' 5.27" E zur Karte im Wien Kulturgut
Geschichte
Am Hof (1), im Mittelalter entstandener Platz innerhalb der römischen Lagermauern. Als Heinrich II. Jasomirgott seine Residenz von Regensburg, wo er bis 1154 seinen Sitz als Herzog von Bayern hatte, nach Wien verlegte (Babenberger, Privilegium minus), errichtete er für sich und seine Gattin Theodora eine Pfalz (vgl. Babenbergerpfalz, heute Am Hof). Die Pfalz bestand aus mehreren Gebäuden, die sich um einen freien Platz gruppierten. Im Nordwesten und Südwesten grenzte die Befestigung des römischen Legionslagers das Pfalzareal ein.
Stadtwärts war das Areal vermutlich durch Tore zur Bürgerstadt (bei der Irisgasse das spätere Reflertor als Zugang zum Herzogsbad im Bereich der heutigen Neubadgasse, ein anderes in Richtung Stadtzentrum und außerdem beim Heidenschuß). Zum Herzogshof gehörten zwei Kapellen, die (Pankrazkapelle, Am Hof 3-4, und die Johanneskapelle im Bereich der heutigen Kirche „Zu den neun Chören der Engel".
Bis spätestens 1280 blieb der "Hof" Residenz, danach fand er anderweitig Verwendung. Er wurde der landesfürstlichen Münze übergeben, die sich bis dahin im Bereich Kammerhof-Münzerstraße (1, Wildpretmarkt-Bauernmarkt) befunden haben dürfte, sie verblieb Am Hof bis Albrecht III. um 1365 die Beschuhten Karmeliter (deren erst 1360 in der ehemaligen "Augustiner-Hofstatt" vor dem Werdertor eingerichtetes Kloster 1364 durch einen Brand zerstört worden war) hierher berief; die "Weißen Brüder zu St. Johann" errichteten anstelle der Johanneskapelle des Münzhofs 1386-1403 eine Kirche, heute Kirche 1, Am Hof bei 13, "Zu den neun Chören der Engel".
Gewerbe und Märkte Am Hof
Der Platz "Am Hof" begann sich um etwa 1280 als Marktplatz zu entwickeln. Davor hatte sich ehemalige Babenberger-Residenz an dieser Stelle befunden, die von den Habsburgern provisorisch genutzt wurde. Nachdem diese ihren neu errichteten Sitz im Bereich der Hofburg bezogen hatten, konnten "Am Hof" Märkte abgehalten werden. Im 14. Jahrhundert gab es Waffengewerbe Am Hof, wie Kurdeweaner und Pergamenter. Als 1386 der Münzhof aufgelassen wurde, wurde der Platz für den allgemeinen Verkehr frei. Ab 1340 (Stadtrecht) wird der Hof als Marktplatz (für Bekleidung) erwähnt, ab 1358 als Weinmarkt, Ende 14. Jahrhundert wird er Sitz des Kleidergewerbes und des Kleiderhandels, ab 1404 sind Haubner (Haubenmacher) nachweisbar, ab 1419 Gewandhütten, auch sogenannte Käufel, Joppner und Mäntler kam hinzu, 1418 die Gewändler. Daneben wurden Fische und Krebse verkauft (Krebsenrichter als Kontrollorgane, Schilderung bei Wolfgang Schmeltzl, 1547). Andere Lebensmittel wie Obst und Gemüse oder Backwaren wurden "Am Hof" ebenfalls angeboten. Im 15. und 16. Jahrhundert diente der Hof als Richtplatz: Am 15. April 1463 wurde hier Bürgermeister Wolfgang Holzer samt einigen seiner Anhänger auf Befehl Albrechts VI. hingerichtet, am 16. Juni 1595 Ferdinand Graf von Hardegg, dem man vorwarf, den Türken "ohne höchste Not" die Festung Raab übergeben zu haben, am 21. Oktober 1597 folgten einige Bauernführer und so weiter.
Ab dem 17. Jahrhundert diente der Platz neben Marktzwecken auch Volksfesten, so endete beispielsweise hier (vor dem Haus des Bürgermeisters) der nach der zweiten Türkenbelagerung üblich gewordene Bäckerumzug.
Durch die Regierungsverordnung aus dem Jahr 1753, die sich eine Bereinigung des Wiener Marktwesens zum Ziel gesetzt hatte, wurde der Grünzeugmarkt an das Schanzl - einen Uferabschnitt der Donau zwischen der heutigen Augarten- und der Schwedenbrücke - verlegt.
1768 wurde der Fischmarkt an den Donaukanal verlegt. "Am Hof" verblieb der Verkauf von Backwaren sowie bis in die Zwischenkriegszeit ein Obstmarkt.
Der Platz, der von der Freyung durch eine Häuserzeile mit einer nur sehr schmalen Verbindungsgasse getrennt war (Heidenschuß, erst 1858 durch Demolierung der beiden Häuser Konskriptionsnummer 236 und 323 verbreitert), hatte auch später noch die Funktion eines Markts, nahm aber auch öffentliche Stellen auf. So wurden zum Beispiel die Bauern, die ihre Waren auf dem Bauernmarkt verkauften, auf andere Plätze verwiesen, unter anderem auf den Platz Am Hof. 1842-1917 wurde Am Hof in der Weihnachtszeit (30. November - 5. Jänner) der Christkindlmarkt abgehalten, später ein Blumenmarkt, 1939-1942 wieder der Christkindlmarkt und 1973 vorübergehend der Flohmarkt. Heute wird zwischen März und Weihnachten zu den Wochenenden der Antiquitätenmarkt abgehalten.
Verwaltungseinrichtungen
Neben dem Unterkammeramt (Gebäude), Am Hof 9, in dem sich lange Zeit hindurch auch die Bürgermeisterwohnung befand, finden wir Am Hof auch das bürgerliche Zeughaus (Nummer 10), seit 1935 die städtische Berufsfeuerwehr. Während der Revolution 1848 stand der Platz Am Hof mitten im Geschehen: am 14. März 1848 erfolgte der Sturm auf das Zeughaus, am 6. Oktober 1848 wurde Kriegsminister Theodor Graf Baillet von Latour hier von der Menge erschlagen und auf einer Laterne aufgehängt. Am 1. Juli 1964 wurde unter dem Platz eine Tiefgarage eröffnet. Eine planmäßige archäologische Ausgrabung fand vorher nicht statt.[1] Unweit (1, Bognergasse 11) war der Standplatz der nach Nußdorf zur Dampfbootstation (Richtung Linz-Passau) fahrenden Stellwagen, beim Ledererhof (Nummer 11) jener nach Sievering.
Gebäude
- Nummer 2 (ursprünglich Nummer 17): Altes Kriegsministerium, heute ein Luxushotel Park Hyatt Vienna; davor 1892-1912 das Radetzkydenkmal).
- Nummer 3/4: Adam-und-Eva-Haus (Conskriptionsnummer 319; mit Damenputzwarenhandlung "Zur Irisblume"), Hallweilsches Haus (Konskriptionsnummer 320); mit Seidenhandlung "Zur silbernen Kette") beziehungsweise päpstliche Nuntiatur (Gesandtschaft des Kirchenstaates; hier stand zuvor die Pankrazkapelle; Konskriptionsnummer 321).
- Nummer 5: "Zum Hahnenbeiß" (mit Weiß- und Kurzwarenhandlung "Zum Fürsten Metternich") beziehungsweise "Käsehaus" (Konskriptionsnummer 322).
- Nummer 6 (Heidenschuß 2): Creditanstalt für Handel und Gewerbe (nach dem zweiten Weltkrieg Neubau für die Verbundgesellschaft), ursprünglich Konskriptionsnummer 236 ("Im Kiel", auch "Zum heiligen Geist", Front zum Heidenschuß, vor 1857 Straßengrund), Konskriptionsnummer 323 ("Zum weißen Hasen", vor 1857 Straßengrund), Konskriptionsnummer 324 (ein Teil als "Grädlhaus" bekannt), Konskriptionsnummer 325 ("Zur Stadt Frankfurt"), Konskriptionsnummer 326, Konskriptionsnummer 327 ("Zum goldenen Kreuz") und Conskriptionsnummer 328 ("Zur kleinen Weintraube"; Geburtshaus des Malers Waldmüller, Wohnhaus Beethovens; hier befand sich auch der Scheckelkeller.
- Nummer 7: Hohes beziehungsweise Märkleinsches (auch Puthonsches) Haus (Conskriptionsnummer 329: "Zum schwarzen Rössel", Sterbehaus von Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg), heute in Verwendung der Feuerwehr (auch Feuerwehrmuseum).
- Nummer 8 (Tiefer Graben 6): Schmales Haus (Conskriptionsnummer 330: Altschafferhaus, seit 1899 im Besitz der Familie Kattus).
- Nummer 9: Wasserstadel (Für Löschwasser) beziehungsweise Unterkammeramtsgebäude (Conskriptionsnummer 331; Städtisches Bauamt mit Wohnung des Bürgermeisters; darunter museal gestaltete Baureste des römischen Legionslagers); Dienstwohnung von Josef Georg Hörl
- Nummer 10 (Färbergasse 1): Bürgerliches Zeughaus (Konskriptionsnummer 332); Bellonabrunnen).
- Nummer 11: Ledererhof (Konskriptionsnummer 336-340; darunter Konskriptionsnummer 340: "Zur goldenen Kugel", ursprünglich zwei Häuser, in einem das Marktcafe Nikola).
- Nummer 12: Urbanihaus (Konskriptionsnummer 419) mit dem Urbanikeller.
- Nummer 13: Collaltopalais (Konskriptionsnummer 420) mit der Tabaktrafik des Johann Karl Freiherr von Sothen.
- Bei Nummer 13: Alte Jesuitenkirche ("Zu den neun Chören der Engel"). Inmitten des Platzes steht die Mariensäule; viele der ehemaligen Brunnen ist längst verschwunden.
Pfarrzugehörigkeit bis 1938
Bis 1938 lag die Standesführung in Österreich in den Händen der konfessionellen Behörden. Die Geburts-, Ehe-, und Sterbematriken von katholischen Bewohnerinnen und Bewohnern wurden von der zuständigen Pfarre geführt.
- ab 1863: Pfarre Am Hof
- ab 1908: Orientierungsnummern (ONr.) 6, 7, 8, 9, 10: Pfarre Schotten; Rest: Pfarre St. Peter
Siehe auch: Magistratsabteilung 59 - Marktamt
Video
- Römische Kasernengebäude (Spuren: Wildpretmarkt, Am Hof, Judenplatz, etc.)
Quellen
Literatur
- Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 4 ff.
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 27 ff.
- Ludwig Eberle: Das Kriegskanzleihaus Am Himmel. 1913
- Rudolf Geyer: Handbuch der Wiener Matriken. Ein Hilfswerk für Matrikenführer und Familienforscher. Wien: Verlag des Österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde, 1929
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 460 f.
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur, Wien ²1951 ff (Manuskript im WStLA) 2, S. 217-314
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 1, 3. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 697
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 2. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 217-225
- Hugo Hassinger: Kunsthistorischer Atlas der k.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien und Verzeichnis der erhaltenswerten historischen, Kunst- und Naturdenkmale des Wiener Stadtbildes. Wien: Schroll 1916 (Österreichische Kunsttopographie, 15)
- Alexander Hengl: Festschrift 175 Jahre Marktamt. 2014
- Hubert Kaut: Der Platz "Am Hof", in: Wien aktuell. Revue einer europäischen Metropole. Wien: Jugend & Volk 1/1967, S. 35 ff.
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, Register
- Hans Markl: Die Gedenktafeln Wiens. Wien: ABZ-Verlag 1949, S. 5 f.
- Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008), S. 4 ff.
- Robert Messner: Wien vor dem Fall der Basteien. 1958, S. 30, 107 f.
- Gertrud Moßler: Wien I., Am Hof. In: Fundberichte aus Österreich 8 (1961-1965), Wien 1974, S. 130
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs)
- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 74
- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 57 f.
- Siegfried Weyr: Wien. Magie der Inneren Stadt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1968, S. 30 ff.
- Ilse Lorenz-Wildt: Der Platz "Am Hof" im Wandel der Zeiten. Diss. Univ. Wien. Wien 1942
Einzelnachweise
- ↑ Moßler 1974