Merkleinsches Haus
Merkleinsches Haus (1., Am Hof 7, Tiefer Graben 4; Märkleinsches Haus, Hohes Haus; Konskriptionsnummer 329).
Das Haus erstreckt sich vom Tiefen Graben bis zum Platz Am Hof, an dem es sich als neunachsiger Baukörper mit vier Obergeschoßen und einem Walmdach präsentiert. Diese Hauptfassade weist eine Ortsteinquaderung und einen Mittelrisalit auf. Der Geländeabfall in Richtung Tiefer Graben führt dazu, dass der Bau auf dem Westteil der Parzelle sechs Obergeschoße besitzt. 2005 fand eine Bauuntersuchung im dritten Kellergeschoß sowie im sogenannten zweiten Kellergeschoß statt, das allerdings vom Tiefen Graben aus zu ebener Erde liegt.[1]
Vorgängerbauten
2007 kamen während Ausgrabungen vor dem Haus am Platz Am Hof mittelalterliche Bruchsteinmauern zum Vorschein, die andeuten, dass die Hausflucht wohl zu damaliger Zeit weiter im Osten lag, also weiter in den Platz hineinragte. Ihre Beziehung zu den erst im 16. Jahrhundert im Stadtplan erfassten Häusern an dieser Seite des Platzes ist jedoch unklar.[2] Es sind keine mittelalterliche Mauern aus dem Inneren des Hauses bekannt. Die Grundbücher des Kaiserspitals, das die Grundherrschaft über die westlichen Parzellen des Platzes Am Hof inne hatte, sind nicht erhalten. Die Hofquartierbücher des 16. Jahrhunderts nennen anstelle des heutigen Hauses Nr. 7 vier Parzellen, die im 17. und 18. Jahrhundert schrittweise vereinigt worden sind. Die beiden südlichen Parzellen wurden in den späten zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts vom Hofkriegskanzleiregistrator Wolff Hennthaler besitzrechtlich vereint und in der Folge mit dem Haus „Zum schwarzen Rössl“ verbaut. Erst um 1670 entstand auf den beiden nördlichen, unter Caspar Mayr vereinten Parzellen ein neues Gebäude. Das Haus hieß seitdem „Bei der goldenen Weintraube“. Dieses Gebäude gehörte zeitweilig dem Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg, der in diesem Haus starb.
Baubestand der Spätrenaissance
Spätrenaissancezeitlicher Bestand ist an mehreren Stellen des Gebäudes anzutreffen. Im sogenannten zweiten Kellergeschoß, also im Erdgeschoß auf Niveau des Tiefen Grabens, wurden im Bereich der Einfahrt vier spätrenaissancezeitliche Pfeiler mit Plattenrustika vorgefunden. Die nördliche Wand der Einfahrt ist mit Steinplatten verkleidet. Die vier Pfeiler und die steinplattenverkleidete Nordwand bilden eine hochwertige Ausstattung eines Empfangsbereichs. Die Einfahrt ist der südlichen Vorgängerparzelle zuzuordnen. Der Neubau von Wolf Hennthaler an dieser Stelle wird 1639 erstmals in den Hofquartierbüchern detailliert beschrieben. In der Beschreibung fällt der Passus „Vom Tieffengraben 1 gewölbte Einfahrt“ auf. Dass diese eigens vermerkt wurde, dürfte sie als einen besonders bemerkenswerten Raum ausweisen. Plattenrustika als Fassadengliederung wurde in Wien im frühen 17. Jahrhundert an der kaiserlichen Amalienburg eingeführt. Die Einfahrt mit Plattenrustikapfeilern und steinverkleideten Wänden zählt somit zu den außergewöhnlichsten, im Profanbereich erhaltenen Raumschöpfungen dieser Zeit in Wien.[3]
Merkleinsches Haus
1726 vereinigte der Hofkriegsrat Christoph von Merklein die beiden Parzellen. 1727-1730 errichtete Leopold Giessl nach Plänen von Johann Lukas von Hildebrandt das heutige Gebäude. Im Inneren des Hauses ist aus dieser Zeit die mit Stuckdecken versehene Dienstwohnung des Bürgermeisters (fünfachsiger Saal und Anräume) erhalten. Dieser Umbau führte in der zum Tiefen Graben gelegenen Einfahrt aus der Spätrenaissance zu grundlegenden Veränderungen. Sie wurde nach Norden zum heute noch bestehenden barocken Stiegenhaus geöffnet. Die Plattenrustika wurde überdeckt. Auch das dritte Kellergeschoß wurde umgebaut.
Am 4. März 1735 starb der in Bologna geborene Hof- und Theateringenieur der Kaiserin Amalia, Antonio Maria Niccoló Beduzzi, in diesem Haus. Im Jahr 1858 wurde es wiederum umgebaut und es kam zu großen Änderungen im Kellerbereich. Das Haus wurde von der Österreichischen Centralbank erworben, die es jedoch bereits ein Jahr später an die Allgemeine Österreichische Baugesellschaft weiterverkaufte. 1885 war es wieder in Privatbesitz. 1883 wurde eine Gedenktafel (mit Porträtbüste) für den Bürgermeister Johann Andreas von Liebenberg angebracht.
Am 7. Juli 1897 erwarb die "Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe" das Haus, da die Räumlichkeiten im Nachbargebäude Am Hof 6-6A nicht mehr ausreichten. Nach dem Zusammenbruch der Bank wurde es 1935 von der Gemeinde Wien um 150.000 Schilling für die Feuerwehr erworben und 1935/1936 umgestaltet. Das ursprüngliche Am Hof befindliche Portal mit Säulen und Pilastern musste damals den im Parterre untergebrachten Garagen der Feuerwehr weichen. Siehe: Wiener Feuerwehrmuseum
Kriegsschäden
Im Bombenhagel vom 10. September 1944 wurde die am Tiefen Graben liegende Seite von zwei Bomben getroffen. Beim ersten Einschlag wurden das Dach sowie das oberste Stockwerk auf einer Länge von drei Fensterachsen weggerissen. Die zweite Bombe traf die Hausmauer am Gehsteig und beschädigte das Erdgeschoß sowie den ersten Stock und den Keller.
1945 bis heute
Die Fassade des Hauses wurde 1999 restauriert.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
- Schank- und Gasthaus "Zur goldenen (großen) Weintraube"
- Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe
Literatur
- Günther Buchinger, Paul Mitchell, Doris Schön: Wien 1 – Am Hof 7. Fundberichte aus Österreich 44 (2005), S. 644
- Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 28
- Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 4 f.
- Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 10
- Dehio-Handbuch Wien. 1. Bezirk – Innere Stadt. Hg. von Bundesdenkmalamt. Horn-Wien: Berger 2003, S. 624f.
- Das Merkleinsche Haus am Hof in Wien, in: Grimschitz, Hildebrandt, S. 121
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 2. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 276-279
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 20
- Hans Markl: Die Gedenktafeln Wiens. Wien: ABZ-Verlag 1949, S. 5
- Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008), S. 4
- Martin Mosser: Wien 1. Am Hof 7-10. In: Fundort Wien 11 (2008), S. 340
- Robert Mucnjak: Führer durch Alt-Wien. Innere Stadt. Wien: Der Museumsverein Innere Stadt 1980 (Schriftenreihe des Bezirksmuseums, 3), S. 9
- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 74
- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 57 f.