Urbanikeller
48° 12' 41.09" N, 16° 22' 7.13" E zur Karte im Wien Kulturgut
Urbanikeller (1, Am Hof 12), Nobelweinkeller
Der ehemalige Gastronomiebetrieb Urbanikeller war ein "Gesamtkunstwerk“, das den Besuchern einen ganzheitlichen Erlebnisraum und eine Gesamtstimmung anbot, die auch die Darreichung der Speisen und Getränke umfasste.[1]
Die Räumlichkeiten des Urbanikellers wurden 1906 von den Architekten Humbert Walcher Ritter von Moltheim und Robert Oerley im Auftrag des Gastwirts Karl Hipfinger eingerichtet. Moltheim leitete auch die Wiederherstellung der Burgen Liechtenstein und Kreuzenstein (für Hans Josef Graf Wilczek). Der Urbanikeller wurde als vermeintlich typische mittelalterliche Weinstube gestaltet. So wurden eine Säule mit Knospenkapitell eingebaut, an den Wänden durch kleine Säulen gegliederte Bänke mit Kerbschnittornamenten angebracht und wuchtige Eichentische aufgestellt. Außerdem wurden wertvolle Gegenstände wie schmiedeeiserne Tierfiguren (Beleuchtungskörper, Huthaken und Handlaufhalterungen nach Entwürfen von Fritz Herzmanovsky-Orlando), alte Waffen, Vasen, Teller und Krüge ausgestellt. Herzmanovsky-Orlando war auch für heute aufgrund der Mauerfeuchtigkeit nur fragmentarisch erhaltene Wandmalereien verantwortlich.[2] In die Wände sind Kachel der frühen Neuzeit eingelassen. Darüber hinaus stellte man eine Figur des heiligen Urbanus, ein Meisterwerk Grödner Holzschnitzerei, auf.
Der Urbanikeller wurde in Kellerräumlichkeiten einrichtet, die bis in das Spätmittelalter zurückreichen. Der Hauptteil, unter dem Haus Am Hof 12, schließt mittelalterliche Reste ein, entstand aber im Wesentlichen im 17. und 18 Jahrhundert. Ein benachbarter spätmittelalterlicher Kellerraum des Hauses Am Hof 13 wurde mit dem Hauptraum verbunden.
Schon kurz nach der Eröffnung zählte der Urbanikeller zu den Sehenswürdigkeiten Wiens. Er wurde in vielen in- und ausländischen Zeitschriften beschrieben. Der Schriftsteller Karl Hans Strobl setzte ihm in seinem Roman "Die vier Ehen des Matthias Merenus" ein literarisches Denkmal. Zu den vielen berühmten Gästen des Weinkellers gehörten neben Wilczek auch Richard Mayr, Hugo Thimig, Mizzi Günther, Ludwig Ganghofer (siehe Ganghofergasse) und Carl Lafite. Der Urbanikeller ist heute geschlossen und wird nur noch privat genutzt. Sein ursprünglicher Zustand ist aber weitgehend erhalten.[3]
Literatur
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 74
- Günther Buchinger / Bruno Maldoner / Paul Mitchell/ Doris Schön: Baugeschichte und Adaptierung des Urbanihauses, Wien I, Am Hof 12. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, 62/2-3 (2008), S. 170-178
- Dehio-Handbuch Wien. 1. Bezirk – Innere Stadt. Hg. von Bundesdenkmalamt. Horn-Wien: Berger 2003, S. 626f
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 437
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 2, 2. Teil. Wien ²1952 (Manuskript im WStLA), S. 306 f
- Gerd Pichler: Drachenkampf und Avantgarde. Gesamtkunstwerk Gasthaus um 1900. In: Im Wirtshaus. Eine Geschichte der Wiener Geselligkeit. Hg. von Ulrike Spring / Wolfgang Kos / Wolfgang Freitag. Wien: Czernin 2007, S. 94-97
- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 56, 74
- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 58