MuseumsQuartier
48° 12' 11.81" N, 16° 21' 30.99" E zur Karte im Wien Kulturgut
MuseumsQuartier (7., Museumsplatz 1), Museums- und Kulturzentrum im ehemaligen Hofstallgebäude, gehört zum weiteren Areal der Hofburg.
Hofstallgebäude
Karl VI. ließ am Rand des Glacis gegenüber der Hofburg repräsentative Hofstallungen errichten. Der Bau nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach wurde 1719 begonnen und von Joseph Emanuel Fischer von Erlach unter Veränderung des ursprünglichen Plans 1723 vollendet. Das Hofstallgebäude bot Platz für 600 Pferde. 1815 und 1850–1854 wurde es durchgreifenden Umgestaltungen unterzogen und bedeutend erweitert (Trakt an der Mariahilfer Straße). 1853/1854 wurden die barocken Hofstallungen um die hinteren Trakte erweitert, in denen unter anderem die Hofwagenburg, die Winterreitschule sowie die Hofjagd- und Gewehrkammer untergebracht wurden. Das Hofstallgebäude enthielt bis 1918 neben der Hofwagenburg auch die Hofsattelkammer (Sammlung prachtvoller Karossen und Sättel des Hofs; Wagenburg (Schloss Schönbrunn). Die vor dem Gebäude stehende Statue des heiligen Johannes Nepomuk wurde 1760 aufgestellt und 1862 renoviert. Während der Belagerung Wiens durch die Franzosen im Mai 1809 wurde das Hofstallgebäude, von dem aus die Belagerer die Stadt beschossen, stark in Mitleidenschaft gezogen. Am 23. Juni 1809 spielte sich vor dem Hofstallgebäude jener Vorfall ab, der zur Erschießung des Bürgerwehroffiziers Peter Tell führte (im Zuge eines Volksauflaufs vor dem Gebäude, in dem damals österreichische Kriegsgefangene interniert waren). Am Abend des 13. März 1848 kam es vor den Stallungen zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Bevölkerung und Militär. Dasselbe wiederholte sich am 31. Oktober 1848, als einige Radikale beim Burgtor den Einmarsch der kaiserlichen Truppen zu verhindern versuchten, obwohl sich die Stadt bereits ergeben hatte.
Hofstallungen nach Johann Andreas Ziegler, 1780
Blick von der Hofburg mit Entwurf zum Äußeren Burgtor, 1819
Messepalast
Nach dem Ersten Weltkrieg zog 1921 die Wiener Messe in das freigewordene Gebäude ein und benutzte es für die Veranstaltung der Frühjahrs- und Herbstmesse beziehungsweise für Sondermessen ("Messepalast"). In der Zeit des Nationalsozialismus wurden hier Großausstellungen veranstaltet (beispielsweise Sowjetparadies, 1941). 1946, 1958–1962 und 1967–1974 wurde vor dem Gebäude der Christkindlmarkt abgehalten (1947/1948 im Gebäude selbst). 1981–2005 befand sich im Trakt an der Mariahilfer Straße das Tabakmuseum der Austria Tabak AG (Austria Tabakwerke). Im Dezember 1979 wurde zwischen dem Gebäude und der Lastenstraße eine Tiefgarage in Betrieb genommen.
MuseumsQuartier
Seit den 1980er Jahren, als der Auszug der Wiener Messe als gesichert anzusehen war, wurde darüber diskutiert, den Messepalast (Hofstallgebäude) zu revitalisieren, durch Einbauten zu erweitern und zu einem Museumszentrum auszubauen. Es gab verschiedene Vorschläge, für welche Museen das Areal zur Verfügung gestellt beziehungsweise welche sonstigen Aktivitäten hier abgewickelt werden sollten. Aus einer internationalen Ausschreibung ging 1990 das Projekt Manfred Ortner & Laurids Ortner als Sieger hervor, doch war es wegen der vorgesehenen Art der Verbauung bei Politikern, Denkmalschützern, Stadtbildpflegern, in den Medien und in der Öffentlichkeit (insbesondere wegen der teilweisen Errichtung von Hochhäusern [auch eines 60 Meter hohen "Bibliotheksturms"]) von Anfang an so umstritten, dass es lange Zeit zu keiner einhelligen Meinung oder Beschlussfassung in den politischen Gremien kam.
Am 29. März 1995 fiel die Entscheidung zugunsten einer architektonischen Lösung ohne den ursprünglich vorgesehen gewesenen Bibliotheksturm (gegen dessen Bau sich wegen der entstehenden städtebaulichen Optik eine sich verstärkende Opposition ausgesprochen hatte). Das Grundkonzept der Architekten Ortner & Ortner wurde im Oktober 1997 vom Bundesdenkmalamt "zur Kenntnis genommen". Nach dieser Stellungnahme erfolgte am 8. Dezember 1997 der erste Spatenstich (Baubeginn 2. April 1998). Der Bau erfolgte nach dem modifizierten Projekt von Laurids und Manfred Ortner sowie Manfred Wehdorn.
Institutionen
Am 9. Mai 2001 wurde die Kunsthalle eröffnet, am 29. Juni folgte die offizielle Eröffnung des MuseumsQuartiers, jedoch noch nicht die Aufnahme des Gesamtbetriebs. Das mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig im nordwestlichen Teil des Innenhofs (6.800 Quadratmeter) "Stiftung Ludwig" wurde am 15. September, das Leopold Museum im südöstlichen Teil des Innenhofs (6.300 Quadratmeter) am 22. September, das Kindermuseum "Zoom" am 29. September und das Tanzquartier am 3. Oktober 2001 für das Publikum geöffnet. 2001 wurde das Architekturzentrum Wien im heutigen MuseumsQuartier wesentlich erweitert und nach 8 Jahren des provisorischen Ausstellungsbetriebes neu eröffnet.
Die Museen Leopold und Ludwig sind als eigenständige Baukörper an die zur Veranstaltungshalle adaptierte (jedoch in ihrer imperialen Bausubstanz bewahrte) Winterreithalle angebunden, hinter der (in den Maßen zurückgenommen) die neue Kunsthalle errichtet wurde (beide zusammen 4.000 Quadratmeter). Die Fischer'schen Hofstallungen blieben in ihrer Substanz erhalten, die 1852 an diese angefügten "Spangen" wurden hingegen als spätere Zubauten entfernt. Die U2-Station "Mariahilfer Straße" erhielt die Bezeichnung "MuseumsQuartier". In der fertiggestellten Station wurden am 19. Juni drei Skulpturen enthüllt.
Quellen
Literatur
- Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5)
- Hellmut Lorenz / Anna Mader-Kratky [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1707-1835. Die kaiserliche Residenz vom Barock bis zum Klassizismus. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2016 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 3)
- Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4)
- Falk Jaeger: Ortner & Ortner Baukunst. Berlin: Jovis 2016, s.22-27
- August Sarnitz: Wien. Neue Architektur 1975-2005. Wien / New York 2003, S. 86 ff. (einschließlich benachbarter Wohnhäuser)
- Salzburger Nachrichten, 16.10.1998
- Standard, 31.10.1997 und 1./2.11.1997, S. 17
- Falter. 1990
- Elfriede Faber: Mariahilf und Neubau. Zaltbommel: Europäische Bibliothek 1989 (Wien in alten Ansichtskarten), S. 104
- Wolfgang Mayer: Spittelberg. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Wiener Bezirkskulturführer, 27), S. 35 f.
- Rathaus-Korrespondenz. Wien: Presse- und Informationsdienst 14.11.1979 (Tiefgarage)
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1895]). Cosenza: Brenner. Band 3, 1967, S. 345 ff.
- Thomas Zacharias: Joseph Emanuel Fischer von Erlach. Wien: Herold 1960, S. 77 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2. - 21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 199
- Hans Rotter: Neubau. Ein Heimatbuch des 7. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Dt. Verlag für Jugend und Volk 1925, S. 52 ff.
- Albert Starzer: Zur Baugeschichte der Hofstallungen. In: Monatsblatt des Altertums-Vereines zu Wien. Wien: Alterthumsverein zu Wien 1884-1918. Band 7, 1903, S. 10 f.