Herbersteinpalais
Herbersteinpalais (1, Herrengasse 1-3, Schauflergasse 2; CNr. 25). Das Dietrichsteinpalais (errichtet 1815 durch Josef Karl Graf Dietrichstein), in dem 1847 das Café Griensteidl begründet wurde, kam 1861 in den Besitz der Grafen Herberstein. Nachdem Carl König bereits 1894 den Auftrag für einen Neubau erhalten hatte, nahm er diesen (nachdem das Kaffeehaus geschlossen worden war) 1897 tatsächlich in Angriff.
Die repräsentative Fassade, die sich an der gegenüberliegenden Hofburg orientierte, und die ursprünglich die Ecke krönende Kuppel riefen Kritiker auf den Plan. In seiner Sitzung vom 21. Oktober 1898 befasste sich auch der Wiener Gemeinderat mit der Kuppelfrage. Der Gemeinderat und Architekt Rudolf Mayreder referierte über die komplexe Sachlage und regte mit der Rückendeckung von Bürgermeister Dr. Karl Lueger an, juristisch gegen die Kuppel vorzugehen, da der Bauherr Joseph Graf Herberstein eine protokollarische Erklärung unterzeichnet habe, von der ursprünglich geplanten Errichtung einer Kuppel Abstand zu nehmen, als Gegenleistung für einen niedrigen Grundstückspreis, den die Gemeinde Wien für die Beanspruchung von rund 20 m² öffentlichem Grund durch die Vorverlegung der Baulinie (als Risalitgrund) gewährt hatte.
Zunächst meldete die Gemeinde Wien jedoch Rekurs gegen die Entscheidung der Baudeputation für Wien an, wonach die Kuppel als nicht störend befunden wurde. Dieser Rekurs wurde jedoch vom Ministerium des Innern als zuständige Instanz abgewiesen. Es folgte eine Beschwerde beim k.k. Verwaltungsgerichtshof und die Einbringung einer Feststellungsklage gegen Joseph Graf Herberstein, dass dieser nicht berechtigt sei, auf seinem Haus eine Kuppel oder einen kuppelähnlichen Bau zu errichten. Der Verwaltungsgerichtshof befand das Zustandekommen der Kuppel als rechtswidrig und erkannte auf Abtragung der Kuppel.
Nach einem zwei Jahre dauernden Rechtsstreit schlossen die Gemeinde Wien und Graf Herberstein einen Vergleich, in welchem sich Herberstein gegen Duldung der Kuppel seitens der Gemeinde zu einer Zahlung von 3000 fl. in einen Armenfonds der Stadt Wien verpflichtete.
Noch ein Jahrzehnt nach dem Rechtsstreit wies Adolf Loos, dessen Looshaus sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindet, auf den schweren konzeptionellen Fehler hin, in Sichtweite der Michaelerkuppel einen weiteren, nicht zur Hofburg gehörigen Kuppelbau zu errichten.
1927 zog die Girozentrale der österreichischen Genossenschaften in das Haus ein. 1936 wurde die Dachzone nach Plänen von Felix Nemecic vereinfacht und die Kuppel abgetragen. 1951 erwarb die Genossenschaftliche Zentralbank das Palais und ließ es restaurieren. Am 6. Jänner 1990 verlegte die Zeitung „Standard" hierher ihre Redaktion, im selben Jahr wurde auch wieder ein Café Griensteidl eröffnet.
Quelle
- Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 21. Oktober 1898. In: Amtsblatt der Stadt Wien, 25.10.1898 (Nr. 85), S. 2723 ff.
- Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 1. Februar 1900. In: Amtsblatt der Stadt Wien, 6.2.1900 (Nr. 11), S. 271 ff.
Literatur
- Rupert Feuchtmüller: Die Herrengasse. Wien [u.a.]: Zsolnay 1982 (Wiener Geschichtsbücher, 28), S. 29 ff.
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 46
- Der Bautechniker, Heft 42 (1898), S. 872
- Der Bautechniker, Heft 119 (1900), S. 119