Adolf-Loos-Stadtführung (13. Dezember 1913)

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Batthyánypalais, Herrengasse 19, um 1890
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Stadtführung
Datum vonDatum (oder Jahr) von 13. Dezember 1913
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 13. Dezember 1913
Thema Architektur
VeranstalterVeranstalter Adolf Loos
Teilnehmerzahl
Gewalt Nein
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  360251
GNDGemeindsame Normdatei
WikidataIDID von Wikidata
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Letzte Änderung am 20.09.2022 durch WIEN1.lanm09mur
BildnameName des Bildes Herrengasse 19.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Batthyánypalais, Herrengasse 19, um 1890

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Es handelt sich um die fünfte von zehn Stadtführungen, die Adolf Loos im Rahmen seiner Bauschule zwischen November 1913 und März 1914 veranstaltete.

Transkription der Mitschrift

"Wenn man die wunderschöne Kuppel über der Reitschule betrachtet und die umstehenden Häuser, wie sie sich derselben anpassen, begreift man, muss man begreifen, warum das Haus am Michaelerplatz so gebaut wurde und wie falsch dagegen das Herberstein'sche Haus mit seiner "Burg"-Ähnlichkeit und Kuppel auf dem Platze ist.-

Die Herrengasse war als Verbindungsweg vom Kahlenberg zu Wien gedacht. Ehe die Oper gebaut war, sah man von der Herrengasse aus, durch den Torbogen, der nach dem Josefsplatz führt, die Karlskirche.

In der Herrengasse das Palais Nr. 5 gehört dem Grafen Wilczek, 1750 gebaut,

das Modenenserpalais (gehörte dem Fürsten von Modena) erbaut 1810, im Vestibül sehr dicke toskanische Säulen, der kolossalen Spannweite wegen. Ionische könnte man nicht so verdicken.

Nr. 9 Fürst Clary, interessant sind die beiden gusseisernen Parapete an je einem Fenster, alle Verzierungen sind aus Stein, nur die Bandornamente sind aus Stuck, aber die halten noch!

Nr. 11 die Statthalterei 1845 erbaut. Der Architekt hieß Sprenger. Mit diesem Bau wurde die Tradition verlassen.

Nr. 13, das Landhaus, 1837 von Ludwig Pichl gebaut, es ist wohl keine Heldentat, aber doch gut und wir können froh sein, dass wir es haben. In der Zwischenzeit 1837-1845 begann die Verwilderung.

Das Niederösterreichische Landhaus von der Strauchgasse aus gesehen, um 1905

Aber viel besser als das Landhaus ist Nr. 15, das Loos sich direkt als Vorbild für sein Haus genommen hat. Es ist sehr schön und fein in der Zusammenfassung von Parterre und Mezzanin, während der obere Teil ganz einfach ist und der Dachstuhl ganz verflachend verläuft.

Nr. 17, die österreichisch-ungarische Bank 1823 erbaut sehr schön. Am wunderschönen Portal ist der griechische Einfluss am stärksten. Damals wurde das Erechtheion ausgegraben, so erklärt sich der reine schöne Einfluss darauf.- Die Tischlerarbeiten an den Toren sind herrlich.- Erbaut wurde es von Charles de Moreau.-

Café Central, 1860- von Ferstl für die Unionbank und als Fruchtbörse gebaut.-

Gebäude der Nationalbank, heute Palais Ferstel, 1870

In der Bankgasse das Palais Batthyany von Fischer von Erlach. Es ist das typische Wiener Palais. Die Stiege ist wunderschön, geradezu mustergültig, wie eine einarmige Stiege angelegt sein soll. Der Pfeiler in der Mitte, der Zwischenraum einmal voll, unten der umgekehrte.

Nr. 3 Anbau an das schöne 17er Haus vom Dombaumeister Schmidt. Deutsche Renaissance.

Nr. 4 Ungarische Hofkanzlei 1767-84 erbaut, später umgebaut. Sehr gut. Architekt unbekannt.

Unterrichtsministerium. Früher Palais Starhemberg 1683, im 19. Jahrhundert umgebaut.- Das Geländer der Hauptstiege ist das modernste das wir haben. Wunderbare Bronzenarbeit, wunderbare Ziselierung, die Mischung von Lack und Bronze sehr fein. Es ist das richtige Hoteltreppengeländer. Die Bildhauerarbeiten sind alle mustergültig. Es sind entschieden die besten, die wir in diesem Stil, den die Engländer Adamstil nennen, besitzen.

Minoritenplatz Nr. 2 Palais Dietrichstein.

Minoritenplatz Nr. 4 Palais Liechtenstein, das einzige nicht Wiener Barockgebäude. Es ist ein rein italienischer Bau; er ist zu ernst, zu grandios, zu streng für die Wiener. Die haben immer nur witzige geistreiche Einfälle gehabt, so einen ernsten, grandiosen Bau haben sie nicht durchführen können. Er ist von Martinelli fast vollständig aus Stein ausgeführt. Die Profilierung des Hauptgesimses ist wunderbar. Man muss an diesem Palast immer mit Andacht vorbeikommen.-"

Kommentar

Im Zuge der fünften Führung zu Architektur und Städtebau besprach Adolf Loos ausgehend vom Michaelerplatz barocke Palais sowie Verwaltungsgebäude in der Herrengasse. Ein Gang durch die Bankgasse zum Minoritenplatz beendete das Programm.

Den Auftakt bildete eine ästhetische Rechtfertigung seines Hauses auf dem Michaelerplatz Looshaus in Gegenüberstellung zu dem von Loos mehrfach attackierten Herbersteinpalais des Architekten Karl König. Hauptsächlicher Angriffspunkt am 1897 errichteten Palais Herberstein war die Wiederholung architektonischer Motive (rustizierter Sockel; Kuppelaufbau), die vom benachbarten Michaelertrakt der Hofburg stammen sowie deren Wiederverwendung in einem selbständigen Bau, der nicht zum Burgensemble gehört.

Auf dem Weg durch die Herrengasse erläuterte Adolf Loos das in die Zeit Karls VI. zurückreichende städtebauliche Konzept einer quer durch die Innenstadt verlaufenden Avenue, welche die Karlskirche als perspektivisches Ziel hatte. Loos selbst hatte in seinem 1912 erstellten Stadtregulierungsplan ausgehend vom Bauzustand von 1859 dieses barocke Projekt durch Entfernung und Neusituierung des Operngebäudes in einer städtebaulichen Utopie realisiert.

Im Folgenden besprach Adolf Loos anhand konkreter Gebäude in der Herrengasse die architektonische Entwicklung vom Barock über den Klassizismus bis zum Historismus. Einen ersten eklatanten Bruch in der barock-klassizistischen Tradition, an welche Loos seine Studierenden heranführen wollte, war das Statthaltereigebäude von Paul Sprenger. Die Fassade lässt nicht mehr die bedingt durch die Verwendung der dahinterliegenden Räume entstehende Gliederung in je nach Nutzung unterschiedlich hohe Haupt- und Nebengeschoße erkennen, sondern behandelt alle Geschoße egalitär, der Bau wird von der Fassade in den Innenraum entwickelt. Der Raumplan, den Loos ab 1910 nach und nach für seine Wohn- und Geschäftsbauten entwickelt hatte, knüpft genau an die Idee einer zweckorientierten Raumhöhe an, wobei sich die Fassadengestalt direkt aus den Erfordernissen des Innenraumes ableitet.

Wie eng Loos sich in seinem eigenen Werk an vorhistoristische Architekturtraditionen anlehnt, zeigte er in seiner Besprechung des Hauses Herrengasse 15. Dabei handelt es sich um ein 1839 von Leopold Mayr als Nebengebäude der Österreichischen Nationalbank errichtetes Haus, dessen bauliche Gliederung (Zusammenfassung von Erdgeschoß und Mezzanin im Sockel, glatt verputzte Obergeschoßzone, markantes Hauptgesims, sehr flach verlaufendes Dach) Adolf Loos nach eigenen Aussagen als direktes Vorbild für sein Haus auf dem Michaelerplatz Looshaus gedient hatte.

Herrengasse 15, 1940


Wiederholt charakterisierte Loos Gebäude durch die Reduktion auf markante Elemente, die ihm besonders erwähnenswert erschienen und lenkte didaktisch geschickt den Blick darauf. So wurde in Zusammenhang mit dem Palais Modena ausschließlich die Einfahrt besprochen, die Vorstellung des Palais Clary-Mollard auf die an der Fassade verwendeten Materialien reduziert und das Gebäude der Oesterreichischen Nationalbank ausschließlich auf den Grad der Antikenrezeption an diesem klassizistischen Gebäude hin untersucht, wobei Loos mit der zeitgenössisch stattfindenden Erforschung des Erechtheions auf der Akropolis einen konkreten Bezugspunkt anbot.

Das Batthyánypalais besichtigte Loos mit seinen Gästen auch im Inneren. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf eine Stiege gelegt, welche Loos als vorbildlich präsentierte. Es handelt sich dabei nicht um die architektonisch imposante, im 19. Jahrhundert umgebaute und erst im Zuge einer Sanierung um 2018 wieder nach dem barocken Original hergestellte Prunkstiege im Bauteil Bankgasse 2, sondern um eine Treppe, die sich im Haus mit der Konskriptionsnummer 57 (heute Schenkenstraße 10) befand, welches durch Kauf ebenfalls in den Häuserkomplex von Eleonore Gräfin Batthyány integriert wurde. Die Besonderheit dieser einarmig verlaufenden Stiege besteht darin, dass sämtliche Teile aus massivem Naturstein hergestellt wurden und die steinsichtige Unterseite der Treppe jeweils gestalterisch in das Ensemble einbezogen wurde. Der Bau befand sich zum Zeitpunkt der Loos-Exkursion im Besitz des Karl Fürst-Batthyany’schen Fideikommisses und wurde 1925 vom Niederösterreichischen Bauernbund erworben. Das heute als "Figlhaus" bezeichnete Bauwerk dient der kirchennahen Akademie für Dialog und Evangelisation als Sitz. Der Komplex Herrengasse 19 und Bankgasse 2 war zu Loos' Zeiten als Hotel Klomser öffentlich zugänglich. Nur wenige Monate vor der Exkursion hatte sich dort Oberst Alfred Redl nach Enttarnung seiner Spionagetätigkeit erschossen.

Bankgasse 2, Portal des Palais Batthyány, 1894
Batthyánypalais, Bauteil Schenkenstraße 2/Bankgasse

Das gegenüberliegende Bauwerk (Bankgasse 3) konnte Loos schlechterdings nicht übergehen: Der Architekt, der das ebenfalls als Erweiterungsbau der Oesterreichisch-Ungarischen Bank 1872–1873 errichtete Palais geplant hatte, war Dombaumeister Friedrich Schmidt, den Loos schätzte. In seinem 1898 veröffentlichten Essay "Das Prinzip der Bekleidung" bezeichnete Loos Schmidt als "glücklichsten" Architekten, da er meistens große Institutionen als Bauherren hatte, die ihn seine Pläne ohne Einschränkung verwirklichen ließen. Loos weist ausdrücklich darauf hin, dass Schmidts Bauwerk der deutschen Renaissance entlehnt ist, was für Wiener Verhältnisse insofern eine Besonderheit darstellte, da sich die Wiener Neorenaissance zumeist an italienischen Vorbildern orientierte. Diese Eigenart Schmidts scheint auch bei den Arkadenhäusern im Rathausviertel auf, die er mit Franz von Neumann errichtet hatte.

Bankgasse 3, Aufriss des Portals von Friedrich Schmidt

Wenige Aussagen sind zum Palais der Ungarischen Hofkanzlei überliefert. Wenn Loos als Beginn das Jahr 1767 angibt, so bezieht sich dies auf den Bauteil Bankgasse 4, der zur genannten Zeit von Nikolaus Pacassi umgestaltet wurde. Das Gebäude hatte jedoch einen wesentlich älteren Kern, der auf Johann Bernhard Fischer von Erlach zurückgeht. Der angrenzende Bauteil Bankgasse 6 wurde von Franz Anton Hillebrand mit dem Nachbarhaus hinter eine einheitliche Fassade gebracht, welches das von Loos angegebene Jahr 1784 als Abschluss markiert. Dass Loos hier weder den von ihm so geschätzten Fischer von Erlach, noch Nikolaus Pacassi oder dessen Nachfolger Hillebrandt als Beteiligte benennen konnte, dürfte auf eine entsprechende Lücke im Quellenmaterial, das Loos benutzte, zurückzuführen sein.

Möglicherweise konnte Loos auch das Starhembergpalais (1, Minoritenplatz) von innen besichtigen, da die Mitschrift sehr detailreich auf die Ausstattung und Gestaltung der Hauptstiege eingeht. Loos arbeitete für die angehenden Architekten sofort die Verwendbarkeit einzelner Teile – wie etwa das Geländer– für moderne Gebäude, beispielsweise Hotels heraus. Der Umbau des Palais, der im 19. Jahrhundert erfolgte, war Adolf Loos bekannt, wir wissen jedoch nicht, ob Loos darunter ausschließlich den Beitrag von Alois Pichl verstand oder auch um die 1895 erfolgte Integrierung des Palais Festetics wusste, durch welche das bis dahin außermittig gelegene Portal in die Mitte kam. Einmal mehr beurteilte Loos als Sohn einen Steinmetz und Bildhauers die plastische Ausschmückung des Gebäudes, die er nach dem klassizistischen Architekten Robert Adam (1728–1792) als "Adam Stil" bezeichnet.

Palais Starhemberg, um 1900
Stiegengeländer im Starhembergpalais, um 1905

Auf dem Minoritenplatz wird noch der von hier aus sichtbare Teil des Palais Liechtenstein besprochen. Mit Blick auf das hier von Johann Lucas von Hildebrandt eingefügte Portal, welches den Ernst und die monumentale Strenge des Bauwerks, wie es von Domenico Martinelli erdacht war, Loos zufolge stört, charakterisierte dieser die Wiener Barockarchitektur: Sie sei zwar witzig und geistreich, hätte aber einen Bau wie dieses Palais nicht hervorbringen können.

Seitenportal des Liechtensteinpalais auf dem Minoritenplatz, um 1860

Das benachbarte Dietrichsteinpalais wird nur namentlich erwähnt, die Mitschrift enthält keine Ausführungen dazu.

Zur sechsten Führung

Quelle

  • Mitschrift zu Stadtführungen im Rahmen der Bauschule Adolf Loos. Wien, 1913-1914 / Wienbibliothek im Rathaus, ZPH 1442, schriftlicher Teilnachlass Adolf Loos, 1.4.20, Blatt 11-12

Literatur

  • Harald Stühlinger: Adolf Loos als Führer zu Architektur und Städtebau. In: Adolf Loos. Schriften, Briefe, Dokumente aus der Wienbibliothek im Rathaus. Hg. von Markus Kristan, Sylvia Mattl-Wurm und Gerhard Murauer. Wien: Metroverlag 2018, S. 223 f.
  • Burkhardt Rukschcio / Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk. Salzburg: Residenz Verlag 1982, S. 187 ff.
  • Franz Glück (Hg.), Adolf Loos. Sämtliche Schriften, Bd. 1. Wien: Herold 1962
  • Josef Lenobel (Hg.), Das Buch der Häuser und Hausbesitzer Wiens, 1. Bezirk. Wien: Verlagsbuchhandlung Josef Lenobel 1908
  • J. Wolfgang Salzberg, Häuserkataster der Bundeshauptstadt Wien, I. u. II. Bezirk. Wien: Moritz Perles 1927