Clary-Mollard-Palais
Clary-Mollard-Palais (1., Herrengasse 9, Konskriptionsnummer 28).
Hier befand sich ursprünglich (noch vor 1435) das Haus der Herren von Stubenberg. 1440 kaufte das Haus der Edle Jörg Pruckner (Prugkner) und brachte es entsprechend seinem Testament vom 8. Oktober 1466 in eine Stiftung zugunsten der Pfarrkirche St. Michael ein (ab 1548 wohnte hier der Pfarrer von St. Michael, Valentin Sixtl, der sich jedoch nicht um dessen Erhaltung kümmerte).
1563 verkauften die Stiftungskuratoren Christoph und Oswald von Eytzing das Freihaus an den Oberstallmeister und Kämmerer Peter von Mollard. Die Familie Mollard entstammte aus einem alten burgundischen Geschlecht. Peter von Mollard wurde 1571 in den Freiherrenstand erhoben.
1601 wird der Kämmerer Rudolfs II., Ernst von Mollard, genannt, der als Gönner und Stifter der Kapuziner zu St. Ulrich bekannt geworden ist; er räumte 1608 das Gebäude den Jesuiten als Quartier ein; dass diese im Haus 1632 ein Konvikt einrichteten, ist ein weitverbreiteter Irrtum. 1611 beanspruchte Ernst von Mollard das Haus wieder für sich. 1691 wurde das Gebäude in der Herrengasse zu einem Fideikommiss der gräflichen Familie Mollard gemacht.
1696-1698 entstand ein barocker Neubau mit prächtiger Fassade. Welcher Architekt diesen für den Landmarschall von Niederösterreich, Max Reichsgraf von Mollard (der 1683 eine ehrenvolle Mission für Leopold I. im belagerten Wien durchgeführt hatte), erbaut hat, ist unbekannt (keinesfalls Domenico Martinelli, dessen Pläne unausgeführt blieben, vielleicht Egidio Rossi, dem das Palais Caprara in der Wallnerstraße zugeschrieben wird, jedenfalls aber unter Mitwirkung von Christian Alexander Oedtl, der später noch für die Familie Mollard arbeitete). Es entstand eines der beachtlichsten Bauwerke des ausgehenden 17. Jahrhunderts. 1733 wurden durch Johann Lukas Hildebrandt Reparaturarbeiten durchgeführt.
Als das Geschlecht der Familie Mollard im Mannesstamm erlosch, verkaufte man den Palast am 29. September 1760 an Franz Graf von Clary-Aldringen (* 1706, † 21. Juni 1788 in diesem Palais), ein auf Hieronymus Clary zurückgehendes Geschlecht (die Clary kamen aus Friaul, die Aldringen wurden unter Wallenstein berühmt). Bedeutendstes Mitglied dieser Familie war der von Kaiserin Maria Theresia zum Obersthof- und Landjägermeister ernannte Franz Wenzel Graf von Clary-Aldringen. Graf Clary-Aldringen ließ die Fassade und die Prunkräume umgestalten sowie die zartvergoldeten Gitter unter den Fenstern des ersten Stockwerks anbringen. Sein Sohn, Fürst Johann Nepomuk, war Generalhofbaudirektor, sein Enkel Carl war mit Louise Gräfin Chotek verheiratet und besaß eine der wertvollsten Privatbibliotheken Wiens.
1846 (zur selben Zeit wurde das Nachbarhaus Herrengasse 11, in dem die Polizei-Zensur-Hofstelle untergebracht gewesen war, abgerissen und durch den Neubau von Paul Sprenger für die Niederösterreichische Statthalterei ersetzt) und 1879-1881 (Umgestaltung der Fassade) kam es zu Umbauten.
Ab 1903 befand sich die Königlich-Bayerische Gesandtschaft als Mieter im Haus.
Niederösterreichisches Landesmuseum
1923 übersiedelte das Niederösterreichische Landesmuseum (dessen Gründung bereits 1886 angeregt worden war, das jedoch erst am 18. Dezember 1911 im Caprarapalais, 1, Wallnerstraße 8, eröffnet wurde) in das 1922 von der Niederösterreichischen Landesregierung erworbene Clary-Mollard-Palais. Es bot dem Museum entsprechende Entfaltungsmöglichkeiten bei der Einrichtung von natur- und kulturgeschichtlichen Abteilungen. Seit 1947 ist das Land Niederösterreich auch Eigentümerin des Palais.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Museum am 6. Dezember 1951 wiedereröffnet. Wegen der Bauarbeiten an der U3 (Station Herrengasse) musste das Museum am 1. Juni 1986 vorübergehend geschlossen werden. Die Zeit bis zur Wiedereröffnung (10. Juni 1988) nützte man zu einer Modernisierung der Aufstellung der musealen Bestände. 1997 wurde es geschlossen und nach St. Pölten verlegt.
Außenstelle der Österreichischen Nationalbibliothek
2002 bis 2005 wurde das Palais für die Österreichische Nationalbibliothek adaptiert, um das Globenmuseum und das Esperantomuseum mit der Sammlung für Plansprachen aufzunehmen (Eröffnung 2005).
Quellen
Literatur
- Herrengasse 9 (1250-1988). Vom Adelssitz zum Landesmuseum. Katalog 1988, darin unter anderem: Anna Maria Sigmund: Die Geschichte des Hauses Herrengasse 9 und seiner Besitzer von 1250-1922, S. 9 ff.; Hellmut Lorenz, Wilhelm Georg Rizzi: Zur Planungs- und Baugeschichte des Hauses, S. 64 ff.; Rupert Feuchtmüller: Die Interieurs im Wandel der Zeit, S. 73 ff.; Peter Weninger: Das Niederösterreichische Landesmuseum 1911-1988, S. 76 ff.
- Rupert Feuchtmüller: Die Herrengasse. Wien [u.a.]: Zsolnay 1982 (Wiener Geschichtsbücher, 28), S. 58 ff.
- Viktor Fritsche: Bilder aus dem österreichischen Hof- und Gesellschaftsleben. 1914, S. 305 f.
- Führer durch das Niederösterreichische Landesmuseum. 1953
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 327
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 7, Wien ²1957 (Manuskript im WStLA), S. 100-102
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 474
- Museumsführer, S. 368 ff.