Bauschule Adolf Loos
Die Bauschule Adolf Loos war eine mit Unterbrechungen von 1912 bis 1923 bestehende außeruniversitäre Fortbildungseinrichtung für Studierende bzw. Architekten, die von Adolf Loos geleitet und zugleich als einzigem Lehrenden betrieben wurde.
1912 rief Loos in Reaktion auf die Bitte einiger Schüler Otto Wagners, sich für die Besetzung von dessen vakanter Lehrkanzel an der Akademie der bildenden Künste als Nachfolger zu bewerben, eine eigene Lehranstalt ins Leben: die Bauschule Adolf Loos. Ziel war es, Studierenden oder angehenden Architekten Berufspraxis zu vermitteln, sie an Aufträge heranzuführen und mit seiner Architekturlehre vertraut zu machen. Loos' Architekturtheorie war zu diesem Zeitpunkt kein ausformuliertes konzises Gedankengebäude, es existierte vielmehr verstreut in seinen Schriften und praktisch angewendet in seinen Bauten.
Die Vorträge an der Bauschule standen in Zusammenhang mit zahlreichen öffentlichen Vermittlungs- und Bildungsaktivitäten, die Loos seit dem Beginn seiner Wiener Jahre unternommen hatte. Dazu gehören die 1907 gestalteten Wohnungswanderungen, die ein interessiertes Publikum mit seinen Arbeiten vertraut machen sollte ebenso wie zahlreiche öffentliche Vorträge, die sich nicht allein auf Architektur, sondern auch auf Fragen des täglichen Lebens bezogen. So hatte Loos bereits 1898 am Technologischen Gewerbemuseum Vorträge über Herrenmode gehalten.
Die Administration der Bauschule wurde über Loos' Baukanzlei in der Beatrixgasse abgewickelt, die Vorträge und Kurse fanden in den Unterrichtsräumen von Eugenie Schwarzwald in der Wallnerstraße statt. Loos vermittelte seinen Studenten (Frauen befanden sich nicht darunter) vor allem ein Bewusstsein für Tradition, Form und Material, wozu auch aufwendige mehrwöchige architektur- und kunsthistorische Exkursionen geplant waren. Einige der Vorträge an der Schwarzwaldschule waren auch für die Allgemeinheit zugänglich und fanden regen Anklang, da Loos sich als fesselnder Vortragskünstler bereits einen Namen gemacht hatte.
Sein Lehrprogramm beschrieb der Architekt ausführlich im 1913 publizierten Essay "Meine Bauschule". Loos' Architekturauffassung lag ein organisch-evolutionäres Prinzip zugrunde: Er vertrat die Ansicht, dass sich jede Form und Gestaltung einem menschlichen Bedürfnis verdanke, das sich nicht beliebig durch die Phantasie eines Gestalters wandeln lasse. Lediglich die Zeit dürfe die Form mit der Art der Bedürfnisbefriedigung der Menschen verändern. Eine grundlegende Methode an der Bauschule war gleichsam ein archäologisches Freilegen der antiken, barocken und klassizistischen Traditionen, an die Loos in seinem eigenen Werk anknüpfte.
Loos' weitreichender Traditionalismus hielt ihn jedoch nicht davon ab, Räume zu gestalten, deren zugrundeliegendes Raumkonzept innovativ und revolutionär war: Ab 1910 entwickelte Adolf Loos den sogenannten Raumplan, eine Bezeichnung, die nicht von Loos, sondern von seinem Schüler und Mitarbeiter Heinrich Kulka stammte. Die von Loos geplanten Neubauten bzw. auch einige umgebaute bestehende Häuser weisen kein durchgehendes Geschoßniveau für alle Zimmer, sondern eine dem Zweck des Raumes angemessene Höhe auf. Die Räume fließen über Stufen und kurze Treppenläufe ineinander über. Niedrigere Räume verfügen über Durchblicke oder Durchgänge zu angrenzenden höheren Räumen. Die Fenster sind so über die Außenwand verteilt, wie es die Belichtung der Innenräume erforderlich macht und keinen festen Achsenbeziehungen untergeordnet. Die späten Häuser Haus Rufer, Haus Tristan Tzara (Paris), Haus Brummel (Pilsen), Haus Moller, Haus Müller (Prag) sowie die beiden Doppelhäuser in der Werkbundsiedlung nähern sich immer mehr der kubischen Grundform an, unterstützt durch das von Loos präferierte flache Dach.
Die Umsetzung des Raumplanes, das dreidimensionale Denken, das Lösen des Grundrisses im Raum, die Abkehr vom bloßen Entwerfen diverser Grundrisse bezeichnete Loos als oberstes Vermittlungs- und Lehrziel seiner Schule.
Die allgemein bekannteste Facette in Loos' Denken war die Ornamentlosigkeit des Gebrauchsgegenstandes. Auch hier legte Loos ein evolutionäres Prinzip nahe, wenn er lehrte, dass das Ornament dort, wo es zeitnotwendig verschwunden ist, nicht wieder angebracht werden kann. Erfundene Ornamente halten ästhetisch oft kürzer als das dafür verwendete Material physisch hält, was somit eine Vergeudung von Stoff und Arbeitskraft bedeutet, wogegen Loos zeitlebens besonders in der Auseinandersetzung mit Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte opponierte. Im Gegensatz zu Materialkunde, Konstruktion und Einrichtungsfragen dürfte Loos' Lehre von der Ornamentlosigkeit des Gebrauchsgegenstandes in seiner Bauschule eine nur untergeordnete Rolle gespielt haben. Die Rolle des Ornaments in Zusammenhang mit Bildung und Erziehung (Loos forderte, das jeder schulische Zeichenunterricht von der Kopie des antiken Formenkanons ausgehen solle, um Disziplin im Umgang mit den Formen zu lernen) formulierte der Architekt 1924 in seinem Aufsatz "Ornament und Erziehung".
Das Curriculum an der Bauschule sah umfangreiche Auslandsreisen vor. Die erste Reise, die vom 1. April bis zum 15. Mai 1913 geplant war, sollte die Studierenden mit der antiken griechischen Architekturgeschichte vertraut machen. Neben Besuchen der Sehenswürdigkeiten standen auch die Marmorbrüche von Skyros und Tinos in Griechenland oder Massa di Carrara in Italien auf dem Programm. Die zweite Studienreise war für den April 1914 angesetzt und wäre als Rundreise durch Italien geplant gewesen. Als dritte Reise beabsichtigte Loos im April 1915 eine Städtereise anzubieten, die von Deutschland über Belgien nach England sowie durch Frankreich geführt hätte.
Während diese Auslandsreisen der Bauschule aus finanziellen Gründen sowie bedingt durch den Ersten Weltkrieg nicht realisiert werden konnten, unternahm Adolf Loos für seine Studierenden und interessierte Privatpersonen im Herbst/Winter 1913/14 architektonische Stadtführungen durch die Wiener Innenstadt, bei welchen Loos ausgewählte Bauten kommentierte und ihre Bedeutung für sein eigenes Werk darlegte.
Der Unterricht kam 1915 kriegsbedingt zum Erliegen, wurde jedoch von 1919–1923 fortgeführt. 1930 lebten anlässlich des 60. Geburtstages von Adolf Loos nochmals Pläne auf, die Bauschule wiederzubeleben. Trotzdem sich Karl Kraus, Arnold Schönberg, James Joyce, Valérie Larbaud und Heinrich Mann in einem Aufruf für die Finanzierung stark machten, kam es aus finanziellen und gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu einer Wiederaufnahme von Loos' Lehrtätigkeit.
Zu seinen Schülern bzw. Hörern seiner Vorträge zählen:
Name | Lebensdaten | Ausbildungszeit |
---|---|---|
Felix Augenfeld | 1893-1984 | 1912-1914 |
Otto Bauer (Architekt) | 1897-nach 1965 | 1919-1922 |
Josef Berger | 1898-1989 | 1919-1922 |
Otto Breuer | 1897-1938 | 1919-1920 |
Wilhelm Ebert | * ?, † 1916 | 1912-1915 |
Leopold Ehrmann | 1886-1951 | 1920-1921 |
Paul Engelmann | 1891-1965 | 1912-1915; 1919-1921 |
Guiseppe de Finetti | 1892-1952 | 1912-1915; 1919-1920 |
Leopold Fischer | 1901-1975 | 1920-1922 |
Ernst Ludwig Freud | 1892-1970 | 1912-1915 |
Hans Fritz | 1883-1952 | 1912-1913 |
Hans Glas | 1892-1960 | 1912-1915; 1919-1920 |
Jacques Groag | 1892-1962 | 1913-1915; 1919-1921 |
Alfred Grünewald | 1884-1942 | 1912-1914 |
Robert Hlawatsch | 1899-? | 1920-1923 |
Heinrich Kulka | 1900-1971 | 1919-1922 |
Zlatko Neumann | 1900-1979 | 1919-1922 |
Richard Neutra | 1892-1970 | 1912-1915 |
Rudolph Michael Schindler | 1887-1953 | 1912-1914 |
Gustav Schleicher | 1887-1973 | 1912-1915 |
Helmut Camillo Wagner-Freynsheim | 1889-1968 | 1912-1915 |
Rudolf Wels | 1882-1944 | 1912-1915 |
Erich Ziffer | 1883-1942 | 1919-1922 |
Literatur
- Markus Kristan: "Alles durcheinander"- Vorlesungen von Adolf Loos im Seminar seiner Bauschule. In: Markus Kristan, Sylvia Mattl-Wurm, Gerhard Murauer [Hg.] Adolf Loos. Schriften, Briefe, Dokumente aus der Wienbibliothek im Rathaus. Wien: Metroverlag 2018, S. 215 ff.
- Burkhardt Rukschcio / Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk. Salzburg: Residenz Verlag 1982, S. 168-173; 186-190; 239-240; 250-251