Friedrich Schmidt (22. Jänner 1886 Freiherr von), * 23. Oktober 1825 Frickenhofen bei Gaildorf, Württemberg, † 23. Jänner 1891 Wien, Architekt, k.k. Oberbaurat, Dombaumeister.
Biografie
Friedrich Schmidt besuchte ab 1839 das Polytechnikum in Stuttgart und absolvierte von 1840 bis 1843 die Stuttgarter Gewerbeschule. 1843 wandte er sich nach Köln und begann seine Laufbahn als Steinmetz in der dortigen Dombauhütte, an der er bis 1856 als Werkmeister blieb. Im selben Jahr legte er an der Berliner Bauakademie die Baumeisterprüfung ab. Neben der Bautätigkeit am Kölner Dom war Schmidt als Privatbaumeister tätig. 1857 folgte auf Vorschlag von Unterrichtsminister Leo Thun-Hohenstein Schmidt einer Berufung an die Accademia di Belle Arti di Brera nach Mailand. Er erwarb sich als Restaurator zahlreicher mittelalterlicher Kirchen in Oberitalien internationalen Ruf. Durch den Verlust der Lombardei infolge der oberitalienischen Kriege wurden die österreichischen Professoren aus ihren Positionen verdrängt, woraufhin Schmidt nach Wien übersiedelte. Da Friedrich Schmidt jedoch Protestant war und dadurch Nachteile bei der Vergabe von zumeist durch die katholische Kirche finanzierte Sakralbauten sah, konvertierte er 1858 zum Katholizismus.
1859 wurde er zum Professor für mittelalterliche Kunst an der Architektenschule der Akademie der bildenden Künste in Wien ernannt (1865–1891 Leiter einer Spezialschule für Architektur; 1872–1874, 1876–1878 und 1882–1884 Rektor, in den Zwischenjahren Prorektor).
Nach Schmidts Plänen wurden 1860 bis 1862 die Lazaristenkirche, 1863 bis 1866 das Akademische Gymnasium und 1866 bis 1869 die Weißgerberkirche (Othmarkirche) errichtet. 1867 bis 1874 folgten die Brigittakirche (20), 1868 bis 1875 die Fünfhauser Kirche (Maria vom Siege), 1877/1878 die Severinkirche sowie 1883 bis 1889 die Weinhauser Kirche.
Als Dombaumeister Leopold Ernst 1862 starb, übertrug man Schmidt dessen Amt. Seine bedeutendste Leistung in diesem Amt war die Erneuerung der Turmspitze des Stephansdoms; diese war 1839 durch Paul Sprenger wegen Bauschäden, die infolge eines Erdbebens aufgetreten waren, abgetragen und unter Verwendung eines Eisengerippes erneuert worden. Da sich diese Konstruktion aufgrund des zu großen Gewichtes als nicht zweckmäßig erwies, wurde die Turmspitze von Leopold Ernst 1860 neuerlich abgetragen und nach dessen Tod von Schmidt in alter Form aus Stein wiederaufgebaut. Schmidts Hauptaufgabe am Stephansdom war die mehr als 30 Jahre in Anspruch nehmende Restaurierung des Domes, insbesondere die Rekonstruktion des Südturms und des Westwerks.
Wenige Jahre später beteiligte sich Schmidt mit seinem Projekt "Saxa loquuntur" an der Konkurrenzausschreibung für das neue Rathaus (für das zu dieser Zeit noch ein Platz gegenüber dem Stadtpark vorgesehen war, siehe Communalloch), erhielt den ersten Preis und damit den Bauauftrag. Bürgermeister Cajetan Felder setzte die Transferierung des Projekts auf den bis 1869 von einer Verbauung ausgenommenen Exerzier- und Paradeplatz auf dem Josefstädter Glacis durch, musste Schmidt allerdings mühsam von den Vorteilen des neuen Bauplatzes und der repräsentativeren Umgebung (Parlament, Universität, Burgtheater) überzeugen. Am 25. Mai 1872 erfolgte der erste Spatenstich, am 14. Juni 1873 die Grundsteinlegung und am 12. September 1883 die Schlusssteinlegung.
Zu Schmidts weiteren Werken in Wien zählen das Verwaltungsgebäude der Oesterreichisch-ungarischen Bank (1., Bankgasse 3; 1873–1875), das Sühnhaus (an der Stelle des 1881 abgebrannten Ringtheaters; 1882–1885; 1945 beschädigt, 1951 abgerissen) und die Weinhauser Kirche (1883–1889). Im Rathausviertel baute er die Häuser Rathausplatz 2–4 und 7–9 (1873–1882). Zahlreiche seiner Bauten stehen in anderen österreichischen Bundesländern (Reromanisierung der Stiftskirche Klosterneuburg 1874–1891), in Deutschland (Kirche in Schwäbisch-Gmünd, südliches Querschiff des Kölner Doms) und in Wittingau (Třeboň/Wittingau; Gruftkapelle der Fürsten Schwarzenberg, 1875–1877).
Als Architekt gelang Friedrich Schmidt der Aufstieg zum bedeutendsten Sakralarchitekten der Donaumonarchie. Trotzdem Schmidt ein puristischer Vertreter des strengen Historismus war, flossen in sein Werk immer wieder Elemente aus der Romanik oder Renaissance beziehungsweise des Barock ein und er vereinte diese mit den gotischen Elementen zu fein ausnuancierten Stilkompositionen. Durch seine ausgedehnte Lehrtätigkeit zog Schmidt mehrere Architektengenerationen heran, aus der "Schmidt-Schule" gingen bedeutende Vertreter des Späthistorismus hervor wie Franz von Neumann, Viktor Luntz, Alexander Wielemans oder Carl König
Auch fungierte er als Mitglied der Zentralkommission für die Erhaltung der Baudenkmale (1860–1891), Ausschussmitglied des Altertums-Vereins (1862–1864), Gemeinderat (1866–1870), Präsident des Künstlerhauses (1886–1888) sowie Herrenhausmitglied (ab 1886). Friedrich von Schmidt war Ehrenbürger der Stadt Wien (6. September 1883).
An den Architekten erinnern das Denkmal von Carl Kundmann an der Ostseite des Stephansturms (enthüllt 14. Juni 1894) und die Büste auf der Wandkonsole vor dem Festsaal des Rathauses (ebenfalls von Kundmann). Gedenktafeln finden sich am Stephansdom und in 17., Andergasse 8 (enthüllt 8. Mai 1960); weiters ist er Namensgeber für den Friedrich-Schmidt-Platz und das Schmidtdenkmal.
Sein Grabdenkmal von Viktor Luntz wurde am 29. Oktober 1892 enthüllt.
Quellen
- Wienbibliothek Digital: Schmidt, Friedrich von
- Wien Museum Online Sammlung: Werke von Friedrich von Schmidt
- Wien Museum Online Sammlung: Friedrich von Schmidt als Bildmotiv
Literatur
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- Jürgen Rath: Burgenrestaurierungen und Schloßarchitektur im Werk Friedrich Schmidts 1825–1891. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Wien: Universität Wien 1999
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Friedrich von Schmidt im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.