Klosterneuburg
Klosterneuburg (Niederösterreich, Stadtgemeinde, Bezirk Wien-Umgebung; 1938-1946/1954 namengebender Hauptort des 26. Bezirks von Groß-Wien).
Stadt Klosterneuburg
Auf dem vom Weidlinger und Kierlinger Bach und einem Donauarm begrenzten Hochplateau (im Mittelalter "Berg" genannt) bestand ein Römerkastell (1.-5. Jahrhundert; wahrscheinlich Arriana [Arrianis] benannt, die Identifizierung mit Asturis oder Cannabiaca ist unhaltbar), nach dessen Auflassung das Areal bis etwa 1000 unbesiedelt blieb.
Jenseits des Kierlinger Bachs entstand in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts inmitten eines Dorfs die Martinskirche, auf dem "Berg" wurde um 1000 in den Ruinen des Kastells die "Neuburg" (Burg = ummauerte Stadt) angelegt (zunächst von bairischen Grafen verwaltetes Reichsgut); der Burgfrieden schloss das Dorf um St. Martin ein. Markgraf Leopold III. wurde anlässlich seiner Heirat mit Agnes (Tochter des deutschen Königs Heinrich IV.) 1106 Herr von Neuburg, verlegte seine Residenz hierher (Fürstenhof mit Pankrazkapelle auf dem "Berg" [Bezirk Pfalz unhistorisch]) und ließ den Mauerring erweitern (unterhalb des "Bergs" entstand am Kierlinger Bach eine Marktsiedlung, die sich in Verbindung mit einem "Urfahr“ (Überfuhr) bis ans jenseitige Donauufer ausweitete (vor etwa 1114/1120), wo sich auch die Gerichtsstätte befand; das Landtaiding fand unter den Babenbergern abwechselnd in Neuburg, Tulln und Mautern statt. Obwohl unter Heinrich II. Jasomirgott Wien die bevorzugte Residenz der Landesfürsten wurde, blieb Neuburg eine der bedeutendsten Städte des Landes.
Der jenseits der Donau gelegene Ortsteil wurde wegen wiederholter Überschwemmung kurz vor 1212 mehr landeinwärts verlegt, erhielt eine eigene Ummauerung, blieb aber rechtlich mit Neuburg verbunden ("Neuburg markthalben" im Gegensatz zu "Neuburg klosterhalben" am rechten Donauufer). Leopold VI. ließ den Fürstenhof umgestalten und eine neue Kapelle errichten (Johanneskapelle, genannt Capella speciosa, in burgundischer Frühgotik, Weihe 1221, Demolierung 1799).
Der Habsburger Albrecht I. ließ 1288 im Nordwest-Eck des Mauerrings eine Burg errichten (Sitz des Schlüsselamts, der Verwaltung der landesfürstlichen Weingärten). Durch sein Privileg vom 5. Februar 1298 wurden die beiden Teile Neuburgs rechtlich voneinander getrennt und erhielten eigene Ratskollegien sowie Stadt- und Landgerichte (seit 1361 Klosterneuburg am rechten und seit 1371 Korneuburg [benannt nach dem Umschlagplatz für Korn und anderes Getreide] am linken Donauufer). 1330 wütete ein Stadtbrand, der auch das Stift ergriff. Das politische Leben Klosterneuburgs im Spätmittelalter war nicht konfliktfrei; 1396 kam es zwischen der bürgerlichen Oberschicht und den Handwerkern zu einem Bürgerkrieg, den erst ein herzoglicher Machtspruch beendete. Wiederholt gab es Auseinandersetzungen zwischen der Stadtgemeinde (die der Städtekurie angehörte) und dem Stift (dessen Probst in der Prälatenkurie saß), wobei es um die Kollision von Stiftsprivilegien mit bürgerlichen Wirtschaftsinteressen ging, aber auch zwischen den Bewohnern der oberen Stadt und den "Mertingern" der unteren Stadt.
Für den Wohlstand der Bürger waren der Weinbau, die Donauschifffahrt und der aus der Zeit der Babenberger stammende Wochenmarkt (1453 Jahrmarkt, zu dem 1476 ein zweiter kam) ausschlaggebend; zahlreiche Bürger und Chorherren studierten an der Wiener Universität. Während der politischen Wirren unter Friedrich III. standen Stadt und Stift Klosterneuburg meist auf seiten der Opposition; kampflos erfolgte die Unterwerfung unter Albrecht VI. (1461) und Matthias Corvinus (1483), in dessen Gewalt Klosterneuburg bis 1490 blieb. Von der Türkenbelagerung 1529 blieb Klosterneuburg nicht unberührt (die untere Stadt wurde preisgegeben, die obere wurde vom 27. September bis 16. Oktober erfolglos belagert). Schon damals war die Stadt (1541 auch das Stift) lutherisch, 1584 begann die Rekatholisierung. 1683 wurde Klosterneuburg neuerlich von den Osmanen belagert (17. Juli - 8. September), doch hielt auch diesmal die obere Stadt stand. Das Entsatzheer rückte mit seinem aus kaiserlichen Truppen bestehenden linken Flügel über Klosterneuburg an der Donau auf Nußdorf vor, das aus Bayern, Sachsen und Reichsvölkern bestehende Zentrum erstieg von Klosterneuburg aus das Kahlengebirge, die Polen am rechten Flügel den Tulbinger Kogel. Die weitere Geschichte Klosterneuburgs wurde lange Zeit durch das Stift bestimmt.
Aufgrund des provisorischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 konstituierte sich Klosterneuburg als Stadtgemeinde; die zuständige Bezirkshauptmannschaft befand sich anfangs in Klosterneuburg, doch wurde der Gerichtsbezirk später den Bundeshauptmannschaften Hernals (1868), Währing (1890) und Tulln (1892-1938) unterstellt. Die Stadtbefestigung wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts bis auf wenige Reste beseitigt. Die 1845-1849 erbaute große Pionierkaserne (1990 abgebrochen) gab der Silhouette einen neuen Akzent. Die Donauregulierung (in Wien 1870-1875; Teile der Brigittenau entstanden auf Stiftsgründen) wurde in Klosterneuburg 1882-1911 durchgeführt (Trassierung des "Durchstichs" anstelle des trockengelegten stadtseitigen Arms). Unter dem nationalsozialistischen Regime wurde Klosterneuburg im Zuge der räumlichen Ausdehnung Wiens am 1. Oktober 1938 eingemeindet; Klosterneuburg, Weidling, Kierling, Gugging, Weidlingbach, Kritzendorf und Höflein bildeten den 26. Bezirk "Klosterneuburg". 1945-1955 gehörte Klosterneuburg zur sowjetrussischen Besatzungszone. Das Bundesgesetz vom 26. Juli 1946, das die Rückgliederung niederösterreichischer Ortsgemeinden, darunter Klosterneuburgs, vorsah, konnte wegen Einspruchs des Alliierten Rats erst am 1. September 1954 wirksam werden; schon am 13. Juli 1954 hatte der niederösterreichische Landtag die Zusammenfassung jener Gemeinden, die vorher den 26. Wiener Bezirk gebildet hatten, zur neuen vergrößerten Stadtgemeinde Klosterneuburg beschlossen; sie wurde der neugeschaffenen Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung unterstellt, die seit 1956 eine Außenstelle in Klosterneuburg unterhält.
Stift Klosterneuburg
Entgegen der älteren Ansicht (beispielsweise Hanns Wolf), das Kollegiatstift neben dem babenbergischen Fürstenhof sei bereits um 1060 vom salischen Königshaus (als Ersatz für die um 1051/1058 geplante, aber nicht realisierte Propstei in Hainburg) gegründet worden, vermutet Floridus Röhrig eine Gründung durch Leopold III. 1106. Erwiesen ist, dass Leopold Initiator des Neubaus der Stiftskirche (1114-1136) war und 1133 die Übergabe des Stifts an Augustiner-Chorherren erwirkte; 1135 wurde auf sein Betreiben die Urpfarre St. Martin (von der vor circa 1120/1125 die Pfarre Heiligenstadt abgetrennt worden war) dem Stift inkorporiert. 1181 fertigte Meister Nikolaus von Verdun 51 Emailletafeln an (Darstellungen der Heilsgeschichte in drei Zyklen), die ursprünglich den Ambo (vorspringende Kanzel) am Lettner zierten und zu den Spitzenwerken der Kunst zählen. Die beim Brand von 1330 geretteten Tafeln wurden von Wiener Goldschmieden um sechs Tafeln ergänzt und zu einem Altar zusammengesetzt ("Verduner Altar").
Der Reichtum des Stifts fußte auf seinem Weingartenbesitz sowie den zahlreichen Grundherrschaften in Österreich, meist in der Nachbarschaft Wiens (Kahlenbergerdorf, Nußdorf, Heiligenstadt, Grinzing, Sievering, Ottakring, Hietzing und Meidling). Die Heiligsprechung Leopolds III. (1485) gab Anlass zur Herstellung von Kunstwerken (darunter des Babenbergerstammbaums von Hans Part, um 1490, der auch eine Ansicht Wiens von der Donauseite aufweist). Gegen Probst Georg Hausmannstetter (1509-1541), der 1510-1514 auf der Regierung der niederösterreichischen Lande angehörte, revoltierte 1513 die Mehrheit der Mönche; als sich Wiener Ratsherren weigerten, an der von der Regierung anbefohlenen Strafexpedition teilzunehmen, wurden sie abgesetzt. 1616 widmete Erzherzog Maximilian III. dem Stift den österreichischen Erzherzogshut (Erbhuldigung). Die obere Stadt mit dem Stift hielt 1683 den Osmanen stand. Karl VI. veranlasste 1730 die Umplanung der vorgesehenen einfachen Barockisierung des Stifts zu einer Kombination von Kloster und Kaiserresidenz nach Art des Escorial (Pläne von Donato Felice d' Allio). Von der projektierten, um vier Höfe gruppierten und von acht Kuppeln überragten Anlage waren 1740 erst drei Trakte eines Hofs und zwei Kuppeln fertig; nach Karls Tod wurde der Bau eingestellt (erst 1836-1842 ließ das Stift den Hof durch einen vierten Trakt nach Plänen von Josef Georg Kornhäusel abschließen).
Propst Ambros Lorenz (1772-1781) begründete die Gemäldesammlung des Stifts (teilweise Erwerbung stiftsfremder Bestände, beispielsweise der in Wien verwahrten Tafeln des Albrechtsaltars, 1774). Unter Propst Floridus Leeb (1782-1799), der 1786 auf stiftseigenen Gründen das nach ihm benannte Floridsdorf gründete, entging das Stift den Klosteraufhebungen Josephs II.; 1782 wurde das Chorherrenstift St. Dorothea (Dorotheerkirche) dem Stift unterstellt; nach seiner endgültigen Aufhebung (1786) kamen dessen Archiv und ein Teil der Kunstwerke nach Klosterneuburg. Die Capella speciosa (1221) musste 1799 abgebrochen werden; Teile wurden in der Laxenburger Franzensburg eingebaut, die Kanzel kam in die Wolfgangkirche in Kirchberg. Die Franzosen besetzten Klosterneuburg 1805 (Aufenthalt Napoleons am 20. Dezember) und 1809; während der Schlacht bei Aspern ließ Hauptmann Friedrich von Magdeburg (Kommandant des in Klosterneuburg garnisonierten Pionierbataillons; † 1810, Grabstein in der Heiligenstädter Michaelskirche) am 22. September 1809 unbemannte brennende Schiffe gegen die französische Schiffsbrücke in die Lobau treiben; ihre Zerstörung zwang Napoleon zum Abbruch der Schlacht. Auf Stiftsgründen in Meidling entstand 1812 das nach Propst Gaudentius Andreas Dunkler (1800-1829) benannte Gaudenzdorf, 1847 das nach Propst Wilhelm Sedlacek (1844-1853) benannte Wilhelmsdorf.
1887-1892 wurden Kirche und Kreuzgang von Friedrich Schmidt reromanisiert beziehungsweise regotisiert (Turmspitzen). Propst Friedrich Piffl (1907-1913) war 1913-1932 Erzbischof von Wien. Nach der nationalsozialistischen Annexion wurde das Stift am 30. April 1941 aufgelöst und enteignet. Eine vom Chorherrn Karl Roman Scholz 1938 gegründete Widerstandsgruppe wurde zerschlagen (Scholz 1944 hingerichtet). Nach Kriegsende wurde das Stift am 30. April 1945 wiederhergestellt.
Literatur
- Albert Starzer: Geschichte der landesfürstlichen Stadt Klosterneuburg. Aus Anlass des 600jährigen Jubelfestes der Stadt Klosterneuburg hrsg. von der Stadtgemeinde Klosterneuburg. Klosterneuburg: Stadtgemeinde 1900
- Floridus Röhrig: Klosterneuburg. Wien [u.a.]: Zsolnay 1972 (Wiener Geschichtsbücher, 11)
- Floridus Röhrig: Klosterneuburg. In: Felix Czeike [Hg.]: Niederösterreichischer Kulturführer. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983, S. 36, S. 40
- Floridus Röhrig: Klosterneuburg. Kommentar zur Siedlungsgeschichte. In: Stadtmappe aus dem Österreichischen Städteatlas. Hg. v. Wiener Stadt- und Landesarchiv. Wien: Deuticke 1991 [Zugl. ersch. in d. 4. Lfg. 1991, Teil 1 der Gesamtausg.: Österreichischer Städteatlas]
- Klosterneuburg. Geschichte und Kultur. Hg. v. d. Stadtgemeinde Klosterneuburg. Wiss. Leitung: Michael Duscher ... . Band 1: Die Stadt. Klosterneuburg [u.a.]: Mayer [1992]
- Klosterneuburg. Geschichte und Kultur. Hg. v. d. Stadtgemeinde Klosterneuburg. Wiss. Leitung: Michael Duscher ... . Band 2: Die Katastralgemeinden. Klosterneuburg [u.a.]: Mayer [1993]
- Der heilige Leopold. Landesfürst und Staatssymbol. Stift Klosterneuburg, 30. März - 3. November 1985. Wien: Amt d. NÖ Landesregierung, Abt. III/2 - Kulturabt. 1985 (Katalog des NÖ Landesmuseums: N.F., 155)