Provisorisches Gemeindegesetz
Das am 17. März 1849 von Kaiser Franz Joseph I. auf Vorschlag von Innenminister Franz Graf Stadion erlassene Provisorische Gemeindegesetz (Art. I: "Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde") enthielt Grundprinzipien, die für die Gemeindegesetzgebung der folgenden Jahrzehnte von bleibender Bedeutung sein sollten.
Es handelte sich dabei um Österreichs erstes Gemeindegesetz. Darin wurde erstmals die für die moderne kommunale Selbstverwaltung typische Unterscheidung zwischen einem "natürlichen" und einem "übertragenen" Wirkungskreis vorgenommen. Auf der Grundlage des § 6 des Gesetzes erhielt Wien am 6. März 1850 eine Provisorische Gemeindeordnung. Das Gemeindegesetz legte fest, dass Vorstädte mit ihrer Stadt eine einheitliche Stadtgemeinde zu bilden haben. In Wien wurden daher 1850 die so genannten Vorstädte (innerhalb des Linienwalls gelegene Siedlungen) als Bezirke 2 bis 8 eingemeindet; nach der Trennung Margaretens von der Wieden, 1861, handelte es sich (auch nach heutiger Nummerierung) um die Bezirke 2 bis 9.
Das Provisorische Gemeindegesetz blieb nach Aufhebung der Märzverfassung 1851 zwar formell in Kraft, wurde jedoch durch zwei Gesetze von 1852 und 1854 de facto ausgehebelt und der neoabsolutistischen Linie des Kaisers angepasst. Ab 1852 waren die Sitzungen der Gemeindeorgane nicht mehr öffentlich. Die Kommunalwahlen wurden ausgesetzt und 1854 wurde die Verlängerung der Funktionsperiode ohne Wahlen verfügt. Die kommunale Selbstverwaltung wurde dadurch beseitig bzw. der staatlichen Kontrolle unterstellt.
Quellen
- ALEX: Reichsgesetzblatt 170/1849
- Wienbibliothek Digital: Das provisorische Gemeindegesetz… Wien: Carl Gerold & Sohn 1849
- ALEX: Reichsgesetzblatt 67/1852
- ALEX: Reichsgesetzblatt Nummer 46/1854
Literatur
- Thomas Simon: Die verfassungsrechtliche Stellung Wiens in der Habsburgermonarchie. In: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung 1920 und die Trennung von Niederösterreich. Hg. von Bernhard Hachleitner und Christian Mertens. Wien: Residenz Verlag 2020, S. 11–24
- Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1), S. 293 ff.