Provisorische Gemeindeordnung
Auf der Grundlage des am 17. März 1849 erlassenen Provisorischen Gemeindegesetzes (§ 6) genehmigte Kaiser Franz Joseph I. am 6. März 1850 die von Innenminister Alexander Freiherr von Bach vorgeschlagene Provisorische Gemeindeordnung für die Stadt Wien. Darin wurde das Gebiet innerhalb des Linienwalls als eigene, in einzelne Bezirke gegliederte Ortsgemeinde eingerichtet. Die Provisorische Gemeindeordnung wurde gemäß einer Verordnung des Innenministers vom 9. März 1850 in seiner Kundmachung vom 20. März 1850 unter Nummer 21 im Landesgesetzblatt für Österreich unter der Enns kundgemacht. Sie bedeutete eine wesentliche Zäsur in der Entwicklung der Stadtverfassung. Die Umsetzung dieses "Statuts" wurde durch das Einsetzen des Neoabsolutismus allerdings bis 1860/61 verzögert.
Inhalt
Im I. Abschnitt wurde das Gemeindegebiet, gegliedert in acht im Detail erklärte Bezirke, als das Gebiet der (Inneren) Stadt und der Vorstädte innerhalb des Linienwalls bzw. bis zum Hauptstrom ("große Donau") der noch unregulierten Donau definiert. Folgende acht Bezirke wurden vorgesehen:
- 1. Bezirk: Innere Stadt
- 2. Bezirk: Leopoldstadt
- 3. Bezirk: Landstraße
- 4. Bezirk: Wieden (Margareten wurde erst 1861 als neuer 5. Bezirk von der Wieden abgetrennt)
- 5. Bezirk: Mariahilf
- 6. Bezirk: Neubau
- 7. Bezirk: Josefstadt
- 8. Bezirk: Alsergrund
Weiters wurde festgelegt, wem die Gemeindeangehörigkeit zustand und wie das Gemeindebürgerrecht verliehen wurde. Nur männlichen Gemeindebürgern (nicht allen Gemeindeangehörigen!) stand das aktive und passive Wahlrecht zu den Gemeindeämtern zu.
Im II. Abschnitt wurden der Gemeinderat (mit 120 Mitgliedern), der Magistrat und die Bezirksvorsteher definiert. Aktive Militärs, Gemeindebeamte und Gemeindediener waren vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Das Wahlrecht war nach den persönlichen Eigentums- und Besitzverhältnissen gewichtet und wurde in Wahlkörpern mit Männern ähnlichen Einkommens bzw. Besitzes ausgeübt. Der Gemeinderat wurde auf drei Jahre gewählt und wählte aus seiner Mitte den Bürgermeister, der der Bestätigung des Monarchen bedurfte und dem k. k. Statthalter den Amtseid abzulegen hatte. Die Gemeinderäte waren unentgeltlich tätig, der Bürgermeister hatte Anspruch auf eine Amtswohnung und auf Funktionsgebühren. Die Regierung konnte den Gemeinderat "aus wichtigen Gründen" auflösen und neu wählen lassen.
In weiteren Abschnitten wurden detaillierte Regelungen für die Arbeit der Gemeindeorgane festgelegt, unter anderem Regelungen bezüglich der Bezirksvorstehung und der Bezirksausschüsse, die neben dem Gemeinderat und dem Magistrat die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten auszuüben hatten. Die Gemeinde Wien wollte auch Angelegenheiten der Volksschulen, der Kirchen und des Gewerbewesens für den eigenen Wirkungskreis beanspruchen, konnte sich mit dieser Forderung jedoch nicht durchsetzen.
Die Organe der Stadt unterstanden direkt dem k. k. Statthalter für Österreich unter der Enns.
Quellen
Literatur
- Thomas Simon: Die verfassungsrechtliche Stellung Wiens in der Habsburgermonarchie. In: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung 1920 und die Trennung von Niederösterreich. Hg. von Bernhard Hachleitner und Christian Mertens. Wien: Residenz Verlag 2020, S. 11–24