Gemeinderat

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Sitzungssaal des Gemeinderates im damals neu erbauten Rathaus. Heliogravüre, 1883
Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation Sonstige Organisation
Datum vonDatum (oder Jahr) von 7. Oktober 1848
Datum bisDatum (oder Jahr) bis
Benannt nach Gemeinde
Prominente Personen
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  17924
GNDGemeindsame Normdatei
WikidataIDID von Wikidata
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Langes 19. Jahrhundert, Zwischenkriegszeit, 1945 bis heute, Wien wird Bundesland, Stadtverfassung, Revolution 1848, Rathaus
RessourceUrsprüngliche Ressource  Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 13.09.2024 durch WIEN1.lanm08trj
BildnameName des Bildes Gemeinderatssitzungsaal_Weiss.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Sitzungssaal des Gemeinderates im damals neu erbauten Rathaus. Heliogravüre, 1883
  • 1., Rathausplatz 1

Frühere Adressierung

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48° 12' 39.02" N, 16° 21' 26.27" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Der Wiener Gemeinderat ist seit 1848 die gewählte Volksvertretung innerhalb der Gemeinde Wien.

Mittelalter und Frühe Neuzeit

Die mittelalterlichen Stadtrechtsprivilegien und frühneuzeitliche Stadtverfassungen sahen ebenso wenig wie die Maria-Theresianische, Josephinische oder vormärzliche Gemeindeverfassung einen Gemeinderat vor; Bürgermeister und Rat (Innerer Rat, Stadtrat) beziehungsweise ab 1783 der Beamtenapparat des Josephinischen Magistrats (Magistratsreform) bestimmten über die Gemeinde.

Revolution 1848

Das Revolutionsjahr 1848 brachte das Ende des magistratischen Stadtregiments. Im März bildete sich ein Provisorischer Bürgerausschuss, im Mai wurde ein Gemeindeausschuss gewählt der eine provisorische Gemeindeordnung und Wahlordnung für den Gemeinderat ausarbeitete und an dessen Stelle durch Wahl am 5. Oktober 1848 ein Gemeinderat trat, der am 7. Oktober im Niederösterreichischen Landhaus (die Stadt verfügte selbst nicht über einen geeigneten Saal) zu seiner ersten Sitzung zusammentrat (siehe Gemeinderatsprotokolle). Die Wahlordnung basierte auf einem beschränkten Wahlrecht, welches im Wesentlichen nur die besitzende männliche Bevölkerung miteinschloss (8.717 Eintragungen in die Wählerlisten). Die Wahlordnung sah 150 Sitze vor. Erster Präsident war Ignaz Bondi.

Legitimations-Ausweis für die Wahl zum Gemeinderat im Oktober 1848, ausgestellt für Carl Scherzer

Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts

Nach der Niederschlagung der Revolution wurde der Gemeinderat nicht aufgelöst; die Provisorische Gemeindeordnung 1850 sah generelle Bestimmungen über die Abhaltung von Gemeinderatsitzungen vor (geregelt durch eine eigene Geschäftsordnung; Öffentlichkeit, auf Wunsch Vertraulichkeit, Protokollführung, Aufbewahrung der Sitzungsprotokolle im städtischen Archiv). De facto war der Gemeinderat jedoch während der neoabsolutistischen Phase (1851-1860) machtlos, die gewählten Gemeindevertreter blieben zwar im Amt, Wahlen wurden jedoch sistiert.

1853 bis 1885 tagte der Gemeinderat im Gemeinderatssitzungssaal im (Alten) Rathaus. Aquarell von Rudolf von Alt, 1853

Der Gemeinderat bestand ab 1861 aus 120, ab 1884 aus 138 Mitgliedern, die in drei (gleich starken) Wahlkörpern nach einem Zensus-(Kurien-)wahl-recht gewählt wurden (Gemeinderatswahlen, Wahlrecht). Der Stand der in den einzelnen Wahlkörpern zur Wahl berechtigten Bürger war hinsichtlich gesellschaftlicher Stellung beziehungsweise Beruf genau definiert; 1885 wurde auf Betreiben Karl Luegers im dritten Wahlkörper die erforderliche Steuerleistung auf minimal fünf Gulden direkter Steuerleistung jährlich herabgesetzt ("Fünf-Gulden-Männer"), sodass auch (die ihn unterstützenden) Kleinbürger (Gewerbetreibende, selbständige Handwerker) wahlberechtigt wurden. 1848 bis 1891 bestand eine eigene Gemeinderatskanzlei; 1892 übernahm die Stadtrats-Kanzlei, 1900 das Präsidialbüro (1924 in die Magistratsdirektion eingegliedert) diese Aufgabe.

Als 1900 eine "allgemeine" (vierte) Wählerkurie (nur für Männer, ansonsten jedoch ohne Bindung an Beruf oder Steuerleistung) geschaffen wurde, erhöhte sich die Zahl der Gemeinderäte auf 158 (in der vierten Kurie wurde in jedem der damals bestehenden 20 Stadtbezirke ein Gemeinderat nach dem Prinzip der einfachen Mehrheit gewählt), nach der Eingemeindung von Floridsdorf (21. Bezirk) auf 165 (je zwei zusätzliche Gemeinderäte in der 1.-3. Kurie, ein zusätzlicher Gemeinderat in der 4. Kurie für den neu geschaffenen Bezirk).

Der Gemeinderat bildete ab 1850 aus dem Kreis seiner Mitglieder Sektionen und Kommissionen, denen das Gemeinderats-Plenum entsprechende Aufgaben übertrug und die im Gemeinderat zu behandelnde Gegenstände vorbehandelten. Die (liberale) Gemeindeordnung 1890 schuf als Hilfsorgan des Bürgermeisters den Stadtrat (Aufnahme der Tätigkeit am 6. Mai 1891), der von den Christlichsozialen in der Opposition bekämpft, während der Zeit ihrer Mehrheit jedoch beibehalten wurde; im Gegensatz zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hatten die einzelnen Stadträte keine Ressorts, sondern arbeiteten als Gremium. Ab 1892 gab es die Möglichkeit, Gemeinderatsausschüsse) zu bestimmten Themen einzusetzen.

Erste Republik

Nach Ausrufung der Republik am 12. November 1918 erhielt auch Wien ein allgemeines, gleiches Wahlrecht, (erstmalig auch für Frauen). Die die Bevölkerung ungleich repräsentierenden Wahlkörper wurden abgeschafft. Weitere weitreichende Veränderungen ergaben sich durch das Gemeindestatut für die Stadt Wien von April 1920. Es sah nunmehr einen vom Gemeinderat zu wählenden Stadtsenat, bestehend aus amtsführenden bzw. oppositonellen Stadträten, vor. Die Gemeinderatsausschüsse fungierten nun als fixe Organen für jede Geschäftsgruppe, für die es einen ressortzuständigen amtsführenden Stadtrat gibt. Diese Neuregelungen wurden in die am 10. November 1920 beschlossene und am 18. November 1920 in Kraft getretene Stadtverfassung des neuen Bundeslandes Wien übernommen; die Stadträte fungierten nunmehr auch als Landesräte. Die Zahl der Gemeinderäte betrug zunächst weiterhin 165, wurde dann jedoch auf 120 (1923) beziehungsweise 100 (1932) reduziert.

Sozialdemokratischer Gemeinderatsklub, 1919

Seit 10. November 1920 ist der Wiener Gemeinderat auf Grund der Bundesverfassung und der Wiener Stadtverfassung in gleicher personeller Zusammensetzung zugleich Wiener Landtag; die Sitzungen werden jedoch getrennt unter divergierenden Vorsitzenden (Gemeinderatsvorsitzende bzw. Landtagspräsidenten) abgehalten.

Dollfuß-Schuschnigg-Regime und NS-Zeit

Als im Februar 1934 die demokratische Stadtverfassung aufgehoben wurde, sah die diktatorische Stadtordnung als Gemeindevertretung die Wiener Bürgerschaft, ein ernanntes und ständisch gegliedertes Gremium, vor. Die Nationalsozialisten ersetzten diese Vertretung 1939 durch die Ratsherren (45 vom Reichsstatthalter ernannte Personen).

Zweite Republik

Nach Einrichtung eines Provisorischen Stadtsenats im April 1945 unter Bürgermeister Theodor Körner kam es am 25. November 1945 erstmalig wieder zu demokratischen Wahlen (sie fanden gleichzeitig mit Nationalratswahlen statt), auf deren Grundlage sich der Gemeinderat am 13. Dezember 1945 konstituierte (siehe: Wiener Gemeinderat und Landtag in der Besatzungszeit).

Der gewählte Gemeinderat war 1850 bis 1895 liberal und 1895 bis 1919 christlichsozial dominiert, von 1919 bis 1996 besaßen (mit Ausnahme der Jahre 1934 bis 1945, in denen es keine gewählte Volksvertretung gab) die Sozialdemokraten bzw. Sozialisten die absolute Mandatsmehrheit. Von 1945 bis 1973 und 1996 bis 2001 regierte in Wien eine Koalition der SPÖ mit der ÖVP im Stadtsenat, von 2010 bis 2020 der SPÖ mit den Grünen und seither der SPÖ mit den NEOS.

Siehe auch:

Quellen

Literatur

  • Christian Mertens: Die letzte Sitzung des Wiener Gemeinderats und andere Beispiele christlichsozialer Regimekritik. In: Bernhard Hachleitner / Alfred Pfoser / Katharina Prager / Werner Michael Schwarz [Hg.]: Die Zerstörung der Demokratie. Österreich, März 1933 bis Februar 1934. Salzburg / Wien: Residenz Verlag 2023, S. 240–243
  • Bernard Hachleitner/Christian Mertens [Hg.]: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung und die Trennung von Niederösterreich. Salzburg/Wien: Residenz 2020, S. 11 ff. (Simon), S. 59 ff. (Mertens)
  • Friedrich Brunner: Bezirksvertretungen in Wien. Historische Entwicklung, Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Dezentralisierung, Wahlergebnisse, Personenindex, Rückblick und Zukunft. Hg. von Josef Rauchenberger. Wien: PR-Verlag 1990
  • Peter Csendes: Vertretungskörper. Wien 1988 (Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe A: Archivinventar, Serie 1: Stadtarchiv, 3)
  • Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1926. In: Handbuch der Stadt Wien. Band 77. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1963, S. 211 ff.
  • Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1918. Zusammensetzung nach Berufen. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 18 (1963), S. 171 ff.
  • Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1918. Parteibildung und Wahlen. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 19 (1964), S. 298 ff.
  • Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1918. Gliederung nach Parteien. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 19 (1964), 366 ff.
  • Franz Patzer: Die sozialdemokratische Fraktion im Wiener Gemeinderat. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 10 (1952/1953), S. 251 ff.
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1), S. 238 ff., 415 ff., 582 ff., 594 ff., 603 ff.
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1896 - 1934. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 2), S. 925 ff., 964 ff., 1174 ff.
  • Wolfgang Soll: Mitglieder des Gemeinderats der Stadt Wien (Wiener Landtags) und des Wiener Stadtsenates (der Wiener Landesregierung). Manuskript (Wiener Stadt- und Landesarchiv)
  • Rudolf Till: Die Mitglieder der ersten Wr. Gemeindevertretung im Jahre 1848. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 5 (1950), S. 61 ff.
  • Barbara Steininger: Der Wiener Gemeinderat und der Wiener Landtag – Eine Zeitreise 1848-2013. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 2013 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 2/2013).
  • Barbara Steininger: Der Wiener Landtag - das unbekannt Wesen im Mehrebenensystem, in: Ferdinand Opll (Hg.), Studien zur Wiener Geschichte, Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 60 (2004)
  • Barbara Steininger: Der Wiener Landtag – eine Zeitreise 1920-2020. Wien. 100 Jahre Wiener Landtag, herausgegeben von der Stadt Wien, 2020, S. 18-33

Weblinks