Theodor Körner (Politiker)
Theodor Körner (1900 bis 1919 Edler von Siegringen), * 24. April 1873 Uj Szönyi, Komorn (Komárom), Ungarn, † 4. Jänner 1957 Wien, General, Bürgermeister, Bundespräsident.
Biografie
Herkunft und Familie
Theodor Körner war eines von fünf Kindern von Theodor Karl Körner und seiner Gattin Karoline, geborene Fousek. Er kam in Uj Szönyi zur Welt, einem Ortsteil von Komorn am rechten Donauufer, wo sein Vater in der Festung als Artilleriehauptmann diente. Nach der gesundheitlich bedingten Frühpensionierung des Vaters im Jahr 1878 zog die aus Nordböhmen stammende Familie nach Wien, dort fand der Vater eine Anstellung als Kanzleischreiber im Finanzministerium. 1900 wurde der k. u. k. Offizier Theodor Karl Körner mit dem Titel Edler von Siegringen in den erblichen Adelsstand erhoben. 1919 fiel der Adelstitel durch das Adelsaufhebungsgesetz weg.
Theodor Körner blieb zeitlebens unverheiratet. Langjährige Beziehungen unterhielt er zu der verwitweten Baronin Antoinette Latscher von Lauendorf (1863–1944) und ab etwa 1949 zu Beatrix Hartmann-Boll (1906–1989), die allerdings verheiratet war.
Militärische Laufbahn
Theodor Körner machte wie sein jüngerer Bruder Richard (gefallen 1915) rasch Karriere als Generalstabsoffizier: Er besuchte die Realschule in Reichenberg, die Oberrealschule in Wien (1887/1888) und die Technische Militärakademie in Mährisch-Weißkirchen. 1891 bestand er die Aufnahmsprüfung in die traditionsreiche Technische Militärakademie in Wien, wo er die Ausbildung zum Pionieroffizier wählte. Die erfolgreiche Absolvierung eines zweijährigen Lehrganges an der Kriegsschule eröffnete ihm die Laufbahn im Generalstab. 1904 wurde der mittlerweile zum Hauptmann Beförderte in das Telegrafenbüro des Generalstabes aufgenommen. In dieser Position setzte er sich als Experte für die Modernisierung des Telegrafen- und Telefonwesens in der k. u. k. Armee ein. 1912 wurde er als Lehrer des operativen Generalstabsdienstes an die Kriegsschule berufen, in der er bis zum Kriegsausbruch wirkte.
Im Ersten Weltkrieg, den Körner hauptsächlich an der italienischen Front erlebte, wurde er 1917 Generalstabschef der 1. Isonzo-Armee. Im November 1918 trat er in das neu geschaffene Heer der Republik Deutschösterreich ein. 1919 wurde er Leiter der Präsidialabteilung im Staatsamt für Heerwesen (dem Vorläufer des Verteidigungsministeriums) und hatte entscheidenden Anteil am Aufbau des Heerwesens der Republik.
1924 wurde Körner wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der konservativen Heerespolitik bei gleichzeitiger Beförderung zum General in den Ruhestand versetzt. Die Kritik, die er während seiner Amtszeit in zahlreichen schriftlichen Stellungnahmen vorgebracht hatte, kulminierte in seiner Anfang 1924 publizierten "Denkschrift über das Heerwesen der Republik", die in der Öffentlichkeit zu einer breiten Diskussion führte.
Sozialdemokratie und Politik
Noch im selben Jahr trat Körner der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei, mit der er schon lange in Verbindung gestanden war. Er wurde vom Land Wien in den Bundesrat entsandt (1924–1934) und blieb als Mitglied des Kontrollorgans der "Ständigen Parlamentskommission für Heeresangelegenheiten" (1924–1932) ebenso mit Wehrfragen konfrontiert wie als Mitglied der Zentralleitung des Republikanischen Schutzbundes, der sozialdemokratischen Wehrorganisation. Seine Vorstellungen der Schutzbundpolitik waren jedoch mit denen der anderen Führer, vor allem Julius Deutsch und Alexander Eifler, nicht vereinbar, weshalb er 1930 freiwillig ausschied.
Den 12. Februar 1934 erlebte Körner als Vorsitzender des Bundesrats. Er hatte sich, von der Aussichtslosigkeit einer Auseinandersetzung mit den bewaffneten Kräften des Staates überzeugt, gegen eine Konfrontation ausgesprochen und versucht, unmittelbar vor Ausbruch des Bürgerkrieges beim politischen Gegner zu vermitteln. Aktiv war er an den Geschehnissen nicht beteiligt, musste aber dennoch (ohne Prozess) in der Ständestaatdiktatur eine elfmonatige Haft erleben.
In den folgenden Jahren lebte Körner als Privatmann in bescheidenen Verhältnissen und widmete sich militärwissenschaftlichen Studien im Kriegsarchiv. Als er 1943 mit Vertretern der Widerstandsbewegung Kontakt aufnahm, untersagte man ihm die weitere Forschertätigkeit. Nach dem missglückten Attentat auf Hitler im August 1944 erfolgte seine vorübergehende Festnahme.
Bürgermeister
Im April 1945 wurde Theodor Körner von den Sozialdemokraten als provisorischer Bürgermeister von Wien vorgeschlagen und von der sowjetrussischen Besatzungsmacht – danach auch von den westlichen Alliierten – in dieser Funktion bestätigt. Der nach der Wahl vom 25. November 1945 neu konstituierte Gemeinderat erteilte seine Bestätigung am 14. Februar 1946.
Körner, der mehrere Sprachen, darunter Russisch, beherrschte, setzte sich in persönlichen Verhandlungen mit der Besatzungsmacht vehement dafür ein, die Not der Bevölkerung zu lindern. Der Wiederaufbau, die Rückführung der Kriegsgefangenen (insbesondere aus der Sowjetunion), die Versorgung der Stadt mit lebensnotwendigen Gütern (vor allem Lebensmittel, Brennstoffe und Baumaterialien) zählten zu seinen herausragenden Verdiensten.
Neben seiner Tätigkeit als Wiener Bürgermeister war Theodor Körner von 1945 bis 1951 auch Abgeordneter zum Nationalrat.
Bundespräsident
Als sozialistischer Kandidat für die Bundespräsidentenwahl wurde Körner im zweiten Wahlgang am 27. Mai 1951, erstmals in einer Volkswahl, zum Staatsoberhaupt gewählt. Der Höhepunkt seiner Amtszeit war der Abschluss des Staatsvertrages im Jahr 1955. Als Staatsoberhaupt vermittelte er im politischen Streit und förderte die Zusammenarbeit zwischen den Großparteien. Dem ÖVP-Wunsch nach Bildung einer Konzentrationsregierung unter Beteiligung des "Dritten Lagers" nach der Nationalratswahl 1953 erteilte er eine Absage.
Sowohl als Bürgermeister wie auch als Bundespräsident genoss Körner bei der Bevölkerung große Popularität. Seit einem Schlaganfall im Sommer 1956 teilweise gelähmt, verstarb er am 4. Jänner 1957. Er wurde im Festsaal des Rathauses öffentlich aufgebahrt und am 10. Jänner 1957 in der Präsidentengruft des Zentralfriedhofs in Ehrengrab Nr. 2 bestattet.
Ehrungen
Theodor Körner wurde mit zahlreichen militärischen Auszeichnungen geehrt. Er erhielt aber auch die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Wien, war Ehrenbürger der Stadt Wien und wurde mit dem Großstern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet.
In Wien benannte man eine städtische Wohnhausanlage und das Kommandogebäude General Körner nach dem Politiker. Mehrere Erinnerungszeichen wie etwa das Theodor-Körner-Denkmal im Rathauspark (1963) machen ihn im Stadtbild präsent.
Anlässlich des 80. Geburtstages von Theodor Körner wurde 1953 der Theodor Körner Fonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst gegründet, dieser vergibt seit 1954 jährlich Theodor-Körner-Preise an Nachwuchswissenschaftler*innen und -künstler*innen.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner
- Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, Splitternachlass Theodor Körner
- Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, Sammlung Theodor Körner
- Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung (VGA), Karton 1, Mappen 1–3. Inhalt: Typoskripte zu militärischen Themen, Unterlagen Republikanischer Schutzbund, persönliche Dokumente, Korrespondenz, Notizen, Zeitungsartikel. Kassette mit Fotos, gewidmet von Studenten der Wirtschaftshilfe.
- Österreichische Nationalbibliothek, Nachlass Beatrix Hartmann-Bolla
Werke (Auswahl)
- Theodor Körner: Denkschrift über das Heerwesen der Republik. Herausgegeben vom Militärverband der Republik Österreich. Wien: Verlag des Militärverbandes 1924
- Theodor Körner: Nationale und soziale Kriege – Eine Clausewitz-Studie [1937]. In: Ilona Duczynska: Der demokratische Bolschewik. Zur Theorie und Praxis der Gewalt. München: List 1975, S. 293–311
- Theodor Körner: Auf Vorposten. Ausgewählte Schriften 1928–1938. Herausgegeben und kommentiert von Ilona Duczynska. Wien: Europaverlag 1977
- Theodor Körner: Zwei Monate Aufbauarbeit in Wien. Herausgegeben von der Gemeinde Wien. Wien: 1945
Literatur (Auswahl)
- Andreas Pittler: Theodor Körner. 1873–1957. Wien: Gerold 2011 (Edition Wiener Bürgermeister)
- Cherica Schreyer-Hartmann: Der rote Kaiser und die Nachtigallen. Theodor Körner. Mythos und Wahrheit. Wien: Brandstätter 2009
- Thea Leitner: Hühnerstall und Nobelball. 1938–1955. Leben in Krieg und Frieden. Wien: Ueberreuter 2004 [Darin: Kapitel 20. Theodor Körner: Wo blieb seine Autobiografie? S. 177–187]
- Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Ueberreuter 1992, S. 239–240
- Hanns Jäger-Sunstenau: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien: Deuticke 1992 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 23), S. 69–70
- Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Reihe A, Archivinventar. Serie 3, Sammlungen. Band 2: Nachlässe. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1988, S. 15 f.
- Margit Altfahrt / Karl Fischer: Theodor Körner. Bürgermeister und Bundespräsident. (Wiener Geschichtsblätter 42, Beiheft 1, 1987)
- Walter Kleindel: Das große Buch der Österreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild, Namen, Daten, Fakten. Unter Mitarbeit von Hans Veigl. Wien: Kremayr & Scheriau 1987, S. 255
- Handbuch der Stadt Wien. Band 98. 1983/1984. Wien: Jugend und Volk 1983, S. II/224
- Gerhard Botz: Theodor Körner. In: Friedrich Weissensteiner [Hg.]: Die österreichischen Bundespräsidenten. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1982, S. 162–206
- Stella Klein-Löw: Menschen um mich. Porträts in Worten. Wien / München: Jugend und Volk 1982, S. 118–128
- Karl Haas: Körner Edler von Siegringen, Theodor. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12. Berlin: Duncker & Humblot 1980, S. 389–391 [Stand: 20.06.2022]
- Ilona Duczynska: Der demokratische Bolschewik. Zur Theorie und Praxis der Gewalt. München: List 1975
- Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien / München: Jugend und Volk 1974, S. 450–456
- Eric C. Kollman: Theodor Körner. In: Walter Pollak [Hg.]: Tausend Jahre Österreich. Eine biographische Chronik. Band 3: Der Parlamentarismus und die beiden Republiken. Wien: Jugend und Volk 1974, S. 443–449
- Eric C. Kollman: Theodor Körner. Militär und Politik. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1973
- Bruno Kreisky: Theodor Körner. In: Norbert Leser [Hg.]: Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1964, S. 227–233
- Jacques Hannak: Männer und Taten. Zur Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung. Wien: Wiener Volksbuchhandlung 1963, S. 21–24
- Ludwig Jedlicka: Dr. h. c. Theodor Körner. In: Die österreichischen Bundespräsidenten. Wien: Bergland 1963, S. 91–133
- Ludwig Jedlicka: Ein Heer im Schatten der Parteien. Die militärpolitische Lage Österreichs 1918–1938. Graz / Köln: Böhlaus Nachf. 1955
- Gustav K. Bienek: Ein Leben für Österreich. Unser Bundespräsident Dr. h. c. Theodor Körner. Der Jugend geschildert von Gustav K. Bienek. Wien: Jugend und Volk / Jungbrunnen 1953
- Josef Pazelt: Ein Freund und Helfer. Aus dem Leben des Bundespräsidenten Dr. h. c. Theodor Körner. Der österreichischen Jugend erzählt von Josef Pazelt. Wien: Jugend und Volk / Jungbrunnen 1953
- Thea Leitner: Körner aus der Nähe. Ein Lebensbild. Wien: Danubia o. J. [1952]
- Otto Probst [Hg.]: Theodor Körner – Ein Leben für Österreich. [Propagandaschrift für Bundespräsidentenwahl 1951]. Wien 1951
- Ludwig Jedlicka: Theodor Körner (1873–1957). In: Neue Österreichische Biographie 1815–1918. Band 18. Wien: Amalthea 1927, S. 9–20
- Parlament: Theodor Körner [Stand: 20.06.2022]
- Bundesheer: General und Bundespräsident: Theodor Körner (1873–1957) [Stand: 20.06.2022]
- Das Rote Wien. Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie: Theodor Körner [Stand: 20.06.2022]
- POLAR – Wiener Politikerinnen und Politiker Archiv: Theodor Körner [Stand: 20.06.2022]
Theodor Körner im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.
