Lebensmittelversorgung in Wien in der Besatzungszeit
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellte die Versorgung der Wiener Bevölkerung mit Lebensmitteln eine der Hauptprobleme dar, mit der sich sowohl die Alliierten, die Österreich von 1945 bis 1955 besetzten (Alliierte Besatzung), als auch die neu eingesetzte Verwaltung konfrontiert sah. Die Frage der Ernährung und der Lebensmittelversorgung der Wiener Bevölkerung prägte den Alltag zu dieser Zeit maßgeblich, da die Ernährungslage bis 1947 angespannt blieb.
Das Kriegsende in Wien: Der Zusammenbruch der Lebensmittelversorgung
Nachdem sowjetische Truppen im März/April 1945 Wien eingenommen hatten, bestand dort keine geregelte Lebensmittelversorgung mehr, da einer der ersten Befehle der sowjetischen Besatzungsmacht lautete, die Rationierung des Krieges zu beenden und wieder freien Handel mit Lebensmitteln zu ermöglichen. Da dies zur Anlegung von Vorratslagern durch die Bevölkerung führte, standen bald keine Lebensmittel mehr zur Verfügung und die Versorgung brach zusammen. Zudem waren große Teile der Vorräte beim Abzug der nationalsozialistischen Truppen vernichtet oder geplündert worden – Lebensmittelknappheit hatte also bereits davor bestanden. Somit war Wien auf die Hilfe und Unterstützung durch die Alliierten, durch internationale öffentliche und private Organisationen sowie durch andere Staaten angewiesen.
Maßnahmen der Alliierten Besatzung
Bis zu der Aufteilung Wiens in Sektoren durch das sogenannte Zonenabkommen stellte die Lebensmittelversorgung die Aufgabe der Sowjetunion dar. Um dem Versorgungsproblem entgegenzuwirken, gab die Rote Armee am 1. Mai 1945 die von ihr beschlagnahmten Lebensmittel an die Bevölkerung in Wien und in das von ihr besetzten Gebiet weiter. Dieser Beitrag, der auch als "Maispende", "Stalin-Spende" oder "Erbsenspende" bekannt ist, konnte dem Lebensmittelmangel allerdings nicht ganz entgegenwirken. Am 6. Mai 1945 führte die sowjetische Besatzung schließlich wieder Lebensmittelrationierungen ein.
Ab 1. Juni 1945 stellte die Rote Armee zudem kleine Rationen zur Verfügung, welche die Versorgung Wiens für drei weitere Monate sichern sollten. Dabei handelte es sich jedoch um keine Spende mehr, sondern um Lebensmittel, die später von Österreich bezahlt werden mussten (die sogenannten "Erbsenschulden"). Die Zuteilung von festgelegten Mengen an Lebensmitteln erfolgte nach den Kategorien "SchwerstarbeiterInnen", "ArbeiterInnen", "Angestellte" und der übrigen Bevölkerung. So stellte eine Tagesration pro Person beispielsweise 250-350 Gramm Brot, circa 50 Gramm Fett, 20 Gramm Zucker et cetera dar.
Mit der Aufteilung Wiens in Sektoren und dem Eintreffen der westlichen Alliierten übernahm jede Besatzungsmacht die Versorgung der eigenen Zone. Für die Randgebiete Wiens war weiterhin die Sowjetunion zuständig. Die Interalliierte Zone in Wien unterhielten die Alliierten gemeinsam. Dies hatte die Folge, dass von nun an in Wien fünf verschiedene Versorgungsgebiete mit fünf verschiedenen Lebensmittelkarten, die nicht in anderen Sektoren eingelöst werden konnten, und Unterschieden in der Zuteilung, der Art und der Menge von Lebensmitteln bestanden. Da von den Alliierten nur die USA über Lebensmittelüberschüsse verfügten und in der Sowjetunion, aber auch in Großbritannien, Engpässe bestanden, fiel die Versorgung je nach Sektor sehr unterschiedlich aus: Manche Stadtteile Wiens waren besser und andere schlechter ausgestattet. Generell waren die Bezirke, die den westlichen Alliierten unterstellt waren, jedoch besser gestellt, als der sowjetische Sektor. Deshalb wurde im Oktober 1945 in der Wiener Interalliierten Kommandantur das Lebensmittelkomitee als Unterabteilung geschaffen. Dessen Aufgabe war die Kontrolle der gleichmäßigen Versorgung aller Bezirke mit Lebensmitteln.
Die asymmetrische Situation änderte sich erst 1946, als die alliierten Besatzungsmächte die Lebensmittelversorgung wegen des Ungleichgewichts und aus administrativen Gründen an eine städtische Zentralverwaltung übergaben. Diese bildete den sogenannten "Wienertopf", der die gesamte Bevölkerung Wiens versorgte.
Maßnahmen der Wiener Verwaltung und der Bevölkerung
Neben diesen Maßnahmen ergriff auch die lokale Bevölkerung selbst die Initiative, um der Lebensmittelknappheit entgegenzuwirken. Dies erfolgte soweit möglich anhand von Selbstversorgung durch wenige Haushaltsvorräte, aber teils auch durch Plünderungen von Lebensmittellagern. Zudem wurden sogenannte "Hamsterfahrten" von Wien zu Bauernhöfen in der ländlichen Umgebung durchgeführt, um Lebensmittel zu besorgen oder Wertgegenstände wie Schmuck gegen Lebensmittel einzutauschen. Diese wurden häufig auch in Gruppen organisiert. Eine weitere Möglichkeit der Lebensmittelbeschaffung stellte der Schleichhandel auf dem Schwarzmarkt dar, für den in Wien beispielsweise der Resselpark bei der Karlskirche ein wichtiger Umschlagplatz war.
Maßnahmen der Wiener Gemeindeverwaltung, um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, stellte die Bildung von Arbeitsgemeinschaften für Ernährung in den Bezirken dar. Diese organisierten den Transport von Lebensmitteln, beispielsweise für Betriebsküchen, Kinderheime oder Krankenhäuser. Zudem gab es staatliche Maßnahmen, um gegen das "Hamstern" und den Schwarzmarkt vorzugehen. Beispielsweise erließ das Ernährungsministerium im Juni 1946 ein "Rucksackverbot", das diese Praxis einschränken sollte, aber nur wenig Erfolg zeigte.
Eine Besserung stellte sich erst 1948 ein. 1950 wurde das Landesernährungsamt, das die zuständige Behörde darstellte, schließlich als eigene Zentralstelle aufgelassen und in ein Referat des Marktamtes umgewandelt. Für einzelne Lebensmittel wurden Lebensmittelkarten bis zum 30. Juni 1953 verwendet. Entscheidend war für die Wiener Bevölkerung nichtsdestotrotz die internationale Hilfe und Unterstützung.
Internationale Lebensmittelversorgung
Die Verbesserung der Lebensmittelversorgung erfolgte vorwiegend durch internationale Hilfe. Darunter fiel beispielsweise die Unterstützung durch öffentliche und private Organisationen wie dem Roten Kreuz und dessen Landesorganisationen, den Quäkern oder ab 1946 der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA). Ebenfalls große Bedeutung erlangten in dieser Zeit die Care-Pakete.
Außerdem erfolgten Hilfeleistungen von der Schweiz ("Schweizerspende"), Schweden, Dänemark, Belgien, den Niederlanden, Argentinien und den britischen Dominions. Diese schickten Lebensmittel oder Kleidung nach Wien und ermöglichten dadurch die Versorgung von Kindern in Schulen, aber auch von Kindergärten und Kinderheimen sowie Altersheimen und Spitälern.
Für Teile Österreichs und Wiens war zudem die Unterzeichnung der Konvention für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit im April 1948 von großer Bedeutung: Somit ergab sich die Möglichkeit, an der Marshall-Plan-Hilfe für ein europäisches Wiederaufbauprogramm teilzunehmen, die im Juli 1948 durch ein Abkommen zwischen Österreich und den USA weiter gefestigt wurde.
Literatur
- Gustav Bihl / Gerhard Meißl / Lutz Musner: Vom Kriegsende 1945 bis zur Gegenwart. In: Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Hg. von Peter Csendes, Ferdinand Opll. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2006, S. 545-815, hier: 560 ff., 667
- Karl Fischer: Die Vier im Jeep. Die Besatzungszeit in Wien 1945-1955. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1985 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/1985), S. 9
- O.A.: Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947. Verwaltungsbericht. Hg. vom Magistrat der Bundeshauptstadt Wien. Wien: Magistrat der Stadt Wien 1949, S. 389 ff.
- Manfried Rauchensteiner: Der Sonderfall. Die Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955. Graz: Styria-Reprint 1995, S. 78 f.
- Johannes Sachslehner: Wien. Stadtgeschichte kompakt. Wien: Pichler Verlag 1998, S. 213 f.