Krankenhäuser im Nachkriegs-Wien

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Operationssaal in der Ignaz-Semmelweis-Frauenklinik (18., Bastiengasse 36), 9. Juni 1947
Daten zum Eintrag

Nach Kriegsende 1945 befand sich die Spitalsinfrastruktur in Wien in einem kritischen Zustand. Gebäude waren durch Bombenangriffe beschädigt, es fehlte an Personal, an der Strom-, Gas- und Wasserversorgung und an Geräten und Medikamenten. Zudem besetzten die Alliierten einige Gebäude und nutzten sie für eigene Zwecke. Der Ausbruch von Epidemien und der temporäre Anstieg der Tuberkulosesterblichkeit stellte eine besondere Herausforderung dar. Bis etwa 1950 gelang es jedoch wieder eine "Normalversorgung" herzustellen.

Mutterberatung im Mautner Markhofschen Kinderspital: Frauen mit Kindern und Kinderwagen stehen am Eingang zur Mutterberatung, 1947

Ausgangslage

So gut wie alle Wiener Spitäler litten unter den Kriegsereignissen im Frühjahr 1945, einige waren schon davor durch Bombenangriffe schwer beschädigt worden. Nach Kriegsende waren viele Gebäude zumindest kurzfristig besetzt, einige blieben bis 1955 in der Hand der Besatzungsmächte. Die generelle Mangelsituation erschwerte einerseits den Wiederaufbau der beschädigten Gebäude, andererseits war auch die Versorgung der Spitäler eine Herausforderung, da weder Nahrungsmittel noch Brennstoffe oder Medikamente in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung standen. Diese hätten mangels Transportmittel aber auch kaum herangeschafft werden können. Die Spitäler wurden aber immerhin bevorzugt mit Kohle beliefert, so etwa im strengen Winter 1946/47. Die Strom-, Gas- und Wasserversorgung war noch längere Zeit höchst unzuverlässig. Ein weiteres Problem stellte ideologisch belastetes Führungspersonal dar, das ersetzt werden musste. Das Rettungswesen war extrem eingeschränkt und wichtige Geräte wie etwa Röntgengeräte hatte man vor Kriegsende zum Schutz aus der Stadt gebracht. In so gut wie allen Bereichen war eine Abstimmung mit der sowjetischen Besatzungsmacht notwendig. Durch Schäden fehlten den Krankenhäusern etwa 1400 Betten, 2400 weitere waren von den Besatzungsmächten in Beschlag genommen.

Das Erbe des Nationalsozialismus

In einer Aufstellung der Stadt Wien aus dem Jahr 1946 wird die Grenze zwischen privaten und öffentlichen Krankenhäusern nicht immer ganz deutlich gezogen, da während der NS-Zeit viele Anstalten arisiert worden waren oder in die Verwaltung der Stadt fielen. Oftmals wurden diese später (teilweise erst nach 1955) den ursprünglichen Trägern rückgestellt. Kirchliche Institutionen dienten während des Kriegs oft als Lazarette. Viele Krankenanstalten waren umbenannt worden und trugen in der unmittelbaren Nachkriegszeit oftmals noch die Namen der NS-Zeit.

Öffentliche Krankenhäuser 1946

  • Krankenhaus der Stadt Wien/Krankenhaus Lainz (13., Wolkersbergenstraße 1): Pavillon I und IIIa wurden von den britischen Truppen für Spitalszwecke genutzt; Pavillon I wurde 1952 freigegeben, Pavillon IIIa erstmals 1947, dann aber 1948 erneut teilweise beschlagnahmt und als Offizierswohnhaus verwendet, obwohl dort inzwischen auch ein Rheumaambulatorium angesiedelt war. 1949 wurde das Spital um eine Zahnstation ergänzt. 1953 verfügte das Krankenhaus über insgesamt 1831 Betten.
  • Wilhelminenspital (16., Montleartstraße 37): 1947 erfolgte der Beschluss, einen Gipsraum einzurichten. 1950 eröffnete hier ein Großinhalatorium, dessen Inhalationsfeinzerstäuber Medikamente bis tief in die Lungen befördern konnte, was unter anderem der Tuberkulosebekämpfung zuträglich war. 1952 stand hier auch die erste "Eiserne Lunge" Wiens.
Das neue Penicillin-Inhalatorium im Wilhelminenspital am Tag der Eröffnung, 2. September 1950
Eiserne Lunge im Wilhelminenspital, 5. April 1952
  • Allgemeines Krankenhaus (9., Alser Straße 4): Zwei Pavillons mit Totalschaden. Die während des Kriegs angelegten Luftschutzkeller wurden erst ab 1947 geräumt. 1950 eröffnete hier eine stark gefragte Epileptikerambulanz. 1953 erhielt das Spital die zu diesem Zeitpunkt modernste Röntgenstation Wiens. Am 30. September 1953 wurde das Krankenhaus von einem Bombenattentat erschüttert – eine Person starb, 25 Personen wurden verletzt, es entstand erheblicher Sachschaden. 1954 tötete die Explosion einer Kohlensäureflasche eine Person.
  • Kaiser-Franz-Josef-Spital (10., Kundratstraße 3): Das Kaiser-Franz-Josef-Spital erlitt vergleichsweise schwere Kriegsschäden, bei acht Luftangriffen kam es zu 134 Bombeneinschlägen, 15 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verstarben dabei. Von 38 Pflegeeinheiten blieben nur 17 intakt, rund 70% der Betten waren betroffen. Zu Kriegsende musste der Betrieb vorübergehend gänzlich eingestellt werden (im April befand sich das Krankenhaus im Kampfgebiet), erst in der zweiten Maihälfte 1945 konnte es seine Arbeit wieder aufnehmen; es leistete einen wichtigen Beitrag bei der Ruhr- und Typhusbekämpfung (ca. 700 Typhuskranke aufgenommen). Das Spital hatte 1938 noch über 965 Betten verfügt, davon konnte man bis April 1946 nur 627 wiederherstellen. Auch das Kesselhaus, das Küchengebäude, der Kanal, Strom-, Wasser- und Gasleitungen sowie das Röntgeninstitut mussten repariert werden, 15.000 m³ Schutt befanden sich am Gelände. Der Wiederaufbau kostete bis 1950 10 Millionen Schilling. Bis 1948 war der Röntgenbetrieb auf drei Orte verteilt, dann bewilligte die Gemeinde Mittel für den Wiederaufbau eines zentralen Röntgeninstituts. Ab 1951 erfolgte der Ausbau zum modernen Infektionsspital – ein neuer vierstöckiger Pavillon mit 50 Krankenzimmern war als das modernste Krankenhaus Wiens konzipiert. 1953 wurde der Einbau einer Radioanlage durchgeführt, alle 800 Betten erhielten Anschluss an den Rundfunk. Für 1953 wurden 14 Millionen Schilling für die Behebung von Kriegsschäden bereitgestellt; 1954 gab der Gemeinderat nochmals 4,7 Millionen Schilling für die Instandsetzung des Infektionskrankenhauses frei.
Operationssaal im G-Pavillon des Kaiser-Franz-Josef-Spitals, 27. Februar 1954

Öffentliche Kinderspitäler 1946

Bauschäden am Leopoldstädter Kinderspital, 1949

Öffentliche Heime und Anstalten 1946

Der neu-renovierte Pavillon "Hermann" in der Lungenheilstätte, 1951

Öffentliche Krankenhäuser und Anstalten außerhalb Wiens 1946

  • C. M. Frank-Kinderspital (Lilienfeld)
  • Kinderheilanstalt Bad Hall (Oberösterreich)
  • Kinderheilanstalt Sulzbach-Ischl (Sulzbach, Oberösterreich): Ab Jänner 1954 vom Wiener Jugendhilfswerk als Kindererholungsheim geführt
  • Kinderheilanstalt San Pelagio (Rovinj, Jugoslawien): bis zum Zweiten Weltkrieg geführt von der Stadt Wien, ab 1947 im Besitz Jugoslawiens

Private Krankenanstalten 1946

Jüdische Krankenanstalten 1946

Siehe auch:

Quellen

Literatur

  • Magistrat der Bundeshauptstadt Wien (Hg.): Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947. Wien 1949
  • Andrea Praschinger: Wiener Krankenanstalten ab 1900. Kontinuität und Wandel bei der stationären medizinischen Versorgung. Medizingeschichte Bd. 4. Wien/Berlin LIT Verlag 2008
  • Andreas Weigl: Zur „Kommunalisierung“ des Wiener Gesundheitswesens im Kontext der Genesis und Weiterentwicklung von „Public Health“ (circa 1850-1960). In: Verena Pawlowsky/Harald Wendelin: Von Wohltätigkeit zu „Public Health“. Die Nathaniel Freiherr von Rothschild’sche Stiftung und das Wiener Spitalswesen. Mit Beiträgen von Ilse Reiter-Zatloukal und Andreas Weigl. Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 64. Innsbruck-Wien: StudienVerlag 2024, S. 23–44.