Displaced Persons

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Sowjetische Soldaten führen einen Zug ungarischer Displaced Persons aus Mauthausen zurück in ihre Heimat, 13.08.1945
Daten zum Eintrag


Der Begriff "Displaced Persons (DPs)" definierte in der Nachkriegszeit verschleppte, außerhalb ihrer Heimatländer befindliche Personen wie ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Dazu zählten auch Überlebende des Holocausts, etwa Jüdinnen und Juden, denen von 1945 bis 1948 die Flucht über Wien nach Palästina/Israel gelang.

Fluchtbewegung als Folge des Zweiten Weltkriegs

Die Kampfhandlungen und Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs setzten umfassende Migrationsbewegungen in Gang. Nach dem Kriegsende 1945 trugen die alliierten Verwaltungsbehörden in Europa die Verantwortung für bis zu 30 Millionen geflüchtete Menschen. Davon befanden sich an die 1.650.00 im neu erstandenen Österreich, dies bei einer Gesamtbevölkerung von etwa sechs Millionen. Ihre nationale Herkunft war ebenso divers wie die Ursachen ihres aktuellen Aufenthaltsortes. Eine große Gruppe bildeten ehemalige Zwangs- und Fremdarbeiter sowie Kriegsgefangene aus Ost- und Westeuropa, eine weitere setzte sich aus ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, Volksdeutschen oder auch umgesiedelten Südtirolern zusammen. Ein Teil bestand aus ehemaligen jüdischen Insassen der Konzentrations- und Arbeitslager. Der Großteil dieser Displaced Persons wollte nach Palästina emigrieren, doch die britischen Mandatsbehörden untersagten ihre Einreise, da sie weitere Ausschreitungen seitens der arabischen Bevölkerung befürchteten.

Auffanglager für jüdische „Displaced Persons“ (DPs)

Im Jahr 1945 befanden sich etwa 50.000 jüdische Displaced Persons in Wien, diese waren aus den NS-Konzentrationslagern befreiten Menschen und vor allem ungarische Zwangsarbeiter, die zu Kriegsende hier verfrachtet und eingesetzt wurden. Sie konnten zunächst noch repatriiert werden. Doch aufgrund eines neu aufflammenden Antisemitismus in Osteuropa wollten jüdische Displaced Persons bald nicht mehr dorthin zurück. So wurden am 4. Juli 1946 im Kielce über 40 Jüdinnen und Juden ermordet, an die 100.000 flüchteten daraufhin aus Polen nach Österreich. 1947 hatten an die 30.000 aus Rumänien Kommenden dasselbe Ziel. Da in der sowjetischen Besatzungszone prinzipiell keine Flüchtlingslager errichtet wurden, oblag ihre Versorgung den Westalliierten, insbesondere der amerikanischen Besatzungsmacht. Diese versuchten die Flüchtlingsströme zu strukturieren. Die Displaced Persons waren keine homogene Gruppe, daher wurden in Wien zahlreiche streng nach Nationalitäten getrennte Auffanglager in Baracken, Kasernen, Schulen oder Hotels eingerichtet. Diese waren als Transitstationen geplant, tatsächlich kam es fast täglich zu An- und Abreisen.

Die Insassen mussten mit Schlafstätten, Lebensmitteln, Medikamenten, Hygieneartikeln etc. versorgt werden. Weit verbreitet waren Krankheiten wie die Tuberkulose, dazu Typhus, Menengitis und Ruhr. Neben der Verhinderung von Gewalt und Kleinkriminalität musste auch für den Weitertransport der völlig mittellosen Flüchtlinge gesorgt werden. Die Unterbringung in ehemaligen KZ-Außenstellen und anderen NS-Einrichtungen sowie die mangelnde Versorgung verbitterten viele dort Untergebrachte. Dies wurde auch im der US-Regierung vorgelegten Harrison-Report im August 1945 festgehalten, woraufhin jüdische Displaced Persons eine besser Versorgung und Behandlung erhielten. An Hilfsorganisationen war nach Kriegsende das United Nation Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) für die Displaced Persons tätig, ab 1948 übernahm die International Refugee Organisation (IRO) sukzessive die Versorgung der Displaced Persons, für die jüdischen unter ihnen war das American Jewish Joint Distribution Committee (Joint) tätig. In Österreich gründete der KZ-Überlebende Bronislaw Teichholz bereits 1945 das "Internationale Komitee für durchreisende jüdische KZ-ler und Flüchtlinge", das von der Bundesregierung und den Alliierten anerkannt wurde. Dessen Aufgaben wurden später von der in Palästina gegründeten „Brichah“ übernommen. Erst 1951/52 kam die Migrationsbewegung jüdischer Überlebender zum Stillstand.

Drehscheibe Wien

Wien entwickelte sich aufgrund seiner zentralen Lage zur Drehscheibe und beherbergte 13 Lager für jüdische Displaced Persons. Die Zahl der in Wien befindlichen Displaced Persons sank bis 1948 auf 12.000. Bis 1954 wurden Schätzungen zufolge bis zu einer Viertelmillion Juden über Wien nach West-Österreich verbracht. Für jüdische Displaced Persons war die erste Anlaufstation in Wien das notdürftig renovierte und von Bronislaw Teichholz geleitete ehemalige Rothschildspital am 18., Währinger Gürtel 97-99. Zu diesem Zeitpunkt konnte es an die 600 Flüchtlinge in fünf Räumen unterbringen. Später kamen bis zu 100 pro Tag, sodass es zu Spitzenzeiten bis zu 8.000 Menschen waren, im Sommer 1946 zogen 52.000 Flüchtlinge durchs Lager. Bis 1952 machten an die 250.000 Menschen hier Station. Weitere Lager befanden sich in der US-Zone im 9. und 17. Bezirk (Alserbachstraße 23, Pfluggasse 1, Frankgasse 2 beziehungsweise Arzbergergasse 2, Rupertusplatz 1 und Pezzlgasse 29). Hinzu kam das ehemalige IKG-Altenheim in der 9., Seegasse 9-11. Auch ehemalige jüdische Einrichtungen in der sowjetischen Zone wurden zum DP-Lager umfunktioniert. Diese waren das Altersheim in der 2., Malzgasse 7 und die Talmud-Thora-Schule in der Malzgasse 16.

Von Wien ging die Reise weiter in die Auffanglager in Linz-Bindermichl, Wels, Ebensee, Bad Ischl, Bad Goisern, Bad Gastein und Salzburg. Ein geringerer Prozentsatz gelangte nach Graz, Judenburg und Trofaiach in der britischen Zone. Das American Jewish Joint Distribution Committee errichtete in den DP-Lagern Schulen und Ausbildungsstätten, organisierte Kultur- und Sportveranstaltungen und half beim Aufbau von Publikations- und Kommunikationsmöglichkeiten. Auch die Kultusgemeinde in Wien wurde finanziell unterstützt. Der 21. April 1947 wurde zum Wendepunkt in der amerikanischen DP-Politik. Ab diesem Zeitpunkt blieben ihre DP-Lager für Neuangekommene gesperrt. Dies betraf vor allem die Jüdinnen und Juden einer neuerlichen Fluchtbewegung aus Rumänien. Viele von ihnen wurden vom lokalen Personal dennoch aufgenommen und unter den Namen bereits Abgereister gelistet. Daher ist auch die tatsächliche Zahl jüdischer Displaced Persons im Nachhinein nur schwer zu schätzen.

Konflikte rund um die jüdischen DPs

In Österreich blieben verbalen Attacken speziell gegen die jüdischen Displaced Persons nicht aus. Einzelne Politiker und Medien verwiesen auf ihre angebliche Bevorzugung bei der Lebensmittelverteilung gegenüber der lokalen Bevölkerung oder überzeichneten ihre Rolle bei der Klein- und Schwarzmarktkriminalität. Unter Hinweis darauf verweigerte Kardinal Theodor Innitzer 1946 in einem Hirtenbrief einen Hinweis auf den aktuellen Antisemitismus. Parlamentspräsident Leopold Kunschak war schon aus der Zwischenkriegszeit für seine Judenfeindlichkeit bekannt, die nun in seinen Reden erneut auftauchte. Staatskanzler Karl Renner sprach sich gegen eine intensive Neuansiedelung von Juden in Wien aus. Vizekanzler Adolf Schärf stellte Überlegungen an, die Unterbringungskosten für Displaced Persons in Hotels von den Restitutionsansprüchen ihres Besitzes beraubter Juden abzuziehen. Innenminister Oskar Helmer beteuerte immer wieder sein Verständnis für die Lage der Displaced Persons und forcierte gleichzeitig die Schließung der Grenzen für diese. Als prägnant für diese Zeit ist bis heute sein Diktum, die Entschädigungszahlungen an Juden für ihr geraubtes Gut „in die Länge zu ziehen“. Da all diese Aussagen bei den Alliierten negativ registriert wurden, publizierte Wiens Bürgermeister Theodor Körner 1947 den Artikel „Das Märchen vom Antisemitismus in Wien“, wobei er von „Rufmord an der Heimat“ sprach.

Auch innerhalb der DP-Lager kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Die KZ-Überlebenden bildete mit dem Jüdischen Zentralkomitee eine Art Regierung, die forderte, dass gegen die ehemaligen „Judenräte“ und andere mit dem NS-Regime Involvierte Anklage erhoben und über sie geurteilt werde. Dabei wurde der Fokus auf ehemalige Angehörige der Jüdischen Hilfspolizei, des Ordnungsdiensts und der Lagerpolizei sowie Kapos und Blockältesten in Konzentrationslagern gelegt. Es fanden auch Ehrengerichte statt, in Ebensee wurde ein ehemaliger KZ-Kapo sogar hingerichtet.

Weiterreise nach Palästina

Wesentliche Hilfe für die jüdischen Displaced Persons kam von der „Brichah“. Die Wiener Sektion wurde von Bronislaw Teichholz aufgebaut, bis am 1. November 1945 Asher Ben-Natan aus Palästina ankam, um die Leitung zu übernehmen. Ihre Aufgaben waren vielfältig. Sie schleuste die Displaced Persons nach ihrem Grenzübertritt nach Wien und weiter nach Westösterreich und von dort zu Fuß über Alpenpässe nach Italien oder Deutschland, wo sie ein Schiff nach Palästina bestiegen. Dabei musste sie ernährt und medizinisch versorgt werden, hinzu kamen zahlreiche Interventionen bei den Behörden in juristischen Belangen. Ihr Hauptquartier befand sich im Hotel „Westminster“ in der 9., Harmoniegasse 5, später in der 9., Frankgasse 2. Mit der Gründung des Staates Israel am 15. Mai 1948 endete das Einreiseverbot für Jüdinnen und Juden und die „Brichah“ konnte ihre Fluchthilfe-Tätigkeit einstellen.

Erster Lufttransport von jüdischen Displaced Persons aus Österreich nach Israel, 25.11.1948

Literatur

  • Thomas Albrich (Hg.): Flucht nach Eretz Israel. Die Bricha und der jüdische Exodus durch Österreich nach 1945. Innsbruck, Wien 1989.
  • Thomas Albrich: Exodus durch Österreich. Die jüdischen Flüchtlinge 1945–1948. Innsbruck 1987
  • Christine Oertel: Juden auf der Flucht durch Austria. Jüdische Displaced Persons in der US-Besatzungszone Österreichs. Wien 1999.
  • Doron Rabinovici: Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938–1945. Der Weg zum Judenrat. Frankfurt am Main 2000.
  • Oliver Rathkolb: Zur Kontinuität antisemitischer und rassistischer Vorurteile in Österreich 1945/1950, in: Zeitgeschichte 5/1989, 167–179.
  • Manfried Rauchensteiner: Der Sonderfall. Die Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955. Graz 1995.
  • Mark Wyman: DPs. Europe’s Displaced Persons, 1945 –1951. Cornell UNiv. Press 1989.

Weblink

Überlebende von Lagern und Zwangsarbeit]