Typhus

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Letzte Änderung am 28.09.2023 durch WIEN1.lanm08uns

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Die Erste Wiener Medizinische Schule zeichnete sich durch genaue klinische Beschreibungen dieses damals noch oft als "Nerven- und Faulfieber" bezeichneten Krankheitsbildes aus. Johann Valentin von Hildenbrand grenzte 1810 im Allgemeinen Krankenhaus den Typhus als selbständiges Krankheitsbild ab. Damals noch der Humoralpathologie und später dem Brownianismus verhaftet, wurden vor allem eine Bädertherapie zur Fiebersenkung sowie Diät propagiert. Erst Carl Rokitansky (mit dem Kliniker Joseph Skoda maßgeblicher Begründer der Zweiten Wiener Medizinischen Schule) hat um die Mitte des 19. Jahrhunderts den Typhus auf eine festgefügte pathologisch-anatomische Grundlage gestellt. Skoda setzte sich auch für die Bekämpfung des Typhus durch die Reinigung des Wiener Wassers ein, dessen ätiologische Bedeutung für die Übertragung der Typhuskeime er erkannt hatte. Ab 1858 forderte er daher den Bau der Hochquellenleitung (Bau 1870-1873). 1871 wurden im Allgemeinen Krankenhaus noch 1530 Typhusfälle ausgewiesen, bis 1879 sank die Zahl auf 180.

1896 konnte Max Gruber (siehe auch Hygiene) gemeinsam mit Herbert E. Durham (1866-1945) eine Agglutinationsreaktion zum serologischen Frühnachweis des Typhus entwickeln, musste sich aber in einem Prioritätsstreit dem Pariser Georges Widal (1862-1929) geschlagen geben, der im selben Jahr, jedoch etwas vor Gruber, etwas publiziert hatte; auch in der klinischen Erprobung hinkte Wien gegenüber Paris etwas nach, denn in Wien gab es dank der Hochquellenleitung nach deren Inbetriebnahme nur zwei Typhusfälle, die an der ersten Medizinischen Universitäts-Klinik unter Hermann Nothnagel aufgenommen waren. Grubers Schüler Albert S. Grünbaum untersuchte dort die Typhus-Agglutination (als "Gruber-Widalsche Reaktion" hat diese Serumprobe schließlich in die Geschichte der Immunologie Eingang gefunden).

Neben Typhusepidemien in der Stadt (beispielsweise 1855/1856) brachen auch in Vorstädten und Vororten (so 1844 in Währing, 1845 in Sechshaus und noch 1913 in Atzgersdorf) vor dem Anschluss an Hochquellenleitungen immer wieder Typhusepidemien aus. Zu den prominenten Opfern des Typhus gehören unter anderem Josef Lanner (1843), der Maler Johann Nepomuk Ender (1854) und der Bildhauer Hieronymus Moosbrugger (1858); außerhalb Wiens starben an Typhus bspw. Ferdinand Bernhard Vietz (1815 in Zara), Eduard Gurk (1841 in Jerusalem) und Franz Xaver Munsch (1862 in Karlsbad). Zu den in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager an Typhus Verstorbenen gehört beispielsweise Jura Soyfer.

Siehe auch: Epidemie, Cholera, Pocken, Spanische Grippe.

Literatur

  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6) (Register, insbesondere S. 50 ff., 597 f.)
  • Johann Valentin von Hildenbrand: Ueber den ansteckenden Typhus nebst einigen Winken zur Beschränkung oder gänzlichen Tilgung der Kriegspest und mehrerer anderer Menschenseuchen. Wien: Degen 1810
  • Johann Nepomuk von Raimann: Handbuch der speciellen medicinischen Pathologie und Therapie. Band 2. Wien: Volke 1826, S. 54, 73
  • Theodor Helm: Die Typhusepidemie zu Wien vom November 1855 bis Ende März 1856. Wien: Zamarski 1857
  • Wilhelm Winternitz: Zur Behandlung des typhösen Fiebers mit Wärmeentziehungen. Quedlinburg: Basse 1883
  • Max Neuburger: Die Behandlung des Typhus im Allgemeinen Krankenhaus anno 1796. In: Wiener medizinische Presse 37 (1896), S. 935 ff.
  • Max Gruber: Herbert Edward Durham, Eine neue Methode zur raschen Erkennung des Choleravibrio und des Typhusbacillus. In: Münchner medizinisches Wochenblatt 43 (1896), S. 285 f.
  • Max Gruber: Überactive und passive Immunität gegen Cholera und Typhus sowie über die bacteriologische Diagnose der Cholera und des Typhus, in: Wiener klinische Wochenschrift 9 (1896) 11 und 12
  • Max Gruber: Prioritätsanspruch bezüglich der Wirkungsweise der Immunsera gegen Cholera und Typhus und ihrer diagnostischen Verwerthung, in: Wiener klinische Wochenschrift 14 (1888)
  • Georges F. I. Widal / Arthur Sicard: Recherches de la réaction agglutinante dans le sang et le sérum desséchés des typhiques et dans la sérosité des vesicatoires, in: Bulletins et mémoires de la Société médicale des hôpitaux de Paris 3 (1896) 13, S. 681 f.
  • Albert Sidney Grünbaum: Über den Gebrauch der agglutinirenden Wirkung von menschlichem Serum für die Diagnose des menschlichen Abdominaltyphus. In: Münchner medizinische Wochenschrift 44 (1897), S. 330 ff.
  • Albert Herz: Beobachtungen bei der Serumbehandlung des Abdominaltyphus mit besonderer Berücksichtigung der Gruber-Widalschen Reaktion. In: Wiener klinische Wochenschrift 22 (1909), S. 50
  • Nikolaus v. Jagic: Zur Geschichte des Typhus abdominalis. In: Wiener klinische Wochenschrift 58 (1946), S. 18 ff.