Erste Wiener Medizinische Schule

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Das Josephinum um 1795, nach Johann Andreas Ziegler
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BildnameName des Bildes Josephinum Johann Andreas Ziegler.jpg
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Vorgeschichte

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts stand die Wiener Universität unter jesuitischem Einfluss, welcher in seiner Betonung der Scholastik, der Lehren des Aristoteles und der Bibel als Beweis für die Richtigkeit medizinischer Theorien verharrte und sich neueren wissenschaftlichen Richtungen verschloss. Mit dem Regierungsantritt Maria Theresias trat jedoch bald eine Wende ein. Die Herrscherin suchte die medizinische Ausbildung vielmehr den praktischen Erfordernissen anzupassen. 1745 berief sie den aus der Schule von Herman Boerhaave in Leiden stammenden Gerhard (Gerard) van Swieten als Leibarzt nach Wien.

Van Swieten und die Universitätsreform

Van Swieten erhielt mit seiner Berufung eine Professur an der medizinischen Fakultät der Universität Wien und wurde Präfekt der Hofbibliothek. Er erhielt den Auftrag, einen Plan für Reform des medizinischen Studiums auszuarbeiten, den er 1749 Maria Theresia vorlegte. Diese billigte diesen umgehend und ernannte van Swieten zum Direktor und Präses der medizinischen Fakultät mit dem Recht, die Umsetzung der Studienreform zu überwachen. Gegen heftigen Widerstand der Mitglieder der Fakultät setzte van Swieten die neue Studienordnung um. Die Taxen für Prüfungen wurden gesenkt, die Professorengehälter erhöht, eine neue Lehrkanzel für Botanik und Chemie geschaffen und das Studium generell auf die praktische ärztliche Tätigkeit orientiert. Ab 1760 wurde eine eigene Hofkommission für Studienangelegenheiten eingerichtet. Die Bedeutung van Swietens, der bis zu seinem Tod 1772 Motor der Reform blieb, lag in seinem praktischen Zugang zur Medizin und seinem großen Organisationstalent. Unter seiner Ägide wurden bedeutende Mediziner nach Wien berufen, sodass ab den 1780er Jahren Wien Anziehungspunkt für viele Studenten und Ärzte wurde.

Unter Joseph II. kam es 1785 zur Gründung des Josephinums zum Zweck der anatomischen Anleitung und einer Studienreform. Der Unterricht in Chemie, Anatomie, Physiologie und Naturgeschichte erfolgte ab dann in deutscher Sprache. Zum Abschluss eines Studiums waren praktische Prüfungen am Krankenbett und die Verfassung von Krankengeschichten vorgeschrieben. Die Inaugurialdissertation entfiel.

Bedeutende Persönlichkeiten

Unter den von van Swieten angeregten und initiierten Berufungen nahm jene von Anton de Haen eine ganz besondere Stellung ein. De Haen war Studienkollege von van Swieten in Leyden gewesen. Er erhielt 1754 eine Professur für praktische Medizin in Wien. Im Bürgerspital erhielt er eine Klinik mit je sechs Betten für Frauen und Männer, in der Kranke aus dem Bürgerspital und dem Dreifaltigkeitsspital eingeliefert wurden und die zu Studienzwecken diente. Zudem wurde eine Ambulanz eingerichtet. Studenten wurden in Klinik, Ambulanz und bei Sektionen zugezogen. Diese Innovationen zogen viele Interessierte nach Wien. Als Arzt setzte de Haen auf die Heilkräfte der Natur, lehnte Purgier- und Brechmittel, nicht jedoch den Aderlass, ab, verwendete zu Diagnosezwecken den Thermometer und führte Versuche mit Blut und Harn durch.

De Haens Schüler und Nachfolger Maximilian Stoll, ein hervorragender Kliniker, steigerte den internationalen Ruf der Ersten Wiener Medizinischen Schule. Obwohl noch Anhänger der hippokratischen "Vier-Säfte-Lehre", übernahm er die 1761 von Leopold Auenbrugger entdeckte Methode des Beklopfens ("Perkussion") des Brustraums, womit er der Vorläufer der Zweiten Wiener Medizinischen Schule wurde.

Den Lehrstuhl für Chemie und Botanik hatte Nikolaus Joseph von Jacquin inne. Er verfasste ein Lehrbuch der praktischen medizinischen Chemie und war Mitarbeiter der 1775 eingeführten Pharmakopöe. Jacquin beendete seine Lehrtätigkeit 1796. Der nach Wien berufene Jan Ingen-Housz führte die Pocken-Inokulation als Impfmethode in Wien mit Erfolg ein, wobei bei dieser Methode allerdings in seltenen Fällen tödlich verlaufende Neuerkrankungen auftraten. Der im anatomischen Unterricht tätige Lorenz Gasser entdeckte die Umschaltstelle des Gesichtsnervs (Ganglion Gasseri).

Mangels Narkose und antiseptischer Wundbehandlung beschränkte sich die Chirurgie auf Unfallversorgung, Starstich und Blasensteinschnitt (Vinzenz Kern). Der Augenarzt Joseph Barth führte über 3.000 Staroperationen durch. 1812 begründete Barths Schüler Georg Joseph Beer im Allgemeinen Krankenhaus Wien die erste Augenklinik der Welt.

Heinrich Nepomuk Crantz, der eine Professur für theoretische Medizin innehatte, propagierte den natürlichen Geburtsverlauf und wandte sich gegen zu häufige Verwendung der Geburtszange. Er verbesserte auch Geburtshilfeinstrumente. Die Geburtshilfe wurde in Wien von Johann Lukas Boër begründet, der die konservativen den operativen Methoden vorzog. Geisteskranke wurden im josephinischen "Irrenturm" (im seit 1784 bestehenden Allgemeinen Krankenhaus) gepflegt; Johann Peter Frank erleichterte als Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Wien deren Schicksal, trug selbst immer Medizin vor und wurde zum Begründer der Fächer Hygiene und Gerichtsmedizin.

siehe auch: [[Instruktionen für die Sekundarärzte im Allgemeinen Krankenhaus))

Literatur

  • Sabine Fellner/Katrin Unterreiner: Medizin in Wien. Semmelweis, Billroth & Co. Wien: Metroverlag 2010
  • Erna Lesky: Österreichisches Gesundheitswesen im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus (Archiv für österreichische Geschichte 122/1). Wien: Rudolf M. Rohrer 1959
  • Erna Lesky: Meilensteine der Wiener Medizin. Große Ärzte Österreichs in drei Jahrhunderten. Wien: Maudrich 1981
  • Max Neuburger: Das alte medizinische Wien in zeitgenössischen Schilderungen. Wien: Perles 1921
  • Theodor Puschmann: Die Medicin in Wien während der letzten 100 Jahre. Wien: Perles 1884
  • Leopold Schönbauer: Das medizinische Wien. Geschichte, Werden, Würdigung. Wien: Urban & Schwarzenberg 1947
  • Helmut Wyklicky: 200 Jahre Allgemeines Krankenhaus Wien. Wien: Jugend & Volk 1984