Chemie
Die chemische Forschung beschränkte sich im Mittelalter auf Alchimie und Goldmacherkunst. Mit Paracelsus begann die Beschreibung der Heilquellen (Balneologie), mit Gerhard van Swieten die wissenschaftliche Chemie.
1749 wurde an der Wiener Universität die erste Lehrkanzel für Chemie eingerichtet, 1777 gab Johann Heinrich Edler von Cranz das erste österreichische Bäderbuch heraus. Im 19. Jahrhundert wurde Anton Schrötter zum großen Organisator des Chemieunterrichts, durch den der österreichischen chemischen Industrie neue Wege geöffnet wurden.
Romer erfand die Phosphor-Zündhölzer (1830), Adolf von Lieben begründete eine neue auf der Theorie der Atomverkettung basierende Richtung der Organischen Chemie und ist als deren Pionier anzusehen, Ernst Ludwig erforschte Gifte und Heilquellen, Carl Auer von Welsbach entdeckte die „Seltenen Erden", Zdenko Hans Skraup beschäftigte sich mit der Chemie der Pflanzenstoffe, Ernst Späth setzte die Tradition der Naturstoffchemie fort (die von Rochleder, Hlasiwetz, Redtenbacher und Gottlieb begonnen worden war); Rochleder und Hlasiwetz begründeten die phytochemische Forschungsrichtung, die für die Chemie in Österreich lange Zeit von entscheidender Bedeutung war, Josef Herzig beschäftigte sich mit den Gerb- und Pflanzenfarbstoffen, Rudolf Wegscheider mit der chemischen Thermodynamik und den Reaktionsgleichgewichten, wodurch er zum Pionier der Physikalischen Chemie wurde und diese Studienrichtung organisierte.
Ludwig Barth von Barthenau erforschte Naturstoffe, Hugo Weidel untersuchte die Alkaloide, Josef Maria Eder wurde zum Bahnbrecher der Photochemie (er schuf 1888 die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien), Cornelio August Doelter begründete die Physikalisch-chemische Mineralogie, Karl August Kellner war ein Pionier der Zellstoffherstellung.
Johann Natterer, Josef Loschmidt und Otto Margulies betätigten sich erfolgreich auf dem Gebiet der Anorganischen Chemie, Hönigschmid war ein namhafter Atomgewichtsforscher.
Richard Zsigmondy (Nobelpreis) erfand das Ultramikroskop und war ein Mitbegründer der Kolloidforschung, Fritz Pregl (1. österreichischer Nobelpreisträger für Chemie) begründete die Organische Mikro-Elementaranalyse und machte Österreich (gemeinsam mit Emich und Molisch) zu einem weltbekannten Zentrum der mikrochemischen Forschung.
Wolfgang Pauli untersuchte die Elektrochemie der Eiweißstoffe, Richard Johann Kuhn ist ein Vertreter der Biochemie, Feigl der Anorganischen Mikroanalytik, Hermann Franz Mark erforschte kompliziert zusammengesetzte anorganische Verbindungen, Richard Wasicky stellte die Mikrochemie in den Dienst der Drogenanalyse.
K. J. Bayer entwickelte ein Verfahren zur Tonerde-Erzeugung und erwarb sich damit um die Aluminiumindustrie Verdienste. In der Zwischenkriegszeit sind bahnbrechende chemische und physikalische Leistungen erbracht worden (siehe Erwin Schrödinger).
In Wien wurde eine Reihe einschlägiger Fachgesellschaften gegründet: 1869 die Chemisch-physikalische Gesellschaft, 1895 der Verein für Förderung des physikalischen und chemischen Unterrichts, 1897 der Verein Österreichischer Chemiker, 1949 die Gesellschaft für Chemiewirtschaft und 1952 die Biochemische Gesellschaft.
Neben den chemischen Instituten der Universität Wien (siehe Altes Chemisches Institut, Neues Chemisches Institut) bestehen in Wien auch im Rahmen anderer Institutionen chemische beziehungsweise chemisch-technische Laboratorien, unter anderem am Hauptmünzamt (1839), an der Geologischen Bundesanstalt (1849), am Hauptpunzierungsamt (1858), an der Versuchsstation für Gärungsgewerbe (1887), an der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung (1897), am Technologischen Gewerbemuseum (1920) und im Arsenal (1953); die Versuchsanstalt für Chemie an der Bundeslehr- und Versuchsanstalt für chemische Industrie und Gewerbe wurde 1887 gegründet, das Chemische Forschungsinstitut der Wirtschaft Österreichs 1945, das Chemisch-technische Laboratorium „Chemotechnik" 1947.
Literatur
- Richard Bamberger / Franz Maier-Bruck: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Österreichischer Bundesverlag / Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1966
- Günter Chaloupek / Peter Eigner / Michael Wagner [Hg.]: Wien. Wirtschaftsgeschichte 1740-1938. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1991, Register
- Robert Grill: Döbling - die Wiege der chemischen Industrie in Österreich. In: Döblinger Museumsblätter 24-25 (1971), S. 4 ff.
- Gerlinde Sanford: Wörterbuch von Berufsbezeichnungen aus dem siebzehnten Jahrhundert. Gesammelt aus den Wiener Totenprotokollen der Jahre 1648-1668 und einigen weiteren Quellen. Bern / Frankfurt am Main: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, 136), S. 64 (Chemicus)
- Bezirksheimatkunden, Register