Neurologisches Krankenhaus Maria-Theresien-Schlössel
48° 14' 33.72" N, 16° 21' 8.89" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Nervenheilanstalt "Maria-Theresien-Schlössel", offiziell zuletzt Neurologisches Krankenhaus der Stadt Wien - Maria-Theresien-Schlössel (19., Hofzeile 18-20) war ein neurologisches Krankenhaus, das auf die Nathaniel Freiherr von Rothschild'sche Stiftung für Nervenkranke in Wien zurückging. Untergebracht war sie im Maria-Theresien-Schlössel, einem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichteten Rokokoschlösschen.
Das Gebäude
1441 erwarben die Wiener Bürger Hans und Anna Kieller von Hans Puchheim (vormals Hofmeister Albrechts V.) den Döblinger Hof, veräußerten ihn jedoch bereits 1448 an das Stift Spital am Pyhrn (in dessen Besitz er bis 1606 blieb). Nach mehrfachem Besitzwechsel wurde der Döblinger Hof 1683 durch die Osmanen niedergebrannt; die Weingärten wurden zerstört und bis 1686 in Äcker umgewandelt. Die Witwe des Hofkammerexpeditors Severin von Sartori (der den Hof 1691 erworben hatte) verkaufte das Gut an den Oberkriegskommissarius Stephan von Messa, der in Döbling mehrere Häuser besaß. Wohl unter einem Nachfolger (jedenfalls erst nach 1745) wurde ein Schlösschen im Rokokostil erbaut, das von einem Park umgeben war. 1757 kam der Besitz an Feldmarschall Leopold Graf Daun, der ihn zu seinem Sommersitz machte und auf diesem 1766 starb.
Es gibt keinen grundbücherlichen oder urkundlichen Hinweis, dass sich das Gut im Besitz des Kaiserhofs (oder Maria Theresias) befunden hat; zur Legendenbildung dürfte beigetragen haben, dass die Tochter der Obersthofmeisterin und Jugendgespielin Maria Theresias, Josefa Gräfin Fuchs, mit Leopold Graf Daun vermählt war. Nach weiteren Besitzwechseln (1766 Therese Fürstin Poniatowski, geborene Kinsky; 1795 Franz Gundacker Fürst von und zu Colloredo-Mannsfeld) kam das Gut 1807 an die Theresianische Ritterakademie.
Ab 1877 war Heinrich Abeles Eigentümer der Liegenschaft, die er geerbt hatte und die in der Folge im Eigentum der Familie Abeles blieb. Die letzten Eigentümer vor Ankauf durch die Stiftung waren seit 1903 Rudolf, Ludwig und Theodor Abeles (1903 Änderung des gemeinsamen Familiennamens zu Albrecht) zu je einem Drittel.
Die Nervenheilanstalt "Maria-Theresien-Schlössel"
In seinem Testament stiftete Nathaniel Freiherr von Rothschild (gestorben 13. Juni 1905) ein Kapital von 20 Millionen Kronen, dessen Zinserträgnisse zur Errichtung und Erhaltung von Anstalten für Nervenkranke verwendet werden sollten. Damit kaufte das eingesetzte Stiftungskuratorium zwei Liegenschaften, eine am Rosenhügel, wo die Nervenheilanstalt am Rosenhügel erbaut wurde, und eine in Döbling. Mit Kaufvertrag vom 20. Juli 1908 (Grundbuchseintrag 31. Juli 1908) erwarb das Stiftungskuratorium hier von den Brüdern Albrecht das Areal des Maria-Theresien-Schlössels, um eine Heilanstalt für Nervenkranke zu errichten. Der Kaufpreis für das 10.555,04 Quadratmeter große Areal betrug 474.976,80 Kronen.
Der Ausbau nach Plänen von Franz Freiherr von Krauss und Josef Tölk, die zusammen ein Architekturbüro betrieben, erfolgte 1912-1914 nach einem Prozess mit Anrainern, die den Bau einer "Irrenanstalt" bekämpften. Die Ausführung lag bei den Stadtbaumeistern Edmund Melcher – er war auch Gemeinderat – und Adolf Zwerina jun. Das Baukomitee der Stiftung leitete das Kuratoriumsmitglied Karl König. Die Bebauung gestaltete sich auch hinsichtlich der Integrierung des Maria-Theresien-Schlössels kompliziert, da dieses aufwendig saniert und renoviert werden musste. Dadurch war das Bauvorhaben schließlich teurer als ursprünglich geplant.
Direkt an das Schlössel angebaut, das heißt mit einer Durchfahrt verbunden und in die Baulinie gerückt, wurde das im Unterschied zum einstöckigen Schlösschen zweistöckige Administrationsgebäude, das im Parterre eine Ambulanz enthielt. In der Anlage fand sich ein reichhaltiges Raumangebot, das von administrativen Räumlichkeiten und Räumen, in denen die Behandlungen stattfanden (darunter auch ein Turnsaal), bis hin zu den Krankenzimmern. Letztere befanden sich in den dreigeschoßigen Krankenpavillons am anderen Ende des Gartens und boten Platz für mindestens 66 Kranke (Männer und Frauen). Hinzu kamen in den Krankenpavillons Tagräume, Speiseräume sowie eine Küche mit Gas- und Dampfbetrieb, die sich im zweiten Stock befand, um Küchengeruch im Haus zu vermeiden. Für die Hydrotherapie stand eine „Badeanstalt“ zur Verfügung, ein ebenerbiger Trakt, der gegen den Garten hin an die Krankenpavillons angebaut worden war.
Nachdem Ende 1913 der Umbau des Schlösschens und der Neubau des großen Krankengebäudes abgeschlossen war, übersiedelte die Verwaltung der Stiftung am 13. November 1913 in das adaptierte Schlösschen. Die Eröffnung der eigentlichen Heilanstalt fand aber erst am 2. März 1914 statt, nachdem Ende 1913 die notwendige letzte Benützungsbewilligung erteilt worden war.
Die Leitung der Anstalt wurde Prof. Emil Redlich übertragen. Das Personal wurde von der nahegelegenen Krankenanstalt Rudolfinerhaus mit ihrer Pflegeschule zur Verfügung gestellt (Vereins-Filial-Spital vom Roten Kreuz).
Die ausschließlich mit Nervenkrankheiten in eine der beiden Anstalten aufgenommenen Patientinnen und Patienten mussten nach Stifterwillen österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sowie mittellos sein. Da sich zeigte, dass es eine besonders große Nachfrage weiblicher Patienten gab, wurde im Maria-Theresien-Schlössel die Männer- und Frauenabteilung von Anfang an unterschiedlich groß geplant und zwei Drittel der Plätze (44 Betten zu 22 Betten) für Frauen reserviert.
Diese Anpassung an die unterschiedliche Nachfrage beendete allerdings der Erste Weltkrieg, denn ab 22. Februar 1915 diente die Heilanstalt als Spezialspital vom Roten Kreuz für Nervenverletzte und Nervenkranke. Damit zusammenhängend unterlag auch die Bettenzahl - bedingt durch die Kriegsereignisse - Schwankungen. Bei seiner Eröffnung 1914 bot das Krankenhaus mindestens 66, nach anderen Angaben 70 Personen Platz. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs erhöhte sich die Bettenzahl auf zunächst 126, bis 1918 auf 155. Im Mai 1938 meldete die Anstalt die Erhöhung der Bettenanzahl von 117 auf 132 Betten, die während des Zweiten Weltkriegs konstant blieb.
Die Anstalt im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit
Die Nervenheilanstalt in Döbling wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ebenso wie die Heilanstalt am Rosenhügel im Dezember 1938 im Zuge der Auflösung der Stiftung mit Bescheid des Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten in das Eigentum der Gemeinde Wien „eingewiesen“. Bei beiden blieb anfangs der Charakter von Heilanstalten für Nervenkranken erhalten. Die Anstalt in Döbling erhielt zunächst die Bezeichnung "Wiener städtische nichtöffentliche Heilanstalt Döbling". Am 25. Jänner 1939 wurde sie formell als „Nervenheilanstalt Döbling“ durch die Stadt Wien übernommen.
Worin sich der „Anschluss“ allerdings unmittelbar niederschlug, war die Entlassung jener Personen, die als Juden im Sinne der Nürnberger Rassengesetzen galten, darunter der ärztliche Direktor Dr. Josef Gerstmann, der die Anstalt seit 1930 leitete. Er wurde im März 1938 seines Dienstes enthoben. Ihm folgte die bereits an der Anstalt tätige Dr. Margarete Hübsch nach, die nach ihrem Wechsel auf den Spiegelgrund 1940 durch Alfred Auersperg ersetzt wurde.
Im Gegensatz zur „Nervenheilanstalt Rosenhügel“, die während Zweiten Weltkriegs wieder als Reservelazarett geführt wurde, blieb die „Nervenheilanstalt Döbling“, anders als im Ersten Weltkrieg, ein Zivilspital und damit in dieser Zeit die einzige verbliebene Nervenheilanstalt in Wien.
Im 10. September 1944 wurde die Nervenheilanstalt Maria-Theresien-Schlössel durch einen Bombentreffer schwer beschädigt. Getroffen wurde dabei der ab 1912 neuerrichtete und gegen die Pyrkergasse gelegene Krankentrakt der Anstalt. Laut Magistratsabteilung 17 (Anstaltenamt) war ein Drittel des Gebäudes zerstört. Nach Kriegsende war die Anstalt rund eine Woche lang von der sowjetischen Besatzungmacht belegt, wobei es zu Verlusten am Inventar kam.
Der genaue Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Betriebes ist nicht bekannt.
Mit 22. Mai 1953 erhielt die Anstalt in Döbling wieder ihren früheren Namen Maria-Theresien-Schlössel zurück.
Von jenen Personen, die nach dem „Anschluss“ im Jahr 1938 ihres Dienstes enthoben worden waren und zu einem großen Teil fliehen mussten, kehrte niemand an die Anstalt zurück.
Nachkriegszeit: Rückstellungsverfahren
In die Direktionszeit von Karl Novotny fiel im Juli 1956 die Reorganisation der Nathaniel Freiherr von Rothschild´schen Stiftung für Nervenkranke, der ein Rückstellungsverfahren folgte. 1957 entschied die Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen den Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft mit Teilerkenntnis zugunsten der Stiftung. Das Verfahren fand schließlich Ende 1962 durch einen Vergleich seinen Abschluss. Die grundbücherliche Eintragung der Stiftung datiert vom 30. August 1962. Dem Stiftungszweck entsprechend konnte die Weiterführung der Anstalt auf Kosten der Stadt Wien mit einem Übereinkommen am 5. April 1963 vereinbart werden.
1966 erfolgte die Umbenennung in "Neurologisches Krankenhaus der Stadt Wien - Maria-Theresien-Schlössel".
Forschungsbericht der Expertinnen- und Expertenkommission 2021
Zur Geschichte der Stiftung und der beiden Anstalten wurde eine unabhängige Kommission aus Expertinnen und Experten aus den Bereichen Recht und (Zeit-)Geschichte zusammensetzt, die auch das Rückstellungsverfahren eingehend behandelt. Der Bericht: Geschichte der Nathaniel Freiherr von Rothschild'schen Stiftung für Nervenkranke von ihrer Errichtung bis zu ihrer Reorganisation in der Nachkriegszeit. Erstellt im Auftrag der Geschäftsgruppen Soziales, Gesundheit und Sport (Stadtrat Peter Hacker) sowie Kultur und Wissenschaft (Stadträtin Veronica Kaup-Hasler. Wien 2021) wurde im September 2021 abgeschlossen und am 18. November 2021 der Öffentlichkeit präsentiert.
Neuorganisation und Verlegung
Zuletzt wurde das Krankenhaus als Spezialklinik für Langzeittherapie und Rehabilitation nach Gehirnschädigungen ausgebaut. Am 26. Februar 1997 wurde eine Apallikerstation eröffnet.
Am 6. November 1998 beschloss der Wiener Gemeinderat die Auflassung des Standortes und die Übersiedlung der einzelnen Stationen des Maria-Theresien-Schlössels in das Sozialmedizinische Zentrum Baumgartner Höhe-Otto Wagner-Spital. 2000 erfolgte die organisatorische Zusammenlegung mit dem SMZ Baumgartner Höhe und die Umbenennung in "Neurologisches Zentrum Rothschild-Stiftung - Maria-Theresien-Schlössel des Wiener Krankenanstaltenverbundes“. 2002 wurde die Anstalt schließlich an dessen Standort, 14., Baumgartner Höhe 1, verlegt und in drei Pavillons (3,5 und 11) untergebracht.
Am 3. Dezember 2001 erfolgte der Verkauf der Liegenschaft an die Stadt Wien. Der Verkaufserlös dient weiter dem Stiftungszweck. Im Maria-Theresien-Schlössel ist die Lauder Business School eingezogen.
Im Zuge der Umbenennung des Wiener Krankenanstaltenverbunds in Wiener Gesundheitsverbund wurde das Otto-Wagner-Spital mit 1. Juni 2020 in Klinik Penzing umbenannt.
Ärztliche Direktoren und Abteilungsleiter
- Emil Redlich, 1914-1930
- Josef Gerstmann, 1930-1938
- Margarete Hübsch, 1938-1940
- Alfred Auersperg, 1940-1945
- Karl Nowotny, 1945-1960
- Ernst Pichler, 1961-1973
- Helmut Tschabitscher, 1973-1975
- Herbert Suchanek-Fröhlich, 1975-1989
- Heinrich Binder, 1989-
Forschungsbericht der Expertinnen- und Expertenkommission 2021
- Bericht: Geschichte der Nathaniel Freiherr von Rothschild'schen Stiftung für Nervenkranke von ihrer Errichtung bis zu ihrer Reorganisation in der Nachkriegszeit. Erstellt im Auftrag der Geschäftsgruppen Soziales, Gesundheit und Sport (Stadtrat Peter Hacker) sowie Kultur und Wissenschaft (Stadträtin Veronica Kaup-Hasler. Wien 2021) [Online zugänglich ab 18. November 2021]
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 209.17 - Maria-Theresien-Schlössel
- Bericht des Stadtrechnungshof 2002
Literatur
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2.-21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 441
- Helmut Kretschmer: XIX. Döbling. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1982 (Wiener Bezirkskulturführer, 19), S. 43 (unrichtig)
- Herbert Suchanek-Fröhlich: Das sogenannte "Maria-Theresien-Schlössel" in der Hofzeile. In: Döblinger Museumsblätter, 82-83. Wien: Museumsverein Döbling 1985, S. 1 ff.
- Hans Tietze: Die Denkmale der Stadt Wien (XI. - XXI. Bezirk). Wien: Schroll 1908 (Österreichische Kunsttopographie, 2), S. 370 ff.