Türken

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Oberkammeramtsrechnung der Stadt Wien aus dem Jahr 1529: "..: unnd der Thurckh fur die statt khumen ..."
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Letzte Änderung am 6.11.2023 durch WIEN1.lanm08uns
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BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Oberkammeramtsrechnung der Stadt Wien aus dem Jahr 1529: "..: unnd der Thurckh fur die statt khumen ..."

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Inhalt:
  1. Zur Entwicklung der Begrifflichkeit
  2. Von der Frühen Neuzeit bis zum Ende der Monarchie
  3. Von der Gründung der Türkei bis zum Beginn der 1960er Jahre
  4. Gastarbeiter
  5. Neuere Entwicklungen
  6. Weiterführende Artikel
  7. Literatur
  8. Weblinks
  9. Einzelnachweise

Zur Entwicklung der Begrifflichkeit

Betreffs der Verwendung der Begriffe „Türken/türkisch“ bzw. „Osmanen/osmanisch“ wird auf die Ausführungen von Bruce Masters in der „Encyclopedia of the Ottoman Empire“ verwiesen. Dort heißt es von Ferdinand Opll ins Deutsche übertragen: „Die ‚Türkei‘, das heißt die Halbinsel, die heute den größten Teil des Staates umfasst, war in der griechisch-sprechenden Welt als ‚Anadolis‘ (= der Osten) bekannt. Mit dem Sieg der seldschukischen Turkstämme über die Byzantiner in der Schlacht von Manzikert (1089) wurde dieses Gebiet nach und nach immer mehr von Türkisch sprechenden Stämmen besiedelt. Kreuzfahrer des Ersten Kreuzzuges bezeichneten diese islamische Bevölkerung als ‚Türken‘, um sie von den arabisch-sprechenden Personen, die sie ‚Sarazenen‘ nannten, zu unterscheiden. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts hatte sich in Europa die Bezeichnung ‚Türken‘ oder auch ‚Türkei‘, das Land der ‚Türken‘, weitgehend durchgesetzt; diese Bezeichnung sollte dann auch nach der Machtübernahme durch die Osmanen weiter verwendet werden, und man nannte alle osmanischen Muslime ‚Türken‘, gleich, ob sie Türkisch sprachen oder nicht. Die Osmanen dagegen behielten die alte griechische Bezeichnung als ‚Anadolu‘ für die Halbinsel bei, während das Wort ‚Türke‘ bei ihnen für die turkmenischen Stämme und die türkisch-sprechenden Bauern in Anatolien Verwendung fand. Dabei hatte der Begriff ‚Türke‘ für Osmanen eine durchaus abschätzige Bedeutung (‚Turk kafa‘ heißt so viel wie ‚türkisch-köpfig‘ bzw. ‚stur‘).“[1]

Siehe auch: Türken (Begriff)

Von der Frühen Neuzeit bis zum Ende der Monarchie

Türken in einem Wiener Kaffeehaus um 1830

Mit dem Aufstieg des Osmanischen Reiches im Lauf des 15. Jahrhunderts zur Weltmacht rückte es im Zug seiner kriegerischen Expansion auch territorial immer näher an die habsburgischen Erbländer heran. Im Jahr 1529 kam es im Zug der Ersten Türkenbelagerung zur ersten großen Konfrontation, die nach erfolgloser Belagerung mit dem Abzug des Osmanischen Heeres endete. Diese und die mit einer vernichtenden Niederlage des Osmanischen Heeres endende Zweite Türkenbelagerung (1683) hinterließen gleichwohl verwüstete Vorstädte, Vororte und Umland rund um die ummauerte Stadt. Durch die Nachbarschaft der beiden Reiche gelangten im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts immer wieder Osmanische "Großbotschafter" mit ihrem Gefolge nach Wien. Eine Gesandtschaft des Pascha Imbrahim im Jahr 1700 umfasste 871 Personen. Zudem besuchten in Phasen friedlicherer Koexistenz aus dem Osmanischen Reich stammende Händler und Reisende die Stadt, die in der türkischen Überlieferung als "Goldener Apfel" ein begehrtes Eroberungsziel blieb. So etwa besuchte der berühmte türkische Reisende Eviliya Celebi 1665 die Stadt und lieferte eine ausführliche Beschreibung seiner Eindrücke.[2] Im Lauf des 18. und 19. Jahrhunderts etablierte sich in Wien eine Gruppe "türkischer" Händler, die sich vornehmlich in der Leopoldstadt (Vorstadt) ansiedelten. Dabei handelte es sich jedoch in erster Linie um Personen aus dem griechischen und serbischen Kulturkreis. Bis zum Ende der Habsburgermonarchie blieb die Zahl der dauerhaft in Wien wohnenden Staatsbürger des Osmanischen Reiches sehr klein.

Der türkische Sultan Mahmud II. (1808 bis 1839) stellt einen Schutzbrief für ein österreichisches Schiff aus (um 1830).

Von der Gründung der Türkei bis zum Beginn der 1960er Jahre

Auch nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches infolge der Niederlage im Ersten Weltkrieg und der Gründung des türkischen Staates änderte sich an der geringen Präsenz von Personen aus der Türkei in Wien wenig. In den Volkszählungen ist ihre Zahl erstmals 1939 mit 234 ausgewiesen.[3] Bis Mitte der 1960er Jahre blieb die Zahl türkischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Wien weiterhin so klein, dass sie in den Meldestatistiken nicht extra ausgewiesen wurde.

Gastarbeiter

Gastarbeiterinformationsstelle Amtshaus Liesing (1.2.1972).

Eine grundlegende Änderung trat nach Abschluss eines Abkommens der Republik Österreich mit der Türkei im Jahr 1964 ein. Von Seiten Österreichs bestand ein zunehmender Mangel einheimischer Arbeitskräfte während des "Wirtschaftswunders". Die Türkei verband mit dem Abkommen die Hoffnung auf Abbau von Arbeitslosigkeit, Qualifikation im Ausland und Devisentransfers. Das Abkommen regelte die Anwerbung von Arbeitsmigrantinnen und -migranten, zunächst im Kontingentverfahren. Deren Aufenthalt war zunächst von Seiten aller Betroffener als temporär gedacht, was sich in der Realität als kaum praktikabel darstellte. Die Anwerbung verlief zunächst schleppend. Die in Istanbul eingerichtete Anwerbestelle der österreichischen Wirtschaftskammer wurde sogar im Jahr 1967 für einige Zeit geschlossen. Doch die Konjunktur sprang dann rasch wieder an und nun kam es ab Beginn der 1970er Jahre zu einem raschen Zustrom türkischer Arbeiter und weniger Arbeiterinnen. Im Jahr 1973 lag ihre Zahl bei rund 10.000. Die Kontingente wurden sozialpartnerschaftlich ausgehandelt. Angesichts der anhaltenden Hochkonjunktur wich man in der Realität jedoch immer mehr davon ab. Die Migrantinnen und Migranten kamen zum Teil als Touristen nach Wien und wurden dann nachträglich angemeldet. Der „Ölpreisschock“ von 1973 veränderte die Lage jedoch nachhaltig. Nun regelte das Ausländerbeschäftigungsgesetz von 1975 die Arbeitsmigration.[4] Nach dem Ölpreisschock setzte eine Phase des Familiennachzugs ein, die dafür sorgte, dass die Zahl der gesamten türkischen Population in Wien weiter anstieg, Mitte der 1980er Jahre auf etwa 25.000, Ende der 1980er Jahre auf etwa 35.000. Ab den späten 1980er Jahren kam es zu einem weiteren deutlichen Anstieg der Arbeitsmigration begünstigt durch die herrschende Hochkonjunktur im Zug der deutschen Wiedervereinigung. 1993 war eine Zahl von 49.864 erreicht.

Die Ansiedlung der Arbeitsmigrantinnen und -migranten im Stadtraum war durch eine ausgeprägte kleinräumige Konzentration gekennzeichnet die durch Spezifika des damaligen Wiener Wohnungsmarktes und das niedrige durchschnittliche Lohnniveau der überwiegenden Mehrzahl der Zuwanderer zu Stande kam. Die erste Generation der türkischen Migrantinnen und Migranten im Wien wohnte in gründerzeitlichen Wohnvierteln mit hohem Substandardanteil in den Bezirken 10, 15 und 16, die schon für die tschechische Arbeitsmigration fast ein Jahrhundert zuvor Wohnzentren dargestellt hatten. Ein weiteres Problem entstand dadurch, dass das österreichische Bildungssystem unzureichend auf den Nachzug von minderjährigen Familienmitgliedern vorbereitet war, weil offiziell am Rotationsmodell der "Gastarbeit" lange Zeit festgehalten wurde. Dazu kam der Umstand, dass viele Migrantinnen und Migranten aus bildungsfernen Schichten aus rückständigen Gebieten der Türkei stammten. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 1983 hatten 12,7% der türkischen Staatsbürgerinnen und -bürger keine Schule besucht, 26% keinen Schulabschluss. Höhere Schulbildung wiesen lediglich 0,5% auf.

Schifffahrt türkischer Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter nach Dürnstein (23.6.1974).

Mit der Verfestigung des Aufenthalts in Wien entwickelte sich nach und nach ein reges Kulturleben mit einer beträchtlichen Zahl an Vereinen, Klubs, Gastronomieketten. Typische türkische Speisen fanden ab den 1980er Jahren immer mehr auch Eingang die Essensgewohnheiten der Wiener Gesamtbevölkerung. Zu kleinräumigen Zentren türkischen Lebens zählen etwa der Brunnenmarkt und das Viertel um den Keplerplatz. Größere türkische Wohnviertel entstanden in Wien jedoch nicht, da die antisegregativ ausgerichtete Politik im sozialen Wohnbau eine gewisse Durchmischung der regionalen Verteilung über das Stadtgebiet beförderte.

Neuere Entwicklungen

Ab Mitte der 1990er Jahren ist die Zuwanderung aus der Türkei zum überwiegenden Teil durch Familienzusammenführungen geprägt. Diese Zuwanderung wird durch die steigende Zahl von Personen der ersten Zuwanderergeneration, die mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt haben, begünstigt. Sie ist durch Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei gesetzlich geregelt. Dank der bis etwa Mitte der 1990er Jahre liberalen Einbürgerungspraxis in Wien erwies sich für die erste Generation der Arbeitsmigranten nicht der Aufenthaltsstatus, sondern zunehmend Altersarbeitslosigkeit als Hauptproblem. Dies nicht zuletzt weil die erste Generation zu 80-90% als Hilfsarbeitskräfte oder angelernte Arbeitskräfte tätig waren. Nach einer Studie aus dem Jahr 2011 waren 64% der männlichen Arbeitnehmer und 55% der Arbeitnehmerinnen mit türkischem Migrationshintergrund seit der Jahrtausendwende von Arbeitslosigkeit betroffen, jedoch nur 12% der einheimischen Bevölkerung. Durch Einbürgerungen ist die Zahl der Personen mit türkischer Staatsbürgerschaft nicht weiter gestiegen. Sie betrug um 2020 rund 45.000. Von der Wiener Wohnbevölkerung sind rund 65.000 Personen in der Türkei geboren, von rund 75.000 wurden beide Elternteile in der Türkei geboren.[5]

Siehe auch:

Literatur

  • Gábor Ágoston/Bruce Masters, Encyclopedia of the Ottoman Empire. New York: Facts On File, Inc. 2009; online unter: Encyclopedia of the Ottoman Empire
  • Hanne Egghardt: Türken in Wien. In: Wir. Zur Geschichte und Gegenwart der Zuwanderung nach Wien. 217. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1996, S. 114-121.
  • Hakan Gürses/Cornelia Kogoj/Sylvia Mattl (Hg.), Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration, Wien 2004
  • Richard F. Kreutel (Bearb.): Im Reiche des Goldenen Apfels. Des türkischen Weltenbummlers Eviliya Celebi denkwürdige Reise in das Giaurenland und in die Stadt und Festung Wien anno 1665. Osmanische Geschichtsschreiber 2, 2. Auflage, Graz/Wien/Köln: Styria 1963
  • Ferdinand Opll, Heike Krause, Christoph Sonnlechner: Wien als Festungsstadt im 16. Jahrhundert. Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2017, Einleitung
  • Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien NF 6 1939-1942, Wien: Magistrat der Stadt Wien 1946
  • Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2022. Wien: Magistrat der Stadt Wien 2022

Weblinks

ÖAW-Projekt Türkengedächtnis

Referenzen

  1. Gábor Ágoston/Bruce Masters, Encyclopedia of the Ottoman Empire. New York: Facts On File, Inc. 2009, S. 574 (Lemma "Turkey")
  2. Richard F. Kreutel (Bearb.): Im Reiche des Goldenen Apfels. Des türkischen Weltenbummlers Eviliya Celebi denkwürdige Reise in das Giaurenland und in die Stadt und Festung Wien anno 1665. Osmanische Geschichtsschreiber 2, 2. Auflage, Graz/Wien/Köln: Styria 1963.
  3. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien NF 6 1939-1942, Wien: Magistrat der Stadt Wien 1946, S. 32.
  4. Hakan Gürses/Cornelia Kogoj/Sylvia Mattl (Hg.), Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration, Wien: Mandelbaum 2004.
  5. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2022. Wien: Magistrat der Stadt Wien 2022, S. 66-67.