Gesundheitliche und sanitäre Versorgung in Wien in der Besatzungszeit
In der auf den Zweiten Weltkrieg folgenden Nachkriegszeit in Wien, die gleichzeitig durch die Alliierte Besatzung gekennzeichnet war, stellte die gesundheitliche und sanitäre Versorgung der Wiener Bevölkerung neben der Lebensmittelversorgung und dem Wiederaufbau eine der größten Herausforderungen für die Wiener Verwaltung dar und beeinflusste den Alltag maßgeblich.
Gesundheitsgefährdende Zustände nach dem Kriegsende
Bei Kriegsende 1945 ergaben sich verschiedene sanitäre und gesundheitliche Probleme in Wien. Ursachen für die schlechten hygienischen Zustände waren beispielsweise die fehlende funktionierende Wasserversorgung und Kanalisation. Zudem gab es keine organisierte Müllbeseitigung. Die Bestattungen von Menschen und Tieren erfolgte in dieser Zeit weiters nur notdürftig. In Verbindung mit mangelhafter Ernährung führten diese Umstände zu einem problematischen gesundheitlichen Zustand der Wiener Bevölkerung.
Die Folge war ein Anstieg von Typhus- und Ruhrerkrankungen sowie von Fleckfieber und Tuberkulose. Außerdem nahmen Geschlechtskrankheiten sowie weitere Infektionskrankheiten und Seuchen zu. Die Umstände führten überdies zu einer erhöhten Sterblichkeit, vor allem bei Neugeborenen: Im Jahr 1945 starb fast jeder dritte Säugling.
Aufgrund der problematischen Umstände, die sich etwa durch Kriegsschäden ergaben, konnten die Wiener Spitäler die auftretenden Krankheiten nicht ausreichend behandeln. Insgesamt waren in Wien 15 Krankenhaus-Gebäude völlig zerstört und 40 Gebäude zumindest teilweise beschädigt. Dort gab es häufig keine Fensterscheiben, kein Heizmaterial, zu wenig Lebensmittel und Medikamente; oft fehlten Gas und Strom. Außerdem waren auch Krankenhäuser von Plünderungen – beispielsweise von medizinischen Geräten oder Medikamenten – betroffen. So war in der unmittelbaren Nachkriegszeit praktisch kein Rettungsdienst mehr in Wien vorhanden und es standen nur rund 8.700 Betten zur Verfügung.
Maßnahmen zur Verbesserung der Lage
Aufgrund der angespannten Lage war es wichtig, Vorbeugungsmaßnahmen gegen die Krankheiten und gesundheitlichen Probleme der WienerInnen vorzunehmen. Dies erfolgte etwa durch die Aufklärung der Bevölkerung und durch hygienische Verhaltensmaßnahmen. Weiters wurden Impfungen durchgeführt, so dass allein 1946 48.000 Kinder gegen Diphtherie sowie 1945 und 1946 mehr als 200.000 WienerInnen gegen Typhus geimpft wurden. Um Typhus-Infektionen vorzubeugen, verstärkte die Stadt außerdem die sanitärpolizeiliche Kontrolle von Lebensmitteln. Impfungen gegen Kinderlähmung fanden bis in die 1960er Jahre statt. Wichtig war es weiters, gegen Läuse, die Krankheitserreger für Fleckfieber darstellten, vorzugehen. Dazu wurden Stationen an Bahnhöfen und wichtigen Straßen in Wien errichtet, um die ärztliche Kontrolle und Entlausung von EinwohnerInnen und ZuwanderInnen zu gewährleisten. Auch die Möglichkeit für Quarantäne wurde zur Ansteckungsvermeidung in Wien eingerichtet.
Die alliierten Besatzungsmächte lieferten einen wichtigen Beitrag bei der Gesundheitsversorgung in Wien, wie bei der Durchführung von Impfungen und Entlausungen, aber auch bei Rettungsdiensten. Die hohe Säuglingssterblichkeit wurde seit Beginn der Alliiertenhilfe in Form von besserer medizinischer Betreuung, Ernährung und Hygiene stark gesenkt. In der Wiener Interalliierten Kommandantur errichteten die Besatzungsmächte ein eigenes Subkomitee für Gesundheit, das beispielsweise mit der Lieferung von Medikamenten nach Wien betraut wurde. Zudem spielte die internationale Lebensmittelhilfe gegen Unterernährung eine bedeutende Rolle.
Literatur
- Gustav Bihl / Gerhard Meißl / Lutz Musner: Vom Kriegsende 1945 bis zur Gegenwart. In: Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Hg. von Peter Csendes, Ferdinand Opll. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2006, S. 545-815, hier: 550 f., 572
- Karl Fischer: Die Vier im Jeep. Die Besatzungszeit in Wien 1945-1955. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1985 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/1985), S. 8 f.