Säuglingswäschepaket
Mit Gemeinderats-Beschluss vom 3. Juni 1927 wurde unter Stadtrat Julius Tandler bestimmt, dass alle in Wien wohnhaften und nach Wien zuständigen Frauen, ohne Rücksicht auf ihren Status, bei der Geburt eines Kindes ein Säuglingswäschepaket erhielten. Voraussetzung dafür war, dass sie sich in einem bestimmten Zeitraum vor der Entbindung im Bezirksjugendamt ihres Wohnsitzes um das Säuglingswäschepaket bewarben. "Kein Wiener Kind darf auf Zeitungspapier geboren werden", lautete das Motto. Neben der sozialen Komponente dieser Aktion handelte es sich im wesentlichen um eine Maßnahme der Gesundheitsfürsorge (Gesundheitsamt, Fürsorge, Mutterberatungsstellen), die dem Schutz des zu erwartenden Kindes und der Reduzierung der Säuglingssterblichkeit dienen sollte. Nachdem es ab 1930 aufgrund der prekären finanziellen Situation der Gemeinde Wien und der unterschiedslosen Verteilung des Säuglingswäschepakets an alle Bevölkerungsschichten zunehmend zur Kritik an der Säuglingswäscheaktion gekommen war, wurden ab 1933 Beschränkungen beschlossen. So konnte die Zuwendung abgelehnt werden, wenn die Mutter in der Lage war, sich die notwendige Säuglingswäsche selbst zu beschaffen. Außerdem wurde das Säuglingswäschepaket binnen fünf Jahren höchstens zweimal ausgegeben (Gesamtzahl der verteilten Säuglingswäschepakete: 1927 9.781, 1928 11.808, 1929 11.275, 1930 11.167, 1931 10.708, 1932 9.477, 1933 7.950, 1934 5.630). Die Säuglingswäscheaktion wurde 1934 abgeschafft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Aktion wieder eingeführt. In beschränktem Ausmaß bereits im ersten Halbjahr 1946, in größerem Umfang ab Mitte Juli 1946, verteilte das Amerikanische Rote Kreuz an alle Mütter in der amerikanischen Zone Säuglingswäschepakete. Ab 1. November 1946 wurde die Aktion auf die Bezirke 1-21 und 1947 auch auf die Bezirke des Randgebiets von Wien (21-26) ausgedehnt. Ein solches Säuglingswäschepaket enthielt eine Decke, zwei Jäckchen, ein Hemdchen, drei Windeln, eine Kautschukeinlage, ein Häubchen, ein Paar Strümpfe, eine Bauchbinde und Sicherheitsnadeln. Auch die schwedische Hilfsaktion und das Schweizer Rote Kreuz verteilten Säuglingswäschepakete. Mit Gemeinderats-Beschluss vom 16. Juli 1948 wurde das Säuglingswäschepaket wieder eingeführt. Jede in Wien wohnhafte österreichische Staatsbürgerin, die sich im dritten Schwangerschaftsmonat beim Bezirksjugendamt ihres Wohnbezirks anmeldete, erhielt nach der Entbindung eines lebenden Kinds unentgeltlich ein Säuglingswäschepaket. Seit 1976 konnten die Eltern zwischen einer Ausstattung für Säuglinge oder einer für Kleinkinder und seit 1983 zwischen den geschlechtsneutralen Farben lila und türkis (vorher für Mädchen rosa und für Knaben hellblau) wählen. 1990 erfolgte die Umstellung der Verpackung von Plastiktaschen auf umweltfreundlichen Karton. 1995 wurden 9.842 Säuglingswäschepakete und 6.400 Kleinkinderwäschepakete ausgegeben.
Seit 2001 wird das Wäschepaket von einem "Wickelrucksack" ergänzt, der inhaltlich immer wieder erneuert wird. Zu einer kuscheligen Babydecke, praktischen Stoffwindeln, Babybodys, Leibchen und einer Haube gibt es Gutscheine für Dinge, die man für ein Baby gut gebrauchen kann. Enthalten sind auch viele Produktproben, eine Jausenbox und Informationen, wie der Öko-Ratgeber für Babys. Außerdem findet sich das Büchlein "Lesestart" der Büchereien Wien im Wickelrucksack. In der reich illustrierten Broschüre wird anschaulich und leicht verständlich beschrieben, wie man zu Hause Kinder im Kleinkindalter bei den ersten Schritten des Lesenlernens unterstützen kann. 2007 wurde der 100.000 Wickelrucksack überreicht.
Literatur
- Wiener Schriften. Band 11. Hg. vom Amt für Kultur, Schulverwaltung der Stadt Wien. Wien [u.a.]: Jugend & Volk, S. 218 ff.
- Hans Paradeiser: Die Säuglingswäscheaktion der Gemeinde Wien. In: Blätter für Wohlfahrtswesen 1927, S. 38 f.
- Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 494
- Rathauskorrespondenz, 02.10.2001, 29.03.2006, 07.12.2007, 07.03.2011