Geschlechtskrankheiten im Nachkriegs-Wien

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Daten zum Eintrag
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1945
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1955
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Epidemien im Nachkriegs-Wien, Gesundheitliche und sanitäre Versorgung in Wien in der Besatzungszeit
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Die Zahl der an Geschlechtskrankheiten erkrankten Wienerinnen und Wiener stieg bald nach Kriegsende rasch erheblich an. Diese Entwicklung kann auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden: einerseits kam es gegen Kriegsende zu zahlreichen Vergewaltigungen, in vielen Fällen durch Mitglieder der Roten Armee, andererseits spielten wohl auch die wiedererstehende Prostitution und heimkehrende Kriegsgefangene eine Rolle bei der Verbreitung.

Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten

Bereits am 27. April 1945 nahm die Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten wieder ihren Betrieb auf (1., Zelinkagasse 3). Ihr Aufgabenbereich umfasste neben der Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten auch die Überwachung der Prostitution, Eheberatung und die Unterstützung im Heilungsprozess. Zu Beginn war die Beratungsstelle in erster Linie mit der Betreuung vergewaltigter Frauen betraut, rund 100 suchten hier täglich um Hilfe an. Im Juni 1945 wurde ein starker Anstieg von Erkrankungen vermeldet – von 226 untersuchten Frauen war rund die Hälfte mit Gonorrhoe infiziert, von 50 untersuchten Männern 14. Nur die wenigsten Vergewaltigungsfälle gelangten auch zur Anzeige, meist geschah dies nur, wenn schwere Körperverletzung damit einherging, oder wenn es sich bei den Opfern um Kinder handelte. Bei den Tätern handelte es sich in den dokumentierten Fällen fast ausschließlich um sowjetische Soldaten. Auch Prostituierte mussten sich einmal wöchentlich einer Überprüfung durch die Beratungsstellen unterziehen. In den ersten rund eineinhalb Monaten fanden über 3500 Untersuchungen statt, wobei etwa 450 Fälle von Gonorrhoe und 15 Syphilis-Fälle diagnostiziert wurden. Erschwerend kam hinzu, dass kurz nach Kriegsende kaum Medikamente verfügbar waren. Die Versorgung der Außenbezirke (22 bis 26) war mangels Transportmöglichkeiten vorerst unmöglich, auch gab es noch nicht genügend Ärzte.

Meldepflicht

Ein weiteres frühes Projekt war die Wiedereinsetzung eines funktionierenden Meldewesens. [[Ärzte[Ärzte und Ärztinnen]] und Spitäler hatten im Glauben, das deutsche Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten aus dem Jahr 1927 sei nicht mehr in Kraft, die Meldungen von Geschlechtskrankheiten vorerst ausgesetzt. Die Bezirksärzte erhielten daher Anfang Juni 1945 den Auftrag, alle Ordinationen über die Wiederaufnahme der Meldepflicht zu informieren, auch an die Krankenhäuser erging dieser Aufruf. Zunächst gab es aber kaum Rückmeldungen, was die statistische Erfassung praktisch unmöglich machte.

Prostitution

Ein weiterer Schwerpunkt war die Regulierung der genehmigten sowie die Bekämpfung der geheimen Prostitution, dafür wurden die Polizei und die Sittenpolizei herangezogen. Rechtlich stützten sich die Maßnahmen auf §5 des Vagabundengesetztes und wiederum das deutsche Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten aus dem Jahr 1927. Prostituierte waren zu einer wöchentlichen Untersuchung in der Meldestelle verpflichtet, jede sechste Woche war auch ein Bluttest obligatorisch. Zu Beginn waren diese Regelungen aber noch wenig zielführend, denn die Polizei verfügte noch nicht über ausreichend Personal. Die illegale Prostitution existierte daher weiterhin, und auch die rund 300 bekannten legalen Prostituierten hielten sich kaum an die Vorgaben (bis Ende Juni 1945 ließen sich nur 20 pro Woche untersuchen).

Die Eröffnung von Bordellen war zwar untersagt, doch nur für die einheimische Bevölkerung, denn auf Intervention der US-Besatzungsmacht sollte es für deren Soldaten zugängliche Bordelle geben.

Heilanstalt Klosterneuburg

Die ehemalige "Irrenanstalt" Klosterneuburg, die 1938 an Wien gefallen war, wurde nach dem Krieg ausschließlich als Unterkunft für Frauen und Mädchen mit Geschlechtskrankheiten genutzt. Dorthin überwiesen die Beratungsstellen einerseits infizierte Prostituierte, andererseits kamen dort auch Erkrankte unter, die ansonsten weitab von Behandlungsmöglichkeiten wohnten. An den Belegzahlen ist ersichtlich, wie sich die Situation entwickelte: 1945 waren pro Tag durchschnittlich 311 Patientinnen untergebracht, ab 1946 sank die Zahl Jahr für Jahr (1946: 265; 1947: 215; 1948: 211; 1949: 158). 1946 wurde die Anstalt um eine geschlossene Nachfürsorgeabteilung erweitert, in der geheilten Patientinnen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben geholfen werden sollte, 1947 kam eine offene Nachfürsorgeabteilung hinzu, in der bereits wieder beschäftigte Personen weiterhin wohnen konnten. Mit der sinkenden Zahl an Geschlechtskranken konnten andere Teile des Komplexes wieder ihrer ursprünglichen Verwendung zugeführt werden. Ab 1950 kam hier wieder ein Altersheim unter, dafür mussten die hier arbeitenden Caritas-Schwestern in den Trakt der Geschlechtskranken übersiedeln.

Quellen