Arbeitsanstalt Klosterneuburg
Arbeitsanstalt Klosterneuburg (Klosterneuburg, Niederösterreich)
Die Anstalt vor 1938
Die „Heil- und Nachführsorgeanstalt Klosterneuburg“ wurde im Jahr 1920 vom Volksgesundheitsamt eingerichtet, ab 1922 wurden die Insassen von dem Frauenorden Caritas Socialis betreut. Sie war ausschließlich für Frauen bestimmt. Ziel war neben der Bekämpfung der Prostitution, der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten entgegenzuarbeiten. Gründe für die Wahl Klosterneuburgs waren die relative Nähe, zugleich die „gewisse Entfernung von Wien, um die Patientinnen aus ihrem bisherigen Milieu herauszunehmen“.[1] Nachdem sie lange Jahre (1920-1934) von Viktor Mucha geleitet worden war, übernahm Otto Satke die Leitung der Anstalt. Es existierten drei separate Abteilungen mit einem Belag von 240 Betten, die im Bedarfsfall auf bis zu 400 Betten aufgestockt werden konnten: für Jugendliche, für Nichtjugendliche und für Frauen, die der sittenpolizeilichen Kontrolle unterstanden. 1934/35 wurden knapp 300 Patientinnen in der Anstalt behandelt, 1936 und 1937 war die Zahl auf 400 bis 500 gestiegen.
Ende 1933 wurden der Institution die staatlichen Zuschüsse gestrichen, weshalb die Schwestern Teile des Gebäudes in Pacht nahmen. Zudem richteten sie1934 eine "Nachsorgeabteilung" ein, in der von Juni 1934 bis Mai 1938 134 Mädchen und Frauen untergebracht waren, von denen 23 unter 20 Jahren alt waren. Im Jänner 1936 wurde die Anstalt dem Allgemeinen Krankenhaus Klosterneuburg angegliedert.
Die "Heil- und Arbeitsanstalt" im Nationalsozialismus
Der gesamte Komplex in Klosterneuburg setzte sich zur Zeit des Nationalsozialismus aus der "Wiener Heilanstalt Klosterneuburg", der "Nachfürsorgeanstalt" bzw. "Arbeitsanstalt Klosterneuburg" (beide 18., Martinstraße 28), die im Mai 1940 an der gleichen Adresse gegründet wurde, sowie dem "Wiener Städtischen Erziehungsheim Klosterneuburg" und der "Sonderschule für Schwererziehbare" (beide 18., Martinstraße 56-58) zusammen. "Heil-" und "Arbeitsanstalt" arbeiteten eng zusammen. Im April 1940 übernahm die Gemeinde Wien den Betrieb nach der Auflösung des Vereins Caritas Socialis. Die Schwestern übten jedoch weiterhin wie gewohnt ihre Tätigkeiten aus und konnten sich offenbar auch gegenüber der nationalsozialistischen Fürsorgerin und dem Anstaltsamt behaupten. Durchschnittlich wurden die Frauen zwischen elf und dreizehn Monaten in der Anstalt festgehalten. Ihre Einweisung konnte auf Veranlassung der Klosterneuburger Fürsorgerin, einem Gesundheitsamt, der Kriminalpolizei, der NSDAP oder dem Arbeitsamt erfolgen. Die meisten Patientinnen waren bei der Einweisung zwischen 18 und 25 Jahre alt. Es war üblich, die Frauen zwischen den Anstalten Klosterneuburg und der Arbeitsanstalt am Steinhof hin-und herzuschicken. Strafmaßnahmen für Verstösse gegen die strengen Regeln und der Umgang mit Schwangerschaften während des Aufenthalts in der Anstalt wurden penibel durchgeführt und die Frauen unterstanden der weiteren Kontrolle nach der Entlassung durch das Gesundheitsamt.
Wesentlicher Teil war neben der "Erziehung" der als "asozial" betrachteten Frauen die Zwangsarbeit, die ein immenses Pensum in verschiedenen Bereichen wie in der Näherei, der Wäscherei, der Reinigung der Wiener Krankenanstalten oder den Küchen umfasste. Gegen Kriegsende wurden die Insassinnen auch für Rüstungsarbeiten sowie ab Ende 1944 für Aufräumarbeiten bombardierter Spitäler herangezogen. Der Umgang der Schwestern mit den Frauen wurde von der nationalsozialistischen Führung und der "Asozialenkommission" häufig als zu mild angesehen. Die jungen Frauen stammten zumeist aus ärmlichen Verhältnissen, waren bei Großeltern, Pflegeeltern oder in Heimen aufgewachsen. Dass sie nicht den vorherrschenden Geschlechterbildern sowie der herrschenden Sexual- und Arbeitsmoral entsprachen genügte, sie als "asozial" zu klassifizieren. Dieser Stigmatisierung konnten viele der Frauen auch nach 1945 nicht entkommen.
Die "Heil- und Nachfürsorgeanstalt Klosterneuburg" nach 1945
Nach Kriegsende war die Fürsorgetätigkeit in der Anstalt zunächst unterbunden. In den Räumen der Heilanstalt wurden ein deutsches und ein russisches Lazarett eingerichtet. Bald kamen Frauen freiwillig in die Heilanstalt, um Geschlechtskrankheiten behandeln zu lassen. Im Juli 1945 war das Haus in vollem Betrieb. Ab November des Jahres bemühte man sich um eine Wiederaufnahme der Fürsorgetätigkeiten, 1946 intensivierten sich die Kontakte zu den Jugendämtern der Stadt Wien. In den 1950er Jahren ging die Zahl der geschlechtskranken Patientinnen stark zurück, sodass Räumlichkeiten frei wurden. 1955 wurde in den durch Zusammenlegung freigewordenen Räumen ein Erziehungsheim ("Agnesheim") eingerichtet. In der Martinstraße 28 waren daneben ein Altersheim, ein Mädchenwohnheim und die Abteilung für geschlechtskranke Frauen und Mädchen untergebracht. Letztere bestand nur noch aus 30 Betten. Am Grundsatz "Erziehung durch Arbeit" wurde auch in den 1950er Jahren festgehalten. Bis 1959 hatte die Nachsorgeanstalt Bestand, das Agnesheim bis 1971. Das Altersheim und die Sonderabteilung für Geschlechtskranke wurden im gleichen Jahr von der Gemeinde Wien übernommen.
Literatur
- Helga Amesberger/Brigitte Halbmayr/Elke Rajal: "Arbeitsscheu und moralisch verkommen". Verfolgung von Frauen als "Asoziale" im Nationalsozialismus. Wien/Berlin: mandelbaum 2019, S. 104-162
Referenzen
- ↑ Schreiben der Caritas Socialis an die Niederösterreichische Landesregierung vom 16.5.1938, zit. nach Helga Amesberger/Brigitte Halbmayr/Elke Rajal: "Arbeitsscheu und moralisch verkommen". Verfolgung von Frauen als "Asoziale" im Nationalsozialismus. Wien/Berlin: mandelbaum 2019, S. 105.