Arbeitsanstalt am Steinhof
Arbeitsanstalt am Steinhof (14).
Gründung und Praxis der Einweisung
Die Arbeitsanstalt wurde am 01. November 1941 gegründet und befand sich im Anstaltsbereich der Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt, der sie administrativ angegliedert war. Sie war im Pavillon 23 untergebracht, der 10 Isolierzellen mit Betonbettgestellen, Innenklosetten und Waschgelegenheiten enthielt, dessen Spülung nur von außen möglich war. Weiters gab es dort auch Zimmer für das Pflegepersonal und Schlafsäle. Das gesamte Gebäude wurde von 4,5m hohen glatten Mauern umgeben.
Die Anstalt war für 120 Frauen vorgesehen, durchschnittlich waren 80 wirklich interniert. Frauen wurden vor allem aufgrund von „Arbeitsscheue, Geheimprostitution, Vagabundage, Verwahrlosung und Vernachlässigung von Familie und Wohnung“ interniert.
Alltag
Der Alltag der Frauen war durch tägliche 13-stündige Arbeit geprägt. Es gab mehrere Arbeitsgruppen: Wäscherei-, Heizer-, Feld-, Straßen-, Netzerei- (Herstellen von Haarnetzen), Haus-, Heim-, Küchen- und Reinigungsarbeit.
Daneben gab es noch das Stopfen und Flicken für die Jugendfürsorgeanstalt und das unbeliebte Hadernreißen. Lautes Sprechen, Lachen oder Singen wurde den Frauen genauso verboten wie der Kontakt mit Angehörigen. Wer nicht mehr fähig war zu arbeiten, wurde in die Anstalt Dauerheim oder in die Psychiatrie überstellt.
Zwangssterilisationen
Am Steinhof wurden auch Zwangssterilisationen durchgeführt, teilweise unter der Androhung, dass die Frauen ansonsten in ein Konzentrationslager kämen. Gründe für die Operationen, welche an der offenen Bauchdecke ausgeführt wurden (mitunter führte dies zu Komplikationen), waren die nach einer Untersuchung festgestellten Diagnosen „angeborener Schwachsinn“ oder „Debilität“.
Strafmaßnahmen
Sanktioniert wurden das Aufklauben von Fallobst während der Arbeit im Freien, gleichgeschlechtliche Beziehungen, aufmüpfiges Verhalten oder zu geringe Arbeitsleistung. Strafen waren mitunter der sogenannte „Steinhofer-Griff“ (Hinaufziehen der Hände am Rücken bis zum Kopf), Strafturnen, Wippen, Dunkelhaft, Isolierzellen, Haarverkürzungen, Einteilung zu besonders unangenehmen Arbeiten oder auch Kostentzug.
Flucht
Ab 1942 schafften es immer mehr Frauen, auf ihrer Flucht nicht mehr aufgegriffen zu werden. Fluchtversuche wurden mit harten Strafen und der Apomorphin-Injektion, der sogenannten Spei-Injektion, geahndet.
Statistische Auswertungen
Im Zeitraum von 1941 bis 1945 wurden insgesamt 420 Frauen, manche mehrmals, interniert. Meistens waren die Inhaftierten zwischen 18 und 30 Jahre alt, in 70% der Fälle ledig, in 20% der Fälle verheiratet und etwa 10 % von ihnen waren geschieden (ein sehr kleiner Teil verwitwet). Als Beruf wird in 35 % der Fälle Hilfsarbeiterin und in 19 % Hausarbeiterin angegeben. 10 % gaben an „Haushalt“ und 21 % keinen Beruf. Der Rest übte sonstige Berufe aus. Besonders viele Frauen kamen aus der Arbeitsanstalt Klosterneuburg. Es kam sehr häufig vor, dass Frauen zwischen Klosterneuburg und Steinhof immer wieder hin- und hergeschickt wurden.
Wenn Frauen entlassen wurden, geschah dies in 30 % der Fälle an ihre letzte Adresse, in 25 % zu Angehörigen, in 5 % zu einem Arbeitgeber und in den restlichen Fällen in eine andere Zwangsinstitution.
Am 5. oder 6. April 1945 wurden alle zu diesem Zeitpunkt in Steinhof internierten Frauen entlassen.
Literatur
- Helga Amesberger/Brigitte Halbmayr/Elke Rajal: "Arbeitsscheu und moralisch verkommen". Verfolgung von Frauen als "Asoziale" im Nationalsozialismus. Wien/Berlin: mandelbaum 2019, S. 89-104.