Beamte
Anfänge
Im Spätmittelalter und im 16. und 17. Jahrhundert gab es in Wien keine besoldeten Beamten im eigentlichen Sinn. Lediglich in einigen städtischen Ämtern und in der niederösterreichischen Regierung versah ständig angestelltes Personal (z.B.: Schreiber, Beschauer) seinen Dienst. Die Zahl dieser Bediensteten nahm jedoch zu. So waren bei der niederösterreichischen Regierung im Jahr 1539 25 Personen bedienstet, 1742 101. Die Wiener Zentralbehörden für die Monarchie beschäftigten um 1660 225, 1700 400 1781 1.105. In den Stadt Wien waren in den wichtigsten Städtischen Ämtern 1740 75, 1781 100 „Beamte“ beschäftigt. Was den frühneuzeitlichen „Staat“ betrifft bestand bis in das 18. Jahrhundert keine scharfe Trennung zwischen öffentlichen Dienst und Hofdienst. Eine gewisse Ausnahme bildeten die in Wien ansässigen Reichsbehörden. Aber auch ihr Personal wies keine klare Trennung zum Hofdienst auf. Mit Regierungsantritt Maria Theresias wurden Deputate und „Verehrungen“ abgeschafft und feste Jahresbezüge eingeführt. Stadträte übten ihre Funktion nun zumeist als einzigen Beruf aus. Erstmals wurden Kategorien öffentlicher Bediensteter und Rangklassen definierten. Im „Zinzendorfschen Staatsinventarium“ wurden 1765 auch erstmals die Gehälter und Pensionen genau geregelt. Ein allgemein verbindliches Gehaltsschema fehlte jedoch noch. In der Stadt Wien war schon zuvor eine gewisse Verbeamtung erkennbar. Viele Innere Räte waren vor ihrer Karriere als Räte städtische Beamte gewesen. Ämter wurden auf Lebenszeit ausgeübt.
„Josephinische Beamte“
Ab der Alleinherrschaft Kaiser Joseph II. legten im Zeitraum 1780-1820 zahlreiche Gesetze, Verordnungen, Erlässe die Pflichten und Rechte der nunmehr als Beamten definierten öffentlich Bediensteten penibel fest. Die Bürokratisierung schritt nun voran. Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Wien rund 4.700-5.000 Beamte des Staates, des Landes und der Stadt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat eine Verarmung breiter Beamtenschichten ein, weil die Fixgehälter nur wenig gesteigert wurden, während es zu gravierenden Inflationsschüben kam (besonders durch den Staatsbankrott 1811). Als Fortschritt erwies sich das Pensionsnormale von 1781 welches die Höhe der Pensionen nach Dienstgrad und Dienstalter regelte. Auch wurde die drückende Hofquartierspflicht der Beamten praktisch aufgehoben. Ab 1807 gab es Diätklassen, ab 1814 Beamtenuniformen. Trotz zunehmender Aufgaben änderte sich die Zahl der Beamten bis 1848 nur wenig. Im Jahr 1834 waren es insgesamt 5.000. Sie kamen nun überwiegend aus dem Bürgertum. Adelige Beamte verloren an Bedeutung.
Das franzisko-josefinische Zeitalter
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat eine zunehmende Modernisierung im Verwaltungsapparat der Monarchie ein. Auf die krisenhafte Gehaltsentwicklung der 1850er und 1860er Jahre folgte 1873 ein umfassenden Rang- und Gehaltsgesetz. Die zivilen Staatsbeamten wurden in elf Dienstklassen eingeteilt und klare Regeln der Zeitvorrückung definiert. 1898 und 1907 folgten ausgeprägte Gehaltserhöhungen. Die eigentlichen Gewinner der Periode waren jedoch die Magistratsbeamten. Mit der Kommunalisierung wuchsen den Wiener Magistrat zunehmende Aufgaben zu, jedoch erhielt auch eine beträchtliche Finanzhoheit. Dies ermöglichte finanziellen Spielraum bei der Besoldung. Um 1892 verdienten Wiener Magistratsbeamte zumindest in den hohen Gehaltsstufen um einiges besser als jene des Kronlandes Niederösterreich und des Staates.
Erste Republik
Nach dem Zerfall der Donaumonarchie hatten Beamte aus den ehemaligen Kronländern kein Recht auf Universalsukzession. Besonders auf Grund der Bedingungen der Genfer Anleihe von 1922, die die Währung stabilisierte, aber an strikte Sparvorgaben gebunden war, wurden etwa 100.000 Staatsangestellte in Österreich entlassen oder pensioniert, der größere Teil davon in Wien. Gleichzeitig erhielten in der Nachkriegszeit allerdings Diener und Offizianten den Status von Beamten zuerkannt. Das Besoldungsgesetz von Juli 1921 schuf rund 30 Besoldungsgruppen. Hingegen änderte sich an der Zahl der Magistratsbeamten kaum etwas. Zusätzliche Aufgaben durch die neue Rolle Wiens als Bundesland und durch den Ausbau der kommunalen Daseinsvorsorge wurden durch Umschichtungen und durch Erhöhung der Arbeitszeit aufgefangen. Es kam aber auch in der Gemeindeverwaltung zum Abbau durch Aufnahmesperren. Ende 1924 hatte Wien 18.670 Verwaltungsbeamte und 7.067 beamtete Lehrpersonen. Nach dem Ersten Weltkrieg bestimmte das Alimentationsprinzip die Gehaltspolitik. Die Beamten waren durch die Hyperinflation auf rund 14% des Vorkriegsgehalts gesunken. Zulagen (Ortszuschlag, Teuerungszuschlag) verbesserten die Situation von Beamten in niedrigen Positionen und Verheirateten mit Kindern, ebenso Massenbeförderungen. 1924 wurde ein neues Gehaltsgesetz mit Zeitbeförderung eingeführt. Nun trat wieder eine gewisse Entnivellierung ein. Mit der Weltwirtschaftskrise wechselten vor allem Beamte, die die Großdeutsche Partei gewählt hatten, zu den im Sommer 1933 verbotenen Nationalsozialisten. Im Dezember 1933 zwang das „Doppelverdienergesetz“ einen größeren Teil der Beamtinnen den Dienst zu entsagen oder geplante Eheschließungen nicht einzugehen. In der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur („Ständestaat“) ging die Zahl der Magistratsbeamten auf 13.500 zurück. Anhänger der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) wurden teilweise zwangspensioniert, 500-600 Sozialdemokraten entlassen. Die gemeinderätliche Personalkommission wurde aufgelöst, die Bezüge um 10% gekürzt.
NS-Diktatur
Nach dem Anschluss wurden in Österreich rund 16.000 Beamte und Beamtinnen vom NS-Regime aus politischen oder rassischen Gründen entlassen oder degradiert, von den Sektionschefs 28 von 44. Insgesamt benötigte das Regime jedoch mehr Beamte deren Zahl insgesamt stieg. Rund zwei Drittel der Beamten standen als „bürokratische Beamte“ (Opportunisten) ohne große Einschränkungen zum Regime, weniger als 15% waren illegale Nationalsozialisten gewesen und als überzeugte Nazis einzustufen. Generell überwogen mit Ausnahme der von der NSDAP besetzten Spitzenpositionen Kontinuitäten. 1944/45 waren etwa 80% der Gestapo-Beamten schon vor dem Anschluss im Polizeidienst tätig.
Zweite Republik
Mit der Gründung der Zweiten Republik wurden anfänglich alle NSDAP-Mitglieder aus dem Staats- und Gemeindedienst entlassen. In der Stadt Wien erließ Bürgermeister Theodor Körner eine Aufforderung an alle nicht kriegsgefangenen oder anderweitig begründet verhinderten Beamtinnen und Beamten ergehen, wonach sie bis 30. April 1945 zum Dienst zu erscheinen hatten. Bei jenen die fern blieben, ging man von einer Mittäterschaft im Nazi-Regime aus. Mit diesem Schritt wurden rund 1.500 Personen entlassen. Durch Begnadigungen von „Minderbelasteten“ kehrten jedoch manche ab 1948 wieder in den Dienst zurück. Von den Sektionschefs des Bundes in den Wiener Zentralbehörden der Jahre 1945-1950 war jedoch nur einer ein ehemaliges NSDAP-Mitglied. Mit der Gründung der Gewerkschaft der Öffentlich Bediensteten und der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten im Jahr 1945 erhielten die öffentlich Bediensteten eine starke Interessensvertretung. Am 20. Dezember 1946 wurde auch eine neue Dienstordnung für die Beamten der Stadt Wien erlassen. Hinsichtlich der Entlohnung über wog bis 1953 bei Bund und Stadt Wien das Alimentationsprinzip von dem die niedrigen Gehaltskategorien überproportional profitierten. Danach trat wieder Entnivellierung ein. Bis Ende der 1970er Jahre erzielten die öffentlich Bediensteten zum Teil Gehaltsabschlüsse mit +3%-Steigerung der Realeinkommen. Danach nahmen die Realeinkommenssteigerungen beträchtlich ab. Vergleichsweise günstig erwies sich die Entwicklung des Gender Pay Gap im öffentlichen Dienst. Er sank seit den 1980er Jahren beträchtlich, lag aber immer noch um die Jahrtausendwende bei rund 20%. Die Entwicklung des modernen Wohlfahrtsstaates förderte eine entsprechende Bürokratisierung. Im Jahr 1954 waren in den Wiener Zentralstellen des Bundes 23.696 Beamtinnen und Beamte aktiv, 2002 36.391. Ab der Jahrtausendwende wurden in den Bundesdienststellen und bei der Gemeinde Wien mit wenigen Ausnahmen keine Pragmatisierungen mehr vorgenommen. Dadurch sank der Anteil des beamteten Personals der Stadt Wien von 50% im Jahr 2002 auf 35% 2012. Eine ähnliche Entwicklung wies der Bund auf. Mittelfristig ist also von einem Ende des pragmatisierten Beamtenstatus mit Ausnahme weniger Berufe (Polizei, Justiz) auszugehen.
Literatur
- Karl Megner: Beamte. In: Andreas Weigl / Peter Eigner / Ernst Gerhard Eder (Hg.): Sozialgeschichte Wiens 1740-2010. Soziale und ökonomische Ungleichheiten, Wanderungsbewegungen, Hof, Bürokratie, Schule, Theater (Geschichte der Stadt Wien 8), Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2015, S. 469-583.
- Karl Megner: Beamtenmetropole Wien 1500-1938. Bausteine zu einer Sozialgeschichte der Beamten vorwiegend im neuzeitlichen Wien. Wien: Verlag Österreich 2010