Sowjetisch-österreichische Beziehungen im Nachkriegs-Wien

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Datum vonDatum (oder Jahr) von 1945
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Letzte Änderung am 22.11.2024 durch WIEN1.lanm08trj

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Das Verhältnis der sowjetischen Besatzungstruppen zur Wiener Bevölkerung war von Beginn an ein schwieriges. Nicht nur waren die sowjetischen Soldaten die einzigen unter den vier Mächten, die in Wien an unmittelbaren Kampfhandlungen beteiligt gewesen waren, die Sowjetunion war auch von den Besatzungsmächten mit Abstand am stärksten vom Zweiten Weltkrieg betroffen. Da die anderen drei Mächte erst später in Wien einlangten, und erst mit 1. September ihre Zonen übernahmen, blieben die Sowjets über Monate die alleinigen Herren in der Stadt. In dieser Zeit kam es zu zahlreichen Übergriffen auf die Zivilbevölkerung, insbesondere in den letzten Kriegstagen fanden Plünderungen und Vergewaltigungen statt. In Folge bildete sich ein ambivalentes Verhältnis zur Besatzungsmacht heraus: In den ersten Nachkriegsmonaten sicherte sie die Versorgung der Bevölkerung, und half auch tatkräftig beim Wiederaufbau der Stadt mit. Andererseits war keine der anderen Besatzungsmächte dermaßen gefürchtet, denn nicht nur waren die Soldaten unberechenbar und tendierten dazu, willkürliche Beschlagnahmungen vorzunehmen, auch der sowjetische Geheimdienst versetzte mit Entführungen die Wienerinnen und Wiener in Angst und Schrecken.

Politik

Die sowjetische Abteilung der Alliierten Kommission war die erste, die Verbindung zum österreichischen Heeresamt aufnahm. Bürgermeister Theodor Körner setzte von Anfang an auf gute Beziehungen zur Sowjetunion. Einen äußerst positiven Eindruck hinterließ sein Besuch in Moskau 1947. Körner war auch förderndes Mitglied in der "Gesellschaft zur Pflege der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Sowjetunion".

Kriegsgefangene

Schon im Sommer 1945 wurde die Rückkehr von 30.000 kriegsgefangenen Österreichern zwischen der Sowjetabteilung der Alliierten Kommission und Vertretern Österreichs diskutiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die sowjetische Armee bereits in großem Ausmaß Kriegsgefangene im Gebiet Österreichs freigelassen. Eine nach Moskau reisende Handelsdelegation wurde beauftragt, dieses Thema vor Ort zur Sprache zu bringen und Informationen einzuholen. Geplant war die Einrichtung einer Kriegsgefangenenmission mit ständigem Sitz in Moskau, welche die in Russland befindlichen Gefangenen erfassen und die Organisation der Rücktransporte übernehmen sollte.

Beziehungen zur Zivilbevölkerung

Sowjetische Soldaten – oder exakter: "Personen in sowjetischer Uniform" – dominieren die Polizeiberichte der Nachkriegszeit. Dabei handelte es sich nicht nur um Diebstähle, auch Vergewaltigungen, Mord und Körperverletzung sind in einem Ausmaß dokumentiert, das keine der anderen Besatzungsmächte auch nur annähernd erreichte. Dabei sind sowjetische Soldaten aber auch oft unter den Opfern, es handelte sich zuweilen auch um interne Konflikte.

Auch in Verkehrsunfälle waren sowjetische Fahrzeuge häufig verwickelt. Im April 1946 war an fast zwei Drittel aller Unfälle mit Fahrerflucht ein sowjetisches Fahrzeug beteiligt, sieben Personen kamen ums Leben (zum Vergleich: alle Zivilfahrzeuge zusammen töteten in diesem Zeitraum zwölf Menschen). Im November 1945 raste ein sowjetisches Fahrzeug in eine Gruppe Feuerwehrleute, die soeben mit einer Bergung beschäftigt war, tötete dabei eine Person, und beging Fahrerflucht, bis der Fahrer vom amerikanischen Militär angehalten werden konnte. Im September 1946 riss ein russischer LKW bei einem Überholmanöver eine Person von einer Straßenbahn, die dabei ums Leben kam; im selben Monat starben zwei russische Soldat beim Ab- bzw. Aufspringen von einem fahrenden Zug.

Entführungen

Eine Sonderstellung unter den Alliierten nehmen die sowjetischen Streitkräfte nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Entführungen ein, mit denen sie die österreichische Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzte. Auch hochrangige staatliche Akteure waren nicht sicher, wie die Verschleppungen von Margarethe Ottillinger oder Paul Katscher beweisen.

Anfang September holten sowjetische Soldaten einen Verbindungsoffizier des Heeresamts, Major Luzatto, in Anwesenheit seiner Gattin aus seiner Wohnung ab. Auf Nachfrage des Heeresamts gab sich die sowjetische Abteilung unwissend. Luzatto wurde in Liesing vom NKWD verhört, man beschuldigte ihn, an der Ermordung von 600 Sowjets in Warschau beteiligt gewesen zu sein und drohte ihm mit dem Erschießen. Zwei Tage später ließ man ihn nach brutalen Verhören frei.

Quellen

  • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.4.24
  • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.2.2
  • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.4.18
  • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.4.16
  • Wiener Stadt- und Landesarchiv, Nachlass Körner, A1.4.8