Französischer Sektor in Wien
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde Österreich von den Alliierten – der Sowjetunion, den USA, Großbritannien und Frankreich – bis 1955 besetzt. Währenddessen war das Land nach dem Zonenabkommen der Alliierten in vier Besatzungszonen geteilt, die Stadt Wien wurde in vier alliierte Sektoren und eine Interalliierte Zone gegliedert. Neben dem französischen bestanden somit ein britischer, ein sowjetischer und ein US-amerikanischer Sektor. Neben der Kontrolle und Verwaltung des eigenen Sektors war die französische Besatzungsmacht weiters an der Kontrolle und Verwaltung der Interalliierten Zone beteiligt.
Der französische Sektor umfasste die Bezirke Mariahilf (sechs), Penzing (14), Rudolfsheim-Fünfhaus (15) und Ottakring (16). In diesen Bezirken wurden zudem Bezirksregierungen (‘Gouvernements d’arrondissements’) geschaffen. Die Kommandanturen lagen im sechsten Bezirk in der Hirschengasse, im vierzehnten Bezirk in der Hütteldorfer Straße 126 (heutiges Kommandogebäude General Körner), im fünfzehnten Bezirk in der Tannengasse und im sechzehnten Bezirk auf dem Schuhmeierplatz.
Wenngleich sich das französische Hauptquartier und die ‘Mission française’ in Innsbruck, dem Zentrum der französischen Besatzungszone, befanden stellte das Hotel Kummer (6, Mariahilfer Straße 71 A) das repräsentative Quartier der französischen Besatzungsmacht in Wien dar. Dort fanden zu Beginn der Besatzung auch erste Treffen des Alliierten Rates, dem höchsten Organ der Alliierten Kommission statt, bevor dieser in das Haus der Industrie (3, Schwarzenbergplatz 4; April 1946-Juli 1956 Stalinplatz 1) übersiedelte. Noch 1945 wurde ein Großteil des französischen Hauptquartiers in der ehemaligen Kadettenschule in der Hütteldorfer Straße 126 in Penzing untergebracht. Das Hotel Kummer wurde schließlich vom Hotel de France (1, Schottenring 3), das in der Interalliierten Zone lag und Frankreich zugeteilt war, als Hauptsitz in Wien abgelöst.
Weiters nutzten französische Truppen die Breitenseer Kaserne (14, Breitenseer Straße 61), wo der französische Militär- beziehungsweise Hochkommissar in Wien arbeitete, und die Radetzkykaserne (16, Gablenzgasse 63).
Um durch die sowjetische Zone, die Wien umgab, freien Zugang zum Rest Österreichs zu erlangen, nutzte Frankreich in der Besatzungszeit den Westbahnhof. Zudem teilte es sich mit der britischen Besatzung den Flugplatz Schwechat.
Die französische Besatzungsmacht hinterließ in Wien nachhaltige Spuren, wenngleich die französische Truppenstärke in Österreich bereits 1946 auf ca. 7.000 Soldaten, was rund ein Siebentel der US-amerikanischen und britischen Truppen sowie ein Fünfunddreißigstel der sowjetischen Truppen darstellte. Dar die Kulturpolitik für Frankreich besonders im Vordergrund stand, wurden in Wien verschiedene Institutionen geschaffen, die zur Verbreitung der französischen Kultur in Österreich beitragen sollten: Im französisch-österreichischen Kulturabkommen vom März 1947 wurde die Einrichtung von französischen Kulturinstituten in Wien und Innsbruck festgehalten, welche die Pariser Universität leitete und die von Österreich unabhängig waren. Somit eröffnete das Institut français de Vienne am 10. November 1947 und war im Lobkowitzpalais (1, Lobkowitzplatz 2), dem Sitz der Französischen Botschaft vor dem Ersten Weltkrieg, untergebracht. Dieses stellt auch heute eine der wichtigsten Einrichtung der französischen Kulturarbeit in Österreich dar. Als weitere Institution der französischen Infrastruktur in Wien wurde das französische Gymnasium, das Lycée Français de Vienne geschaffen, welches ebenfalls auch heute noch besteht. Zudem war im französischen Sektor während der Besatzungszeit bereits seit Mitte September 1945 ein Schauplatz für Konzerte, welche die Militärverwaltung organisierte und wofür sie französische KünstlerInnen nach Österreich holte.
Literatur
- Thomas Angerer: Besatzung, Entfernung… Integration? Grundlagen der politischen Beziehungen zwischen Frankreich und Österreich seit 1938/45. In: Frankreich – Österreich. Wechselseitige Wahrnehmung und wechselseitiger Einfluß seit 1918. Hg. von Friedrich Koja, Otto Pfersmann. Wien / Köln / Graz: Böhlau Verlag 1994 (=Studien zu Politik und Verwaltung, 58), S. 82-102, hier: 88, 91.
- Thomas Angerer: Frankreich, die alliierte Besatzung und die Staatsvertragsverhandlungen. In: “Österreich ist frei!“ Der Österreichische Staatsvertrag 1955. Beitragsband zur Ausstellung auf Schloss Schallaburg 2005. Hg. von Stefan Karner, Gottfried Stangler. Wien: Verlag Berger 2005, S. 82-87, hier: 84, 86.
- Barbara Porpaczy: Frankreich – Österreich 1945-1960. Kulturpolitik und Identität (=Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte, 18). Innsbruck et al.: Studien Verlag 2002, S. 12, 95 f., 101, 115 ff., 243.
- Manfred Rauchensteiner: Kriegsende und Besatzungszeit in Wien 1945-1955. In: Wiener Geschichtsblätter 30. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1975, S. 191 ff.
- Johannes Sachslehner: Wien. Stadtgeschichte kompakt. Wien: Pichler Verlag 1998, S. 213.
- Margit Sander: Die französisch-österreichischen Beziehungen während der Besatzungszeit von 1947 bis 1955. Diss. Univ. Wien. Wien 1983, S. 12 f.
- Stefan Vogel: Frankreich und die alliierte Besatzung 1945-1955. Dipl.-Arb. Univ. Wien. Wien 1997, S. 102.