Lobkowitzpalais
Lobkowitzpalais (1., Lobkowitzplatz 2, Augustinerstraße 10; Konskriptionsnummer 1101).
Vorgängergebäude
Dorotheerbad
Diese ab 1300 belegbare Badstube gehörte seit 1434 dem Chorherrenstift St. Dorothea und wurde danach Dorotheerbad genannt. Sie lag am Schweinemarkt (heute Lobkowitzplatz) und wurde 1687 von Philipp Sigmund Graf Dietrichstein um 7000 Gulden angekauft.
Eckhaus Schweinemarkt/Hochstraße
Über dieses Haus, das wesentlich größer als das Dorotheerbad und schon seit früher Zeit ein Freihof war, gibt es nur wenige Informationen. Seine Hauptfront lag am Schweinemarkt, die Nebenfront gegenüber dem Augustinerkloster an der Hochstraße (heute Augustinerstraße). Das Eckhaus wird bereits 1351 erwähnt. Aus einer Urkunde des Jahres 1382 geht hervor, dass sich hier damals noch zwei Gebäude befanden, die beide Hans von Liechtenstein-Nikolsburg gehörten. Als dieser 1395 bei Herzog Albrecht III. in Ungnade fiel und seinen gesamten Besitz verlor, waren die beiden Gebäude bereits zu einem verbaut worden. Wem dieses in den folgenden Jahren gehörte, ist nicht bekannt. Für das Jahr 1488 wird Sigmund Maroltinger als Besitzer genannt. Auch die späteren Eigentümer sind unbekannt. Erst für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts gibt es wieder Urkunden, die den Besitzer nennen. Demnach gehörte es damals dem Freiherren Hanns Franz Leopold von Fels. 1687 kaufte es Philipp Sigmund Graf Dietrichstein von Maria Elisabeth, Witwe des Hans Franz Colonna von Fels, um 22.000 Gulden.
Heutiges Haus
Anstelle beider Gebäude ließ Philipp Sigmund Graf Dietrichstein 1689-1694 nach dem Entwurf von Giovanno Pietro Tencala das gegenwärtige Palais erbauen, in das auch ein 1691 dazugekauftes Grundstück einbezogen wurde. Im Hof wurde gegenüber dem Tor in einer Wandnische ein Brunnen errichtet. Unter der Brunnenfigur des ruhenden Herkules sieht man - auf einem höheren Sockel und mit einer Viktoria gekrönt - den nemeischen Löwen und den Stier von Kreta, die beide aus dem Wasserbecken trinken. Zwischen 1709 und 1711 wurde das Aussehen entscheidend verändert, da das markante Hauptportal angefügt wurde. Außerdem wurde der Mittelteil durch eine Balusterattica und (inzwischen zerstörte) Reliefs hervorgehoben. Diese Arbeiten werden Johann Bernhard Fischer von Erlach zugeschrieben.
Dietrichstein († 1716) hinterließ das Palais seiner Tochter Ernestine (1683-1745), die in erster Ehe mit Johann Wenzel Graf Callas († 1719), in zweiter Ehe mit Aloys Thomas Graf Harrach († 1742) vermählt war und das Palais 1724 an den kaiserlichen Hofbaudirektor Gundacker Graf Althan (1665-1747) verkaufte. Auf diesen gehen die Ausstattung des Festsaals (Deckenfresko "Allegorie der Künste" von Johann Jakob van Schuppen, Scheinarchitektur von Gaetano Fanti) sowie das von einem unbekannten Künstler geschaffene Deckenfresko im Stiegenhaus zurück.
Von Althan kam das Palais 1745 durch Ablöse an seinen Stiefsohn Ferdinand Philipp Fürst Lobkowitz (1724-1784), der mit Christoph Willibald Gluck und Philipp Emanuel Bach Kontakte pflegte und in Raudnitz (Böhmen) eine Baumwollspinnerei begründete. Er vererbte das Palais, das nun den Namen "Lobkowitzpalais" trug, 1784 seinem Sohn Joseph Franz Maximilian Lobkowitz (1772-1816), der 1799 den Festsaal für Konzerte umbauen ließ (Eroica-Saal; private Uraufführung von Beethovens "Eroica" 1804). Im Besitz des Lobkowitzpalais folgten die Fürsten Ferdinand Joseph (1797-1868), Moritz Alois (1831-1909) und Ferdinand Zdenko (1858-1938) sowie dessen Söhne Ferdinand Joseph (1885-1953) und Max Erwin (1888-1967).
Zur Zeit des Wiener Kongresses (1814/1815) war das Palais Treffpunkt der höchsten gesellschaftlichen Schichten. Hier wurden rauschende Feste gefeiert, die glanzvoller waren, als die in anderen Adelspalästen. Auch die Rede vom "tanzenden Kongress" soll in diesem Palais ihren Ausgang gehabt haben. 1810 wurde unter der Patronanz der Fürstin Lobkowitz eine "Gesellschaft adeliger Damen" gegründet, deren Oberleitung hatte der Kaiser selbst innehatte. Sie diente der Förderung des "Guten und Nützlichen", was nicht nur die Unterstützung der Armen sondern auch die Förderung der Seidenkultur und der Bienenzucht (allerdings ohne Erfolg) miteinschloss. Der Gesamtumsatz an Beiträgen und Spenden betrug zwischen 60.000 und 90.000 Gulden jährlich, die Gesellschaft hatte über 3.000 Mitglieder. 1813 wurden auf Befehl des Kaisers vor allem die Familien der eingerückten Soldaten unterstützt.
Später war das Lobkowitzpalais vermietet: 1869-1909 an die französische Botschaft, 1919-1938 an die Gesandtschaft der Tschechoslowakischen Republik, 1939-1945 an das "Haus der Mode" und 1947-1979 an das französische Kulturinstitut ("Institut français de Vienne"). 1979 verkaufte die Familie Lobkowitz das Gebäude an die Republik Österreich, die es grundlegend restaurieren ließ und am 26. Oktober 1991 im Palais das (am 24. Juni 1923 von Joseph Gregor begründete und provisorisch untergebrachte) Österreichische Theatermuseum (vereinigt mit der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek) eröffnete.
Quelle
Literatur
- Josef Bergauer: Das klingende Wien. Erinnerungsstätten berühmter Tondichter. Wien: Günther 1946, S. 41
- Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 108 f., 109
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 387
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 1. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 135-140
- Karl Kobald: Klassische Musikstätten. Wien: Amalthea-Verlag 1929, S. 100 f.
- Lobkowitzplatz 2. Geschichte eines Hauses. Idee u. Konzeption Karl Mang ... . Wien [u.a.]: Böhlau 1991 (Cortina, 8)
- Das Palais Dietrichstein-Lobkowitz. Lobkowitzplatz 2 (Abb. 5, 10, 41). In: Bruno Grimschitz: Wiener Barockpaläste. Wien: Wiener Verl. 1944, S. 4-5
- Paläste und Bürgerhäuser in Österreich = Noblemen's and Citizens' Town-Houses in Austria = Hôtels Particuliers, Palais et Maisons Bourgeoises En Autriche. Wien: Verl. Notring d. wissenschaftlichen Verbände Österreichs 1969 (Notring-Jahrbuch, 1970), S. 119
- Gabriele Praschl-Bichler: Wien speziell. Architektur des Barock. Wo finde ich Schlösser, Palais, Öffentliche Profanbauten, Kirchen, Klöster, Bürgerhäuser, Denkmäler, Brunnen, Museen, Sammlungen in Wien. Wien: Christian Brandstätter Verlag 1990, S. 32 f.
- Wilhelm Georg Rizzi: Das Portal der Stadtpfarrkirche in Laa/Thaya und Johann Bernhard Fischers Portal am Palais Dietrichstein-Lobkowitz in Wien. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 31 (1977), S. 137 ff.
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 74